Der Trick

Ich habe diese Woche ein Buch über einen alten Zauberer gelesen. Ein schöner Roman, der einen auf jeden Fall auf seinem Leseplätzchen fesselt und man versucht ist, es in einem Rutsch durchzulesen. 
Die Geschichte beginnt in Prag. Laibl, ein Rabbi, muss sein Land im ersten Weltkrieg verteidigen und als er wieder fast unversehrt nach Hause kommt, verkündet ihm seine Frau, dass sie ein Kind bekommen. Ein Wunder ist geschehen. Obwohl Laibl vor vier Monaten doch noch keine Möglichkeit hatte Rifka, seiner Frau den Samen für dieses Wunder zu spenden. Da sie aber schon vor dem Krieg fleißig geübt haben, nimmt Laibl das Kind als ein Wunder an. Er versucht dem Jungen, der Mosche genannt wird, ein guter Vater zu sein. Mosche ist nicht unbedingt das perfekte Kind, das sich Laibl gewünscht hat. Aber schlau genug ist der Junge allemal. Als der richtige Augenblick gekommen ist, läuft der fünfzehnjährige Mosche weg und schließt sich einem Zauberzirkus an. 

„Die Menschen sind begierig darauf, getäuscht zu werden. Sie wollen an etwas Größeres glauben…. Die Magie ist eine wunderschöne Lüge.“ Seite 158



Gleichzeitig, liest man die Geschichte von Max in Los Angeles 2007. Max ist ein Zehnjähriger, der zeitweise ziemlich altklug daherkommt, der sich mit der Scheidung seiner Eltern auseinander setzen muss. Er gibt sich selber die Schuld an der Trennung der Eltern, denn er hat sich mit einem gefundenen Penny, das Verschwinden seines Vaters gewünscht. Was liegt da näher, als sich auf die Suche nach einem geeigneten Zauberer zu machen, der diesen Wunsch wieder rückgängig machen kann. Zufällig findet Max in den Sachen seines Vaters eine Langspielplatte von dem “Großen Zabbatini” einem Magier aus Europa. Nachdem er sich einen ausgiebigen Streit mit seiner Mutter geliefert hat, läuft Max weg und findet tatsächlich den Magier. Ob der ihm allerdings helfen kann, das möchte ich hier nicht erzählen.
“…Er war zu alt für dumme Kunststücke und Spielchen. Er war auf der Suche nach einer tieferen, schlichten Wahrheit….Alle Kunst strebt zur Schlichtheit.”Seite 294



Emanuel Bergmann verpackt eine schreckliche Geschichte in einem Mantel aus vielen lustigen Momenten, so dass man erst gar nicht merkt, wie dramatisch das Leben der beiden Hauptdarsteller eigentlich ist. Mosche hat es nicht leicht und wird zu einem knurrigen und egoistischen Menschen, der auch über Leichen gehen würde. Der sich durch eine schreckliche Zeit im Nationalismus schlägt und so tut, als ginge ihn das alles nichts an. Und am Ende eine Tat vollbringt, die man diesem selbstgerechten Menschen gar nicht zugetraut hätte. In der Moderne leidet Max so sehr unter der Trennung der Eltern, dass er zu unkonventionellen Mitteln greift, um seine heile Welt wieder herzustellen. 
Auch die Nebenfiguren sind von Herrn Bergmann so wunderbar gezeichnet, dass es eine wahre Freude ist dieses Buch zu lesen. Da ist das Omchen, das ihre Geschichte nie zu Ende erzählen durfte. (Manchmal sollte man eben zuhören!) Julia, die Freundin von Mosche, die das Leben des Magiers prägte und einen hässlichen Abgang hatte, um aus dem Leben Mosches zu verschwinden. Die Eltern von Max, die sich in ihrer Scheidung verloren haben und veränderten. Und so viele Andere, die diesen Roman sehr lebendig machen. Der Autor hat mich amüsiert und zugleich nachdenklich gemacht. Was macht unser Zusammenleben aus? Mal wieder zuhören, sich und mein Gegenüber wahr nehmen und auch den Illusionen hingeben, die das Leben einem präsentiert. 
“Der Trick” ist der erste Roman von Emanuel Bergmann. Ich hoffe sehr, dass das nicht sein letzter Roman gewesen ist. Wenn es seine Zeit als Lehrer und Übersetzer erlaubt, würde ich mir noch mehr solcher unterhaltsamen und tiefgründigen Romane von ihm wünschen.
Verlag : Diogenes
Fester Einband

Die Frauen von La Principal

Die Frauen von La Principal ist ein Buch über starke Frauen in Katalonien, während der Bürgerkrieg in Spanien seinen Anfang nimmt

Die Frauen von La Principal

 

Eine starke und eigenständige Frau ist Maria geworden, nachdem ihr Vater und ihre Brüder sie auf dem Weingut in Katalonien sich selber überlassen waren. Maria sollte das Gut verwalten, während die Brüder ihren Studien nachgingen und ein angenehmes Leben in Barcelona führen konnten. Sie hat das Weingut verwaltet, gegen die drohende Reblaus gekämpft, sich bei der Bevölkerung einen Namen gemacht und großes Ansehen erworben. 1893 war es nicht üblich, dass sich Frauen einen Mann aussuchten und ein eigenständiges Leben führten. Doch Maria stand mit beiden Beinen fest auf ihrem Land und setzte sich eigensinnig durch. Sie nahm sich einen Mann und bekam eine Tochter, der sie ihren Anspruch auf das Land übertrug.
Der Roman setzt sich aus drei Hauptfiguren zusammen, die verwirrender Weise alle Maria heißen. Drei Frauen der La Principal, die in ihrer Zeit für Aufruhr sorgten, weil sie sich nicht anpassten und sich nahmen, was sie wollten. Drei Generationen von starken Frauen, die einem Weingut in Katalonien ein Gesicht gaben. Nebenher wird noch ein Mordfall aufgeklärt, der am Anfang des spanischen Bürgerkrieges geschah. Eine Leiche in einem Sack wird vor der Eingangstür des Gutshauses abgelegt. Ein junger Inspektor ermittelt und erfährt Dinge, die ein besonderes Licht auf den Frauenhaushalt werfen.

 

Seite 45:
”Ich weiß, es wird am Anfang schwer für dich sein. Ärgerlich vielleicht. Doch trotz deines jugendlichen Alters halte ich dich für die richtige Person, der Principal vorzustehen. Du bist willensstark und charakterfest, was ich von keinem deiner Brüder behaupten kann….”

Starke Frauen

Ich mag Bücher über starke Frauen. Frauen, die die Welt in Aufruhr bringen, die sich nicht von den gegebenen Verhältnissen verschrecken lassen und sich durchsetzen. All das, fand ich in diesem Buch. Lluís Llach hat einen schönen Roman mit einem besonderen Blick für das Weibliche geschrieben. Mit einer Prise Humor versehen und mit kritischen Worten in Richtung Franco und Kirche, hatte die Geschichte eine besondere Note. Ich habe einen wunderbaren Eindruck von dem Weinanbaugebiet und den Menschen in Katalonien erhalten und mich ernsthaft gefragt, warum ich dort noch nie war. Durch den ermittelnden Inspektor wurde die Geschichte der drei Marias erzählt. Ein Knotenpunkt bildete dabei die Figur der Amme Ursula, welche die drei Frauen der Principal begleitete. Allerdings fand ich den letzten Teil der Geschichte nicht besonders schön zu lesen. Der Mord wurde zwar aufgeklärt, aber die Handlung empfand ich als zu oberflächlich. Der Schwung des Romans hat sich auf den letzten Seiten verloren und vieles wurde wiederholt. Schade, denn sonst war das ein toller Roman, der nichts offen ließ.

 

Seite 216: “…ständig bin ich mit den Marias und den Epochen durcheinandergekommen und musste zurückblättern um mich zurechtzufinden…”
von Lluís Llach
übersetzt von Petra Zickmann
Suhrkamp/Inselverlag
Gebunden, 319 Seiten

This is not a love song

Vincent, in England ein erfolgreicher Geschäftsmann und Familienvater, wird von seiner Frau in seine Heimat nach Frankreich, zu seinen Eltern geschickt. In Frankreich fühlt er sich in die alten Muster seiner Kindheit zurückgedrängt. Er sieht seine ehemaligen Freunde wieder und beurteilt sie, obwohl er sie schon seit Jahren nicht gesehen hat. Er kritisiert das Leben, das seiner Eltern und das seines jüngeren Bruders. Und doch sind alle miteinander sprachlos, reden nicht über die Dinge, die gesagt werden sollten. Seine Schwägerin ist ihm schon immer etwas schwierig vorgekommen, doch wird sie die Einzige sein, die ihm endlich die Wahrheit sagt. 

„Meine Mutter interessierte sich nämlich für fast alles und jeden _ Nachbarn, Verwandte, die Freunde ihrer Söhne, die Stadträte und Fernsehstars. Sie stürzte sich begeistert auf das Leben anderer, um ihr eigenes zu vergessen….“Seite 84
Jean-Philippe Blondel schreibt, wie sein Protagonist denkt. In kurzen, knappen Sätzen werden wir mit in die Vergangenheit genommen, bekommen einen Überblick woher Vincent stammt und was ihn dazu brachte nach England zu gehen. Blondel hat eine sehr unterhaltsame Art zu schreiben. Sarkastisch, nachdenklich, humorvoll, tragisch. Er lässt eigentlich nichts aus. Selbst die Liebe hat einen kleinen Platz in diesem Buch gefunden, obwohl es hier hauptsächlich um Freundschaft geht.

“…sobald er etwas getrunken hatte, zu blubberndem Champagner wurde. Zu einem spritzigen und sonnigen Wesen, das die Dinge sagt, die das Ohr erfreuen und deren Geschmack einem am Gaumen haften bleibt.”…Seite 24
Was mich fasziniert hat, Blondel beschreibt nicht haarklein, sondern deutet nur an, was sofort zu Kopfkino führt und die fehlenden Worte damit aufgefüllt werden. Er beschreibt in knappen Sätzen ganze Gefühlswelten. 
In einem Interview mit ihm habe ich gelesen, woher er die Ideen nimmt. Am liebsten sitzt er in Cafés und “belauscht” die Gespräche an den Nachbartischen. Am Ende sucht er ein Musikstück, das er während des Schreibens in Endlosschleife hört. Es wäre vielleicht auch für den Leser ein Versuch wert, wie sich das Buch mit diesem Song liest…”This is not a love song” 
übersetzt aus dem Französischen von Anne Braun 
Erscheinungsdatum: 01.02.2016 
224 Seiten 
Deuticke Verlag 
Fester Einband
ePUB-Format 
ISBN 978-3-552-06319-8

Altes Land

Eiskalt sind die Hände, die Gedanken, das Haus…

Das ist Vera, in dem alten Haus am Deich, an der Elbe, in dem Alten Land. Als Kind kam sie als Flüchtling mit ihrer Mutter aus Masuren. Flüchtlingspack, wurden sie genannt. Veras Mutter hatte sich in das alte Haus gesetzt und der alten Ida Eckhoff, der Besitzerin des Hofes, erst den heimgekehrten Sohn abspenstig gemacht und dann, nachdem die Alte sich das Leben genommen hatte, dem Stiefvater das Kind überlassen, um sich selber nach Hamburg abzusetzen und ein neues Leben zu beginnen. Mit einem neuen Mann und Kind. Eiskalt lies sie ihr erstgeborenes Kind Vera bei dem Mann zurück, der nie schlafen konnte, weil ihn der Krieg stets einzuholen drohte. Vera wird nie heimig in diesem Gemäuer, es knarzt, stöhnt, spricht mit ihr. Sie ist wie Moos, das haftet und keine Wurzeln schlägt. Aber weg kann sie auch nicht. Im Dorf dreht man schon nicht mehr den Kopf, wenn Vera auf ihren Trakehnern über die geharkten Wege prescht. Man ist es nicht anders gewöhnt. Und dann taucht auch noch die Tochter ihrer viel jüngeren Schwester auf, wieder ein Flüchtling. Auf der Flucht mit ihrem Sohn, vor dem Mann der sie betrogen hat. Auf der Flucht vor ihrer Mutter, die ebenso eiskalt ist wie die Hände ihrer großen Schwester in dem kalten Haus am Deich. Sie sind einsam, die Frauen, die in diesem Haus leben und lebten.
Wir treffen in diesem Buch Menschen, die im Alten Land groß geworden sind, die in Plattdeutsch ihre Weisheiten von sich geben. Wir erhalten einen Einblick in ein Leben mit den naiven Großstadtflüchtlingen, die sich im alten Land einen Hof gekauft und diesen hergerichtet haben. Lesen von Frauen, die eiskalte Mütter hatten und selbst eiskalt sind, wenn es um ihre Töchter geht. 

“Anne hörte sie poltern und musste an ihre Mutter denken, die es genauso machte: Das Gesicht verriegeln, kein Wort sagen, lieber die Dinge schreien lassen”


Einsam ist es dort am Deich. Aber manchmal gibt es auch einen winzigen Sonnenstrahl. Manchmal wird einem eine Hand gereicht und manchmal wird aus einem Maulfaulen ein guter Freund. Die Töchter sind auf der Suche nach den Müttern und deren Leben, von dem die Töchter keine Ahnung haben.

“Was wussten Töchter denn von ihren Müttern, sie wussten nichts.”


Der eigentliche Mittelpunkt ist das Haus. „Dit Huus is mien un doch nich mien, de no mi kummt, nennt’t ook noch sien“ So steht es über der großen Eingangstür eingeschnitzt. Das alte Fachwerk steht da schon seit Jahrhunderten. Es zerfällt langsam, wie die Landbevölkerung, die einsam auf ihren eigenen Höfen auf Familie und Anschluss hofft. Es hat ein eigenes Leben und könnte es eine Geschichte erzählen, wäre es wohl diese hier gewesen. Die Frauen in diesem Buch sind trotz Nackenschlägen stark, sie leben ein unabhängiges Leben und stehen mit beiden Füßen fest auf der satten Muttererde des Alten Land. Dörte Hansen hat ein tolles Bild von ihren Figuren gezeichnet. Kurz und knapp, witzig und knorrig. Der Roman wird aus der Sicht von verschiedenen Personen erzählt und bringt dadurch ein besonders Leben in die Geschichte. Ich fand es schade, als ich auf der letzten Seite angekommen bin. Ich kann es nur empfehlen. 
Gebundenes Buch, 288 Seiten
Verlag: Knaus
Erschienen: 16.02.2015

ISBN: 978-3-8135-0647-1

Der goldene Sohn

Im Westen Indiens, in einem kleinen Dorf, wächst Anil als das Älteste, von fünf Kindern auf. Er wird in der Schule wegen seines Stottern gehänselt und hat keine Freunde. Nur ein Mädchen, aus der ärmeren Nachbarschaft, Leena, hält zu ihm. Anil lernt schnell und ist intelligent. Er hilft Leena in der Schule besser mitzukommen. Die beiden Kinder verbindet eine besondere Freundschaft. Nachdem Anil die Schule beendet hat, darf er Medizin studieren und als Assistenzarzt nach Dallas, in Amerika. Er arbeitet dort sehr hart und versucht sich in das fremde Leben einzugliedern.
Leena, wird von ihren Eltern, der Sitte nach, mit einem Mann verheiratet, der eine beträchtliche Mitgift für die Hochzeit erhält. So hat sich Leena ihr Leben nicht vorgestellt, denn sie muss schwer im Haushalt ihres Mannes arbeiten und erfährt nur Ungerechtigkeiten und niemals Lob. Als es zu erheblichen Handgreiflichkeiten kommt, läuft sie weg….
Indien ist ein Land voller Brauchtümer. Alte Sitten bestimmen nach wie vor das Leben dort. Anli und Leena stecken in diesen Riten fest und nur weil Anil nach Amerika ging, kann er sich daraus befreien, ist aber weder hier noch dort zu Hause. Der Vater hat ihn zum Schiedsmann seines Dorfes bestimmt, eine Aufgabe die der junge gestresste Arzt sich gerne widmen möchte. Außerdem möchte er ein guter Arzt werden und arbeitet Tag und Nacht. Er hat es nicht leicht, sich in dem riesigen Krankenhaus in Dallas durchzusetzen und weiter zu kommen.
Leena möchte es ihren Eltern recht machen und gibt sich große Mühe in dieser verzwickten Ehe. Auch sie ist zwischen ihrem eigenen Wohlergehen und dem Leben, das sich die Eltern für sie vorgestellt und arrangiert haben, zerrissen. Sie möchte eine gute Tochter sein und den Eltern keine Schande machen.
Shilpi Somaya Gowda wechselt in ihrer Geschichte immer wieder zwischen dem Leben Leenas und Anils hin und her. Ich habe dieses Buch verschlungen und konnte es kaum aus der Hand legen. Es ist flott geschrieben und langweilige Szenen habe ich keine gefunden. Ab und zu, fand ich die Situationen etwas überzogen. Und das Ende kam ziemlich abrupt. Sie beschreibt die Situationen der Protagonisten neutral und lässt Raum zum nachdenken, den man auch unbedingt braucht.

Seite 203: …”Ich habe mir solche Mühe gegeben…und trotzdem… Ich habe alle enttäuscht. Meine Eltern, meinen Mann, meine Schwiegereltern. Ich kann doch nie wieder mein Gesicht zeigen. Was sollen die Leute von mir denken?” …

Indien ist vielfältig in seinen Bräuchen, Menschen und Regionen. Gelernt habe ich, dass in Gujarat, wo diese Geschichte spielt, nur vegetarisch gegessen wird (große Ausnahme ist Huhn), wie man einen guten Chai kocht und welche Gepflogenheiten gewahrt werden, wenn der Schiedsmann die Streitigkeiten der Dorfgemeinschaft schlichtet. Anils Leben in Amerika macht deutlich, unter welchem Druck dort die angehenden Ärzte stehen. Und, dass Amerika nicht unbedingt besser als Indien ist.
Der Goldene Sohn, ist das zweite Buch, das Shilpi Somaya Gowda geschrieben hat. Ihr Erstes war “Geheime Tochter”. Ebenfalls ein Roman, der zwischen Indien und Amerika spielt. Dieser Roman war schon ein Erfolg und wurde in 20 Sprachen übersetzt. Ich zweifle nicht, dass “Der goldene Sohn” ebenso ein Erfolg wird.

Verlag : Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 9783462047745

Verlinkt mit Nicoles Buch und mehr

Schmale Pfade

Alice Greenway zeigt uns in ihrem Roman einen Mann der griesgrämiger nicht sein könnte. Jeder der Jim zu Nahe kommt, wird von ihm “verbissen” und angeknurrt. Nur wenige Menschen haben etwas Zugang zu dem ehemaligen Ornithologen und Soldaten. Er hat sich in Maine, in seinem alten Sommerhaus aus Kindertagen, einen Rückzugsort geschaffen. Abgeschnitten von allem, versorgt durch einen alten Freund und dessen Tochter. Jim macht seinen Sohn Fergus dafür verantwortlich, dass ihm das halbe Bein abgenommen wurde und ertränkt seine Gedanken und Erinnerungen mit Gin und Whisky. Aber es ist nicht nur der Ärger über das Bein, das den belesenen Mann so wütend macht. Die Erinnerungen aus Kindertagen (1917) und dem Pazifik Krieg 1943 machen dem Alten zu schaffen, als eine junge Frau 1973 bei ihm einzieht. Cadillac ist die Tochter eines hawaiianischen Freundes aus Kriegstagen, hat ein Stipendium für die Yale University erhalten, möchte Ärztin werden und soll sich bei Jim an Amerika gewöhnen. Sie wirkt auf Jim, mit ihrer natürlichen und leichten Art, wie ein Schlüssel zu seinen verschlossenen Erinnerungen und beginnt den alten Knurrhahn auf zu weichen…

Seite 221: …”Er erinnert sich, warum er nicht wollte, dass das Mädchen kommt. Das Letzte, was er brauchen kann, sind die ungebetenen, wiederauferstandenen Geister der Vergangenheit. Es ist schon schwer genug mit der beschissenen Gegenwart klarzukommen”…
Die einzelnen Charaktere in diesem Buch lassen uns an ihren Gedanken teilhaben und zeigen damit die verschiedenen Ansichten des Geschehenen. Alice Greenway hat einen ruhigen, fließenden Roman über grausige Zeiten geschrieben. Sie springt leicht und überschaubar zwischen den Jahren und den Erinnerungen der Figuren hin und her. Beleuchtet die Situationen, in denen Jim sich befand (und befindet) aus vielen Blickwinkeln, so dass man Verständnis für den knurrigen Alten bekommt. Cadillac ist dabei eine ganz wichtige und wunderbare Figur, die immer wieder dafür sorgt, dass Jim sich immer weiter öffnet und die Geschichte klarer wird. Jim war Ornithologe und hat sich sein Leben lang mit den gefiederten Gesellen beschäftigt. Alice Greenway beschreibt die verschiedenen Vogelarten und wie sie gefangen und ausgestopft werden, damit lockert sie die schwere Kost des Krieges auf, lenkt den Blick auf eine friedliche, farbenfrohe und bizarre Welt.

Seite 328: …“Jim war, als würde ihm ein Blick in die verworrene, verwundete Landschaft seiner eigenen Seele gestattet”…
“Schmale Pfade” ist der zweite Roman von Alice Greenway, aufgewachsen in Hongkong, Bangkok, Washington, Jerusalem und Masachusetts, studierte an der Yale University. “Weiße Geister” war schon ein großer Erfolg und steht auf meiner Liste für Bücher, die ich unbedingt noch lesen muss.
Klaus Modik hat diesen Roman übersetzt und dabei bestimmt eine gute Arbeit geleistet. Der Schriftsteller und Übersetzter hat selber einen tollen Roman heraus gebracht “Konzert ohne Dichter”. Auch der steht auf meiner Liste.

Verlag : Mare Verlag
ISBN: 9783866482326
Fester Einband 368 Seiten