von Andrea Karminrot | Mrz 4, 2018 | Rezension, Roman |
ein Roman von
von Hans Pleschinski
März 1945. Nachdem Dresden dem Erdboden gleichgemacht wurde, warten, mit vielen anderen, vier Gestalten auf den Zug nach Breslau. Es ist Gerhart Hauptmann, der Dichter und Nobelpreisträger mit seine Frau Magarete, die zurück in ihre Villa „Wiesenstein“ in Schlesien fahren wollen. In ihrer Begleitung sind der Masseur und Hauptmanns Sekretärin. Der Dichter möchte zurück in seine Heimat, dort wo er geboren wurde, möchte er auch sterben. Nach verschiedenen Widrigkeiten kommen sie in dem besonderen Haus in Schlesien an, begrüßt von der Köchin, Zofe und dem Butler, fühlen sie sich dort geborgen. Doch die Menschen aus der Umgebung, erwarten das Ende des Krieges. Einzig die Hauptmanns scheinen in ihrer rosa Wolke zu leben. Magarete Hauptmann war selber eine ehemals bekannte Geigerin und hält sich weiterhin für etwas Besonderes. Die Welt um das Haus Wiesenstein geht unter. Aber G. Hauptmann dichtet fleißig weiter…
Das letzte Jahr im Leben des Dichters wird in diesem Roman, in einer ziemlich alten Schreibweise, festgehalten. Pleschinski, hat sich in seiner Ausdrucksweise dem Dichter angepasst. Auch er soll in diesen abgehackten Sätzen gesprochen haben. Anfangs fiel es mir wegen diesem Stil schwer, einen Einstieg in das Buch zu finden. Doch nach den ersten zwei Kapiteln fand ich mich in dem Roman wieder und begleitete die Hauptmanns in ihrem Haus. Erschreckend sind die Beschreibungen um das Kriegsende. Welche dramatischen Augenblicke sich da abgespielt haben, bringt allerdings genau diese kurzgehaltene Ausdrucksform deutlich hervor. Verständlich wurde es für mich nicht, warum sich die beiden Alten solange in der Villa aufhielten und das Kriegsende stoisch dort aushielten. Aber die Geschichte hat das Leben geschrieben. Pleschinski, hat sie „nur“ in ein Buch gepresst. Viele Interessante Menschen umspühlten dieses Haus und den Dichter. Was dieses Haus gesehen haben mag, in den Jahren, in denen die Hauptmanns dort gelebt haben, vermitteln die 552 Seiten. Wieviel der Dichter geschrieben hat, wird auch deutlich. Oft wird aus seinen Werken zitiert und vorgetragen.
Das ist kein Buch, das man mal kurz vor dem Einschlafen lesen kann. Der Stil macht es einerseits nicht möglich und zum Anderen ist die Geschichte einfach zu mitreißend. Wenn man sich mit der Schreibart des Autors zurechtfindet, ein sehr guter Roman.
Verlag: C.H. Beck
ISBN 978-3-406-70061-3
552 S., mit 2 Abbildungen
Gebunden
von Andrea Karminrot | Feb 8, 2018 | Rezension, Roman |
ein Roman von
Kent Haruf
In einer Kleinstadt wird die 17 jährige Victoria von ihrer Mutter vor die Tür gesetzt, weil sie schwanger ist. Damit das Mädchen nicht auf der Straße leben muss, überredet die Lehrerin des Mädchens zwei alte Viehzüchter, Victoria bei sich aufzunehmen. Die McPherons sind freundlich, aber wortkarg und leben schon sehr lange alleine. Sie machen ihre Arbeit immer gemeinsam und verstehen sich ohne Worte hervorragend. Sie gehen darauf ein, das Mädchen bei sich aufzunehmen. Damit verändert sich Einiges auf der Farm der Alten.
Kent Haruf beschreibt das Leben in einer fiktiven Kleinstadt in Colorado, in der Nähe von Denver. Die Einwohner sind teilweise verschroben und haben noch nie viele Worte verloren. Er beschreibt seine Romanhelden mit knappen Worten und so Manches bleibt dem Leser verborgen. Alleine durch die Handlungen seiner Figuren, versteht man diese am Ende, oder kann seine Gedanken hinein interpretieren. Als Leser schwebt man förmlich über den Protagonisten.
Haruf schreibt, zart, humorvoll und unaufdringlich. Ich hatte ständig das Gefühl, über der Geschichte zu schweben. Immer wieder musste ich schmunzeln, vor allem über die McPherons-Brüder. Nie hatte ich das Gefühl, dieses Buch aus den Händen legen zu wollen. Die unaufgeregte Schreibweise, deutet auf einen Sturm hin, der aber niemals auftaucht. Trotzdem ist es auf keinen Fall langweilig und zieht einen magisch in diese Kleinstadt, mit dem Verlangen, mehr über seine Bewohner zu erfahren. Die Wortlosigkeit, die Stille und Weite spricht aus den Seiten.
Ein wunderbares Buch, mit der Erkenntnis, dass mit Worten und Taten Vieles geschaffen und verändert werden kann.
Roman aus dem Diogenesverlag
übersetzt von Rudolf Hermstein
384 Seiten
ISBN 978-3-257-07017-0
von Andrea Karminrot | Dez 21, 2017 | Rezension, Roman |
Es ist möglich, sein Leben zu ändern…
gelesen von
Anna Thalbach und Devid Striesow
Ein Hörbuch von
Charlotte Lucas
Es ist möglich, sein Leben zu ändern…
Jonathan ist Verleger, und sein Leben in Hamburg ist langweilig und einsam. Nur das sieht er so gar nicht. Er ist jeden Morgen an der Alster joggen. Am ersten Tag des Jahres läuft er wie immer seine Runden und als er zurückkommt, findet er an dem Lenker seines Fahrrades einen Beutel mit einem schicken Filofax für das gerade begonnene Jahr. Jonathan wundert sich und schaut sich nach dem Menschen um, der diesen schönen Kalender verloren haben könnte.
Hanna, eine junge Frau, die voller Enthusiasmus steckt und sich gerade mit ihrer besten Freundin als Kindereventbetreuerin selbstständig macht, bekommt eine schlechte Nachricht von ihrem Freund Simon. Sie hatte auf einen Heiratsantrag gehofft und bekommt stattdessen erklärt, dass er sterben würde. Sie kann es nicht akzeptieren, dass er sich hängen lässt und kauft einen Filofax, den sie mit liebevollen, aufmunternden und Lebensbejahenden Unternehmungen und Zitaten für jeden Tag, bestückt. Dieser Kalender “Dein perfektes Jahr”, soll Simon an das schöne Leben erinnern, ihn in das Leben zurückholen. Nur das Simon einen anderen Plan hat.
Ich habe mir etwas Unterhaltung versprochen, als ich dieses Hörbuch eingeschaltet habe und wurde nicht im geringsten enttäuscht. Die beiden Hauptfiguren werden von zwei hervorragenden Vorlesern vorgetragen und es macht richtig Laune zuzuhören. Anna Thalbach liest so enthusiastisch, wie die Figur Hanna zu sein scheint. Sie ist schmeichelnd, wütend, antreibend, traurig, leidend. Einfach wundervoll. Auch Devid Striesow, der Jonathan liest, verzaubert durch seine Lesung. Die Figur Jonathan ist eher versnobt und langweilig. Verändert sich aber im Laufe der Geschichte. Eine wirklich gelungene Besetzung der Rollen!
Gelesen wird abwechselnd. Die Geschichte spult sich aus der Vergangenheit Hannas, in die Gegenwart auf. Jonathans Geschichte spielt in der Gegenwart und irgendwann verknüpfen die beiden Geschichten sich miteinander. Ein wahres Hörvergnügen, woran Anna Thalbach sicherlich einen großen Teil beiträgt. Auch ist der Roman gut geschrieben. Mit den typischen Verwicklungen, lustigen und traurigen Abschnitten, fügt sich dieses Buch in die derzeitigen Frauenromane ein.
Geschrieben von Charlotte Lucas
Verlag Lübbe Audio
Gelesen von Anna Thalbach und Devid Striesow
ISBN: 978-3-7857-5373-6
432 Minuten
von Andrea Karminrot | Nov 21, 2017 | Rezension, Roman |
Zwischen Fiktion und Realität
ein Roman von
Torsten Seifert
B. Traven ist Schriftsteller und ein Pseudonym, um ihn ranken sich viele Geschichten. Keiner weiß, wo er sich wirklich aufhält und wer er ist. Seine Bücher lesen sich abenteuerlich und es geht oft um Unterdrückung und Ausbeutung. 1947 wurde ein Buch von diesem Schriftsteller verfilmt. Besetzt mit großen Stars wie Humphrey Bogart. Angeblich soll der persönliche Sekretär von B. Traven dabei gewesen sein, damit der Film möglichst dicht an dem Buch blieb. Und genau da kommt unser Held Leon Borenstein, aus dem Roman “Wer ist B. Traven”, von Torsten Seifert, ins Spiel. Der ist nämlich Reporter. Eigentlich spezialisiert auf Polizeiermittlungen, schickt ihn sein Chef nach Mexiko, zu den Dreharbeiten von “Der Schatz der Sierra Madre”. Dort trifft er den Schauspieler Humphrey Bogart, mit dem er oft Schach spielt und versucht über Umwege an den persönlichen Sekretär von Traven zu kommen. Allerdings wird Leon von einer umwerfenden Frau abgelenkt und verliert die Spur zu dem Schriftsteller. Doch lässt er sich nicht beirren und sucht weiter nach dem geheimnisvollen Mann. Leon reist nach Wien und wieder nach Mexiko. Ob er den Schriftsteller findet, das möchte ich hier nicht sagen…
Torsten Seifert hat einen flotten, gut recherchierten und spannenden Roman um einen sagenumwobenen Schriftsteller geschrieben. Er hielt sich an viele Fakten, die man auch im Internet nachlesen oder hören kann. In den achtziger Jahren wurde sogar mal eine
Dokumentation über Traven gedreht. Traven hat es geschickt angestellt nicht öffentlich aufzufallen oder aufzutreten. Seine Bücher haben viele Menschen seiner Zeit begeistert.
Der Roman von Torsten Seifert, begleitet den Reporter Leon Borenstein und wer hofft mehr über den geheimnisvollen Schriftsteller B. Traven zu erfahren, könnte enttäuscht sein. Aber der Roman macht wirklich viel Freude beim lesen. Spannungsgeladen, Filmreif. Die Seiten drehen sich fast alleine um. Seifert hat den Blogbuster – Preis der Literaturblogger 2017 gewonnen und ich finde zu recht. Krimis sind nicht unbedingt das was ich noch oft lese, aber in diesem Buch habe ich mich richtig wohl gefühlt. Ich kann es nur empfehlen.
von Torsten Seifert
Verlag Tropen
269 Seiten
ISBN: 978-3-608-50347-0
von Andrea Karminrot | Nov 10, 2017 | Rezension, Roman |
Ein Roman von
Smith Henderson
Einsame Weite…
… bringt manch Einen auch schon mal um den Verstand und der Eine, lässt seinen Unmut an den Kindern, der Frau oder auch an Fremden aus. Montana ist ein sehr weitläufiges Land. Und ohne Aussichten, wenn man in einem Städtchen lebt, in dem die Arbeit knapp, die Armut groß, oder die Umstände nicht einfach sind. Pete Snow ist in einer solchen kleinen Stadt, Tenmile, von Bergen und Wäldern eingeschlossen, Sozialarbeiter. Er kümmert sich um die Kinder von alleinerziehenden, drogensüchtigen Müttern, gewalttätigen Vätern oder ihren Liebhabern. Er entscheidet, ob die Kinder noch bei den Eltern bleiben dürfen oder sie vorübergehend in Übergangsfamilien, oder was noch viel schlimmer ist, in Heimen untergebracht werden müssen.
Pete steckt selber in einer Krise. Seine Exfrau macht sich mit der gemeinsamen 13 jährigen Tochter aus dem Staub. Er erfährt erst spät, dass die Pubertierende davon gelaufen ist. Pete versucht, das Mädchen mit allen Mitteln zu finden. Nebenher hat er, als Sozialarbeiter, auch noch mit dem Sohn einer drogensüchtigen Mutter Ärger. Der Junge ist “unbezähmbar”, eckt überall an und stemmt sich mit aller Kraft gegen die Hilfe, die ihm Pete anbietet. Dann, gibt es noch den verwahrlosten Jungen Benjamin, der mit seinem scheinbar verrückten, unter Verfolgungswahn leidenden Vater in den unzugänglichen Bergen und Wäldern lebt, und den ein Geheimnis umgibt.
Das Buch macht nachdenklich. Es liest sich ganz wunderbar und manchmal kann man fast die Tannen riechen, die in den unberührten Landstrichen stehen. Die Geschichten allerdings, machen unendlich traurig, wieviel Leid in dieser Gegend zu herrschen scheint. Wieviel Armut und Gewalt.
Smith Henderson hat hier ein wirklich lesenswertes Buch geschrieben. Obwohl es 607 Seiten stark ist, ist es nie langweilig. Die drei Hauptgeschichten sind teilweise miteinander verwoben, so dass man auch nichts aus den Augen verliert.
Smith Henderson ist selbst in Montana aufgewachsen. War dort Sozialarbeiter und Gefängniswärter. Mir scheint, er hat seine Geschichten aufgeschrieben. Seine Art zu schreiben ist einfach mitreißend.
von Smith Henderson
Aus dem Amerikanischen von Walter Ahlers, Sabine Roth
Originaltitel: Fourth of July Creek
Originalverlag: Ecco
608 Seiten
ISBN: 978-3-630-87440-1
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
von Andrea Karminrot | Okt 17, 2017 | Rezension, Roman |
ein Roman von
Lindsey Lee Johnson
Kennst du ihn, den gefährlichste Ort der Welt?
Als wir Jugendliche waren, tobten wir uns ordentlich aus, wie die meisten unserer Freunde. Wir trafen uns auf Partys, knutschten mit Typen rum, die wir noch nicht so lange kannten. Tranken Alkohol, probierten hiervon und davon. Und das hatte zur Konsequenz, da ss man über dich redete. Das ärgerte, man versuchte beim nächsten Mal nicht wieder aufzufallen und die Momente der Zügellosigkeit verschwanden im Nirwana. Eine Zeitlang waren die Verfehlungen noch Thema, aber dann machte wieder jemand anderer Blödsinn und schon geriet man wieder in Vergessenheit.
Aber heute gibt es Facebook, Twitter und Konsorten. Es werden Bilder ins Netz gestellt, die “besten” Freunde lächerlich gemacht. Bloßgestellt, in Situationen gezeigt, die zu meiner Zeit nur ein kleiner Kreis zu sehen bekommen hätte. Zugänglich gemacht, für die ganze Welt. Menschen, die den Angegriffenen gar nicht kennen, mitkommentieren und die Seelen noch mehr angreifen. Man kann ja so einfach anonym bleiben. (Ob man dem Opfer diese Sätze und Worte auch direkt ins Gesicht sagen würde?)
Darum geht es in diesem Buch, wie sich Jugendliche in einem idyllischen Städtchen, in dem elitäre Eltern ihren Sprösslingen ein gemütliches, weichgespültes Leben ermöglichen, entwickeln. Welche Wege die jungen Menschen einschlagen, nachdem ein Mitglied ihrer Gemeinschaft sich das Leben genommen hat, an deren Entscheidung sie alle beteiligt waren. Eltern, die der Verantwortung für ihre Kinder nicht gewachsen sind oder keine Zeit für sie haben, so dass der Nachwuchs aus den Fugen gerät und zu unüberlegten Handlungen getrieben wird, oder gar in den Selbstmord.
Die Geschichte beginnt mit dem dreizehnjährigen Tristan, der einem Mädchen aus seiner Klasse, seine Liebe gesteht. Er schreibt einen Brief (einen richtigen Brief!). Sie zeigt diesen Brief ihrer besten Freundin. Widerlich, findet die es, macht sich lustig und drängt die Angebetete dazu, den Brief den Freunden zu zeigen. Doch damit, tritt sie einen Stein los, der nicht mehr aufhören will zu rollen. Bei Facebook wird der Briefeschreiber beschimpft, gemobbt und fertig gemacht. Und nicht nur von den Menschen, die ihn kennen. Es melden sich Menschen zu Wort, die weder den Liebenden, noch die Angebetete kennen. Am Ende springt der Junge von der Golden Gate Bridge, begeht Selbstmord. Das Mädchen macht sich ewig Vorwürfe und verantwortlich dafür, dass der Junge sich das Leben nahm. Wie es den Freunden, den Mobbern, damit geht, und welche Wege diese einschlagen, das wird in diesem Buch erzählt. Warum verhielten sich die Freunde so? Und warum unternahm keiner etwas?
Vorsicht, du wirst dieses Buch erst wieder aus der Hand legen, wenn du die letzte Seite gelesen hast.
Lindsey Lee Johnson schreibt sehr eingehend. Sie beschreibt die jungen Menschen sehr einfühlsam und klar. Gefühle, die ihre Protagonisten niemandem erzählen können, dürfen wir lesen. Ein Debütroman, der wirklich gelungen ist!
Autorin Lindsey Lee Johnson
Übersetzt von Kathrin Razum
Verlag dtv
ISBN 978-3-423-28133-1
304 Seiten
Verlinkt mit Buch und mehr
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