Jede Familie hat ihre Geheimnisse {Rezension}

Truly Madly Guilty: Jede Familie hat ihre Geheimnisse

Haben wir nicht alle Geheimnisse, verschweigen und verstecken Dinge, die wir nicht gerne herzeigen? Geheimnisse, die keinen was angehen. Aber was ist, wenn eben diese Geheimnisse eine Katastrophe herbeiführen?

Die Geschichte

Clementine und Erika sind seit der Grundschule „beste Freundinnen“. Erika fand bei der Freundin und deren Familie Sicherheit, während Clementine sich schon immer genötigt sah, Erika als Freundin anzunehmen. Als Erwachsene haben sie sich ziemlich auseinander gelebt, treffen sich aber immer wieder und halten den Kontakt. Clementine hat zwei kleine Kinder und einen chaotischen Haushalt, während Erika, ungewollt kinderlos, in sehr geordneten Verhältnissen lebt. Als Erika Clementine während einer Grillparty um einen besonderen Gefallen bittet, sollte alles anders werden. Doch wie stark ist eine Freundschaft, so eine Bitte auszuhalten.

Was ich gelesen habe

Im Grunde hatte Clementine überhaupt keine Lust, sich mit Erika abzugeben. Nur weil es schon immer so war, rüttelt sie nicht an der Beziehung zu ihrer Freundin. Erika geht ihr auf die Nerven, und dass ihre Mutter auch noch einen besonderen Draht zu der Freundin hat, stört sie noch mehr. Erika hingegen, findet es furchtbar in welchen Verhältnissen Clementine lebt. Dieser ungeordnete Haushalt macht sie nervös. In dem ersten Drittel des Buches wird auch schon bald klar, warum Erika solch eine „Unordnung“ nicht ertragen kann.

In dem Roman geht es aber nicht nur um die beiden Frauen. Sie sind das Grundgerüst, an der sich die Geschichte hochzieht. Da ist noch das Nachbarpaar von Erika und ihrem Mann, nebst Tochter und der brummelige Nachbar, der keinen ausstehen kann und ständig nur rumpöbelt. Die Eltern von Clementine und Erika, spielen eine ebenso wichtige Rolle.

Der Einstieg in das Buch fiel mir sehr schwer. Ich fand keinen Bezug zu den Figuren. Erst, als ich über das erste Drittel hinaus war, riss mich die Geschichte mit. Spannend fand ich dann den Aufbau der Story. Ständig kommst du immer wieder zu dem Tag der Grillparty zurück, erfährst aber immer nur einen winzigen Teil des Verhängnis. Immer wieder springt die Erzählung in die Gegenwart, beschreibt die Handlungen nach der Grillparty. Eines wird dabei klar, jede der Personen hat ein Geheimnis, verschweigt einen Teil, ignoriert, versteckt oder verheimlicht, wissentlich oder unabsichtlich. Das macht den Reiz der Geschichte aus. Am Ende ist man ganz erstaunt, dass etwas ganz anderes dabei heraus kommt.

Wie seltsam, dass nur wenige Menschen sich zu ihren Gefühlen äußern können. Sie verstecken sich hinter Masken und machen lieber auf cool oder ignorant, als deutlich zu machen, welche Ängste und Bedenken sie haben oder wie schlecht es ihnen gerade geht. Am Ende, fand ich das Buch sehr inspirierend. Vielleicht sogar etwas aufrüttelnd.

Die Autorin und die Übersetzerin

Liane Moriarty lebt mit ihrer Familie in Sydney und hat schon mehrere Romane veröffentlicht. Einer wurden sogar schon verfilmt. Sie ist Werbetexterin und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet.

Übersetzt wurde der Roman von Sylvia Strasser

Ich stelle dieses Buch zu den Lieblingsbüchern im Januar. Hast du auch schon eins dazugestellt?

BASTEI LÜBBE Verlag
575 Seiten
ISBN: 978-3-404-17680-9

Der Himmel gehört uns {Rezension}

Ohne Taschentücher…

…geht hier gar nichts! Mit diesem Buch, habe ich ein ziemlich emotionales Buch erwischt. Ein Buch, für das ich tatsächlich einige Taschentücher brauchte. Gerade, wenn es um kranke Kinder geht fließen bei mir Tränen. Denn genau darum geht es in diesem Roman. Also, wenn du mal wieder so richtig weinen möchtest, dann nimm dieses Buch in die Hand. Aber Vorsicht, du legst es erst wieder weg, wenn du es ausgelesen hast.

Das Buch

Rob und Anna passen zusammen wie Puzzleteile. Das einzige Glück, das ihnen noch fehlt, ist ein Kind. Nach mehreren Fehlversuchen, werden die Beiden mit einem kleinen Jungen belohnt. Jack ist das perfekte I-Tüpfelchen. Der kleine Mann liebt den Himmel, die Weite und hohe Wolkenkratzer, weil er von dort alles überblicken kann.

Doch lange soll das Glück nicht bestehen. Bei Jack wird ein Tumor diagnostiziert. Und Rob versucht alles, damit sein kleiner Junge überlebt. Dabei setzt er alles in Bewegung. Allerdings leidet darunter auch seine Beziehung zu Anna, Rob’s großer Liebe.

Was ich gelesen habe

Rob erzählt die Geschichte aus seiner Sicht. Der Anfang dieses Roman kam mir erst etwas zögerlich, etwas verwirrt vor. Denn Rob sitzt in einer Bar und lässt sich volllaufen. Aber dann löst sich der Knoten und Rob erzählt wie er Anna kennengelernt hat und wie sie eine Familie gründeten. Welche Hürden sie genommen haben, um zu ihrem Glück zu gelangen. Und dann der Tiefschlag, der ihren kleinen Jungen aus dem Leben zu reißen droht. Rob versucht alles, um seinen Fünfjährigen zu retten. Und Anna? Aus der Sicht von Rob scheint sie sich zurück zu ziehen. Doch ist sie, in der Geschichte, die Starke.

Der Spannungsbogen ist gekonnt aufgebaut. Ein solch emotionales Buch, habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Der Autor beschreibt das Unabwendbare so gekonnt, dass man fast den Verdacht bekommen kann, er hat es selber durchlebt. Obwohl dieser Roman ein Debüt ist, bin ich davon überzeugt, dass dieser Autor noch einige gute Romane schreiben wird. Es ist das Erstlingswerk von Luke Allnutt und ich freue mich schon darauf, mehr von diesem Schriftsteller zu lesen. (Ein zweiter Roman ist schon in Arbeit!) Dieser Roman hier, braucht aber auf jeden Fall eine große Portion Taschentücher.

Der Autor

Lebt mit seiner Familie in Prag, ist in England aufgewachsen und hat dort als Journalist gearbeitet.

Aus dem Englischen übersetzt, wurde der Roman von Veronika Dünninger.
Verlag: Blanvalet
Originaltitel: We own the Sky
Originalverlag: Trapeze, London 2018
448 Seiten
ISBN: 978-3-7645-0628-5

Sei doch mal wieder etwas Hippie

Hippie

Ein Roman von Paulo Coelho

Ich bin in die Hippiezeit hinein geboren und habe sie nur als Kind erlebt. Was die Erwachsenen oder die Pubertierenden in dieser Zeit erlebt haben, welche Abenteuer sie bestanden haben, davon hatte ich keine Ahnung. Was mir in Erinnerung verblieben ist, ist die Musik. Pauolo Coelho zeigt mir was ich nicht wusste, nimmt mich mit auf eine Reise zu bunten Klamotten und Schlaghosen. Coelho ließ mich mit diesem Roman einige Lücken füllen und nicht nur das. Der Autor hat hier eine Biografie seiner jüngeren Zeit geschrieben.

Das Buch

Der Brasiliener Paulo ist, neben der Holländerin Karla, die Hauptfigur. Er gehört zu der Hippiescene und ist auf seinem Findungstripp, erst in den Anden und dann in Europa unterwegs, wo Paulo auf Karla trifft. Es gab damals eine „unsichtbare Zeitung“ (Mundpropaganda), die davon berichtete, dass der wichtigste Ort zu dieser Zeit, entweder der Piccadilly Circus oder der Dam in Amsterdam waren. Der Treffpunkt aller Hippies der Welt. Startpunkt einer Reise im Magic Bus auf dem Hippie Trail, der sie quer durch Europa nach Indien führte.
Paulo und Karla machen sich auf diese Reise und erhoffen sich Erleuchtung, trafen auf die Liebe und auf Menschen, die ihnen gleichgesinnt waren.  …Wer die Welt verstehen will, muss mit eigenen Augen sehen lernen

Was ich gelesen habe

Während ich in dem Buch las und mich verlor, fand ich immer wieder wunderbare Sätze. Nachdenklich saß ich ein ums andere Mal und habe darüber nachgedacht, was ich da gerade gelesen habe. Sätze wie:

Beide sehnten sich nach Unendlichkeit. Und es war einfach, diese Sehnsucht zu stillen – man musste nur zulassen, dass das Unendliche sich offenbarte. Und dazu brauchten sie keinen besonderen Ort, nur das eigene Herz und den Glauben, dass es eine gestaltlose Kraft gibt, die alles durchdringt und in sich das trägt, was die Alchimisten Anima Mundi, die Weltenseele, nennen“ (seite 241)

verzauberten mich. Auf vielen Seiten findet man die Liebe zu sich selber. Coelho schreibt einem das Leben und die Liebe nahe. Er beschreibt Wege, die zur Erleuchtung führen sollen und lässt seine Protagonisten wachsen. Alles ist so wunderbar bunt, poetisch und leicht. Willkommen zu einer Reise der Selbsterkenntnis!

Ein wundervolles Buch!
weshalb ich es zu meinen Dezemberbüchern stelle

aus dem Diogenes Verlag
304 Seiten
ISBN 978-3-257-07049-1

Noch etwas von der Diogenes Seite über den Autor

Paulo Coelho

Ein Rebell aus Südamerika trifft auf fernöstliche Philosophie

Paulo Coelho, geboren 1947 in Rio de Janeiro, lebt heute mit seiner Frau Christina Oiticica in Genf. Alle seine Romane (insbesondere ›Der Alchimist‹, ›Veronika beschließt zu sterben‹, ›Elf Minuten‹, ›Untreue‹ und zuletzt ›Die Spionin‹) sind Weltbestseller, wurden in 81 Sprachen übersetzt und über 225 Millionen Mal verkauft. Die Themen seiner Bücher und seine Reflexionen regen weltweit Leser zum Nachdenken an und dazu, ihren eigenen Weg zu suchen.

»Wir Hippies waren der Ausweg in einer starr zwischen West und Ost polarisierten Welt. Emanzipation der Frau und Gedankenfreiheit waren für uns selbstverständlich.«

Eine Familie in Deutschland {Rezension}

Zeit zu hoffen, Zeit zu Leben

In diesem neuen Roman von Peter Prange geht es um eine Familie aus Fallersleben, im Wolfsburger Land. Im Jahr 1933 hat Hermann Ising 4 erwachsene Kinder und Willy, dem kleinen Nachkömmling. Horst, der jüngere Sohn, geht in dem Gedanken des Nazi-Regime völlig auf und lebt es perfekt aus. Seine jüngere Schwester Charly, die Ärztin werden möchte und eine Prüfung nach der anderen mit sehr gut besteht, liebt ihren Mann Benny sehr. Doch Benny ist mit dem „Makel“, ein Jude zu sein, nicht sicher in dem neuen Deutschland. Edda, das älteste Kind aus dem Hause Ising, bekommt die Möglichkeit mit der großen Leni Riefelstahl zu arbeiten. Während der ältere der beiden Brüder, Georg versucht sich in die Produktion des „Volkswagens“, der direkt vor seiner Haustür gebaut werden soll, einzubringen.

Die Geschichte

Die Isings leben schon seit Generationen im Wolfsburger Land. Um genauer zu sein, in Fallersleben. Hermann Ising ist dort der Zuckerbaron. …Zucker schmeckt, Zucker nährt. So der Wahlspruch. Hermanns Frau war einmal Konzertpianistin, hat sich aber entschlossen ihre Karriere aufzugeben und mit ihrem Hermann auf dem Land zu leben. Als Hitler dann einen Ort sucht, an dem sein Volkswagen gebaut werden soll, trifft es die Isings hart. Sie verkaufen ihr Land an die Autofabrik. Wolfsburg wird aus dem Boden gestapft. Horst hatte bis dahin gehofft, die Zuckerfabrik zu übernehmen, denn sein älterer Bruder zeigte mehr Interesse an der Konstruktion des Volkswagen. Nun aber, arbeitet sich Horst in der Hierarchie des Regimes nach oben. Als Leiter des Lagers, in dem die Arbeiter die Autofabrik bauen, fühlt er sich besonders wohl.

Charly und Benny trifft die neue Situation in Deutschland ebenfalls hart. Als Ehefrau eines Juden, hat Charlotte keine Chance auf ein weiterkommen als Ärztin. Und Benny, der als Architekt eigentlich Lorbeeren sammeln müsste, stößt überall an. Auch Edda hat es nicht leicht und der kleine Willy… Nein ich will nicht zu viel erzählen!

Eine Familie in Deutschland

Peter Prange schreibt dicke Bücher, die lange fesseln. Seine Art, die Kapitel möglichst kurz zu halten, lässt den Spannungsbogen niemals nachgeben. Der ständige Perspektivwechsel, hält den Geist wach. Außerdem, findet er immer wieder spannende Themen, die dazu verführen, seine Bücher zu lesen. Auch, wenn es am Ende wieder 670 Seiten waren.

Dieser Roman hält sich an die damalige Zeit, doch die Familie ist größten Teils erfunden. Prange bekommt es fertig, alle Makel der Zeit, in eine Familie zu stopfen. Damit gelingt es ihm mal wieder, einen spannenden Roman zu schreiben. Auf den letzten Seiten des Buches wird einem klar, da muss es noch mehr geben. Denn die Geschichte endet an einem Punkt, der mehr erwarten lässt. Der Folgeband kommt allerdings erst im Herbst 2019 raus. So lange müssen wir warten, bis es weiter gehen wird. Eine Qual!!!

Peter Prange
Verlag Fischer Scherz
ISBN-139783651025561

Von Peter Prange habe ich schon einmal ein wirklich gutes Buch gelesen. Ich Maximilian, Kaiser der Welt.

Arminuta oder die Zurückgekehrte {Rezension}

Die Zurückgekehrte

Ich habe gerade das Buch Arminuta [die Zurückgekehrte] zu Ende gelesen, das mich sehr begeistert hat. Kaum mochte ich es aus der Hand legen. Die wunderschöne Sprache von Donatella Di Pietrantonio verzauberte mich vollkommen. Sätze ließen Bilder im Kopf entstehen, die zart, poetisch und schön waren, gleichzeitig Wut und Hilflosigkeit vermittelten.

Arminuta

ist die Zurückgekehrte. Sie wurde als Baby an ein Pärchen weitergegeben. Aber die rechten Eltern wollten das Kind zurück, als das Mädchen Dreizehn Jahre zählte.

Arminuta kannte ihre echten Eltern nicht und fand es furchtbar, ihre Familie der letzten Jahre verlassen zu müssen. Für das Mädchen wurde vieles anders. Die Jahre in dem gut situierten Haus sind vorbei und das Mädchen muss sich völlig umstellen. Sie teilt sich ein Bett mit ihrer kleineren Schwester und die Brüder schlafen in dem selben Zimmer wie die Mädchen. Alles ist so viel primitiver als in ihrer geschenkten Familie. Aminuta vermisst das alte Leben, die Eltern und ihre beste Freundin. Das Dorf in dem sie nun leben muss, ist so einfach und hat mit der Stadt am Meer kaum etwas gemein. Aber noch mehr als über die Verwahrlosung, in der sie jetzt leben muss, kommt die Zurückgekehrte mit der Zurückgezogenheit ihrer Leihmutter zurecht. An die gegebenen Umstände kann sie sich anpassen, aber was ist mit der „Mutter“?

Ich kannte keinen Hunger und lebte wie eine Fremde unter Hungernden…“ Seite 128

Zusammenhalt

Arminuta findet eine besondere Freundin in ihrer kleinen Schwester Adriana, die so viel mutiger scheint als die große Schwester. Erst nach einiger Zeit begreift Arminuta, wie verschieden Liebe und Zusammenhalt aussehen kann. Sie bleibt immer unter einem Schutzmantel ihrer Leihmutter, die dafür sorgt, dass es dem Mädchen an nichts mangeln soll. Doch Wut über das Verlassenwordensein, lässt das große Mädchen ungerecht werden.

…was für ein Ort eine Mutter ist! …eine Zuflucht, Gewissheit..“

Unglücklich, wusste das pubertierende Mädchen nicht mehr woher sie stammte.

Schwierig ist es nicht das Mädchen sympatisch zu finden. Donatella Di Pietrantonio gibt einem die Möglichkeit zu träumen und durch die zarten Sätze Gefühle zu entwickeln, die es schwer machen, das Buch auch nur eine Minute aus der Hand zu legen. Ich habe die 224 Seiten an einem Tag gelesen.

Kapitel 32

Die Autorin und ihre Übersetzerin

Die Autorin stammt aus den Abruzzen und lebt heute in der Nähe von Pescara. Sie hat mit ihren Romanen einige Literaturpreise gewonnen. Perfekt ist die Übersetzerin Maja Pflug. Sie wurde schon sehr oft gelobt, „Maja Pflug ist eine der verdientesten Übersetzerinnen aus dem Italienischen. Als deutsche Stimme von Natalia Ginzburg, Cesare Pavese und Fabrizia Ramondino hat sie große literarische Vielfalt und stilistisches Können bewiesen …“(Autorenprofil Kunstmann-Verlag) Seit Dreißig Jahren übersetzt sie italienische Literatur.

Arminuta

von Donatella Di Pietrantonio

Kunstmann-Verlag

ISBN: 978-3-95614-253-6

224 Seiten

Arminuta

Hier kann ich noch ein Buch aus Italien empfehlen.

 

Wünschst du dir nicht auch „Ein Platz an der Sonne“ {Rezension}

Frieden und Wohlstand

Wärst du bereit, alles stehen und liegen zu lassen, deine Familie zurück zu lassen und dich zu Fuß über die Alpen zu machen? Dir einen Platz an der Sonne (also Frieden und Wohlstand) zu suchen? Was muss geschehen, damit du dich ins Ungewisse aufmachst. Vor solchen Fragen stehen wir in unserem schönen Land nicht, in dem die „Sonne“ überall scheint. Aber wie ist es, wenn man nichts hat und ständig strampeln muss, um den Kopf über Wasser zu halten? Begreifen wir überhaupt, was ein Flüchtiger durchmacht?

Christian Torkler zieht seinen Roman sozusagen verkehrt herum auf. Sein Josua Brenner lebt in einem katastrophalen Berlin. Trotzdem Josua alles tut, um ein adäquates Leben führen zu können, werden ihm immer wieder massive Steine in den Weg gelegt. Es ist ein einfacher Trick des Autors, unseren Blick auf unser eigenes Land zu lenken, dafür aber sehr effektvoll. Du begreifst die Beweggründe des Flüchtenden ganz anders. Es ist näher, dichter, denn der Hauptakteur will ja aus deiner/unserer Heimat weg. Einer Heimat, die es nicht wert ist zu bleiben. Aber was treibt einen denn nun aus seiner Heimat? Wie ergeht es einem dann, wenn man auf der Flucht ist. Kann man jedem trauen? Wohin führt es, sein Leben hinter sich zu lassen, so ganz ohne Papiere.

worum geht es

Der Krieg in Deutschland war 1945 zwar vorbei, aber die Alliierten konnten sich über die Verteilung der Länder nicht einig werden. So kam es zu den nächsten Kriegen, die Deutschland komplett in Schutt und Asche legten und das Land in verschiedene (korrupte) Einzelländer, aufteilten. In dem maroden und herunter gekommenen Berlin wird Josua 1978 geboren. Er kennt es nicht anders, bequem und einfach gibt es nicht. Der Junge bekommt eine mäßige Schulbildung und nur weil seine Mutter nicht dazu in der Lage ist, ihm das Gymnasium zu bezahlen, muss Josua mithelfen, den Rest der Familie durchzufüttern. Josua macht einfach alles. Er ist sich für nichts zu schade. Nur auf zwielichtige Dinger, lässt er sich nicht ein.

Josua ist ein Machertyp. Er hat Ideen, die ihn vorwärtsbringen sollen. Ihm ein Leben ermöglichen sollen, das annehmbar ist. Aber das Schicksal hat einen anderen Plan. Er verliert, was er sich aufgebaut und was er geliebt hat. Josua sieht in der korrupten „Neuen preußischen Republik“ keinen Sinn mehr, so dass er sich entschließt, einen Neuanfang in den reichen afrikanischen Ländern zu machen. Aber dazu müsste er erst einmal dorthin gelangen. Es ist ein gefährliches Unterfangen und oft genug weiß Josua, dass es nicht richtig ist. Natürlich hat er keine Papiere, was alles nur noch schwieriger macht.

Am Anfang des Buches sitzt Josua in einem vergitterten Raum. Er soll seine Geschichte aufzuschreiben. Und genau so liest sich die Geschichte dann auch. Josua ist ein einfacher Mann, der mit der Berliner Kodderschnauze sein Leben meistert. Im Grunde hat er nichts zu verlieren und keine Ahnung, was ihn auf dem andern Kontinent erwartet. Nur die Hoffnung, dass es ihm in dem reichen Afrika besser ergehen könnte. Er erwartet nicht einmal viel. Und Arbeiten, das kann er.

Mich hat dieses Buch begeistert. Die einfache Sprache und die Art, wie der Debütant Christian Torkler, die Geschichte aufzieht, haben mich in ihren Bann gezogen. Langsam und nur bruchstückhaft erfährt man von der Missere, die in Deutschland nach dem so und so vielten Krieg herrscht. Nur langsam begreift man, in welchen Verhältnissen die Menschen leben, die nicht zur Elite der Bevölkerung zählen. Ich hatte immer das Gefühl, ganz dicht an der Hauptfigur Josua dran zu sein. Ein Buch, das ich am liebsten jedem empfehlen würde, der gegen Flüchtige und Migration steht. Aber natürlich auch allen Anderen.

Christian Torkler
Verlag Klett-Cotta
ISBN 978-3-608-96290-1

Flüchtlinge gab es schon immer und wird es immer wieder geben. Dieses Buch hatte mich ebenfalls begeistert