Strandgut

Strandgut ist das neue Buch von Benjamin Myers. Seinen letzten Roman, „Offene See“, habe ich nicht gelesen, wusste nur, dass alle davon geschwärmt haben. So habe ich mich auf das neue Buch „Strandgut“ sehr gefreut.

Strandgut

In seinem neuen Roman spielt Earlon „Bucky“ Bronco, ein über 70-jähriger Amerikaner, die Hauptrolle. Er hat vor vielen Jahren nur 2 Musik-Singles veröffentlicht. Selber sieht er sich allerdings nicht als Soulsänger. Sein Leben in den Staaten war sehr bescheiden, und nur seine unendliche Liebe zu seiner Frau Maybelle hielt ihn immer auf der geraden Spur. Aber Maybelle lebt nicht mehr und für Bucky ist die Welt nur noch düster und schmerzerfüllt.
In den Staaten kennt man seine Musik gar nicht mehr, nicht so in England. Dort feierte man seine Singles. Und so kam es, dass man ihn viele Jahre nach der Veröffentlichung einlud, in Scarborough aufzutreten.

Earlon „Bucky“ Bronco, King of Soul, gehört wohl zum Strandgut des Lebens. Er ist schon seit einiger Zeit Witwer und vermisst seine geliebte Frau sehr. Er mäandert durchs Leben und versucht seine eigenen Schmerzen mit Medikamenten zu betäuben. Gute Medikamente, die so manchen Junkie eifersüchtig machen könnte. Bucky war einmal Musiker, aber das Leben hat ihm übel mitgespielt. Und nun bekommt auf seine alten Tage nochmal eine Einladung nach England. Wann hatte er seine Heimat Amerika wohl das letzte Mal verlassen? Er lässt sich auf das Abenteuer ein und fliegt in das Land der Könige und Königinnen, zu den Erfindern der Gurkensandwiches.

Tiefgründig, flapsig

Ich habe jede Seite in diesem Buch genossen, flapsig und doch tiefgründig geschrieben, unterhält der Autor Benjamin Mayers den Leser sehr gut. Die Sätze sind angenehm und unterhaltsam. Und doch ist man manchmal genervt, wenn Bucky zum wiederholten Male jammert, dass er keine Medikamente mehr hat. Denn die sind ihm auf dem Flug nach England abhandengekommen. Bucky ist einsam und findet in dem alten Königreich England plötzlich Menschen, die ihn mögen und seine Musik sowieso. Einsamkeit ist nie ein guter Freund. Der alte Musiker bekommt eine zweite Chance und um die zu ergreifen, bekommt er charmante Hilfe von Dinah. Die mittelalte Frau hat selber einige Hürden in ihrem Leben zu überwinden, aber scheint nie den Mut und vor allem nicht den Humor zu verlieren. Und sie liebt es sich allen Ärger in der Nordsee abzuwaschen und geht einmal am Tag in die eiskalten Fluten. Auch sie bekommt eine weitere Chance, ihr Leben zu kippen und etwas Besseres daraus zu machen.

Manchmal wünsche ich mir auch Ton zum Buch, denn ich hätte gerne die beiden Musik-Titel, die Bucky irgendwann einmal aufgenommen hat, gehört. 

Rubi und mir hat dieses Buch gefallen. Wir geben gerne 🐭🐭🐭🐭 Manchmal hatte es eben seine Längen, aber meistens hat es uns gut unterhalten.

 

Strandgut

ein Roman von Benjamin Myers
Übersetzung von Werner Löcher-Lawrence
aus dem DUMONT Verlag
288 Seiten
ISBN 978-3-7558-0037-8

 

Beduinenmilch

Beduinenmilch, dieser Roman kann wirklich nachdenklich machen. Die junge Deutsch-Israelin Talia wird demnächst 18 Jahre alt. Dann ist die junge Frau endlich volljährig und sie kann sich zum Militärdienst in Israel melden. Bisher haben ihre Eltern sie davor geschützt. Als Deutsche Staatsbürgerin ist Talia sowieso vom Militärdienst befreit. Kurz vor ihrem Geburtstag fliegt die junge Frau alleine nach Israel zu ihrer großen jüdischen Familie und bei ihrer Einreise beschließt Talia kurzerhand, sich einberufen zu lassen. Diese Entscheidung stellt die junge Frau vor ein Problem, denn wie soll sie ihre Entscheidung ihren Berliner Eltern erklären! Und dann geschehen Dinge, die ihre Entscheidung ins Wanken bringen …

„Beduinenmilch“

Talia verschweigt auch ihrer Großmutter, dass sie sich einberufen lassen hat. Nur ihre Cousine weiß davon und soll ihren Mund halten, bis Talia es selber erzählen mag. Bis dahin stromert sie durch die Straßen von Tel Aviv und trifft ihre große Liebe vom letzten Jahr. Dem jungen Mann scheint es gar nicht gut zu gehen. Er ist beim Militär und leidet unter einem Trauma. Und auch andere Freunde und Familienmitglieder erzählen davon, wie schrecklich die Zustände beim Militär sein müssen. Aber andere sind begeistert, wenn sie eingezogen werden, wie schick die Uniformen sind und was man alles machen kann, welche großartigen Ausbildungen angeboten werden und welchen Sinn es macht, für sein Land zu kämpfen.

Auf einem Nachbargrundstück wird gerade gebaut. Auf der Baustelle arbeiten illegale Araber. Das scheint normal zu sein. Talias Großmutter versorgt die Arbeiter heimlich mit Lebensmitteln, das ist strafbar! Aber eines Tages werden die Männer von der Polizei abgeholt und Talia findet es eine Ungerechtigkeit. Immerhin sind die Männer billige Arbeitskräfte, werden ausgenutzt und müssen dann auch noch dafür bezahlen, dass sie ihre Familien in den besetzten Zonen unterstützen. Talia kann das so nicht zulassen und fährt in das Gefängnis nach …

Mulmig

Ich habe das Buch mit einem mulmigen Gefühl gelesen. Talia kam mir am Anfang so blauäugig vor. Die junge Frau war von dem Bling-Bling der Armee geblendet und erst so nach und nach wurde ihr bewusst, was es heißt in den Dienst eingezogen zu werden. Sie ist eine sehr aufgeweckte Person und begreift schnell die Zusammenhänge. Dazu kommt, dass sie zu ihrem 18. Geburtstag eine Truhe mit Briefen und Gegenständen ihres geliebten verstorbenen Großvater geschenkt bekommen hat und auch der Leser bekommt einen Einblick in die Briefe. Sie zeigen viele Geschehnisse auf, die man schon lange aus den Augen verloren hat, die man auch niemals in der Presse gelesen oder gehört hat. Sie erzählen, wie der Großvater einer der Ersten war, der für sein Land gekämpft hat, der sich gegen die Palästinenser durchgesetzt hat, aber auch welchen Preis der Mann dafür zahlen musste.

Wir könnten uns ihrer Freundschaft, Dankbarkeit und Loyalität erfreuen. Dann wären wir das Licht unter den Völkern, ein Vorbild vor den Menschen – denn wozu sonst wären wir als auserwähltes Volk berufen? Durch ihre Vertreibung jedoch machen wir uns zu Feinden – vielleicht für alle Zeiten

Yitzhak Epstein (Seite 132)

Meine Sicht auf die Zustände in Israel, dem Gazastreifen sowie Palästina haben sich durch dieses Buch geändert. Durch Presseberichte bekommt man Geschichten erzählt, die meist nur ein Teil der Wahrheit ist und inwieweit es den Menschen in den betroffenen Gebieten geht, bekommt man meistens gar nicht mit. Die Wahrheiten liegen wahrscheinlich immer irgendwo dazwischen. Mich hat dieses Buch aufgeweckt. Es hat mich erschreckt und aufgewühlt. Ich hatte Tränen in den Augen und war wütend.

sie sind so in ihrer eigenen Perspektive gefangen, dass sie eine andere Sichtweise kaum zulassen können.

Seite 312

Dieses Buch bekommt von uns 🐭🐭🐭🐭🐭 und sollte unbedingt gelesen werden.

 

Beduinenmilch

ein Roman von
Nirit Sommerfeld
aus dem  ars vivendi Verlag
ISBN 978-3-7472-0716-1
344 Seiten

Der Aufbruch

Der Aufbruch ist der erste Teil einer Trilogie. Es ist Winter 1859. Brita Caisa ist eine willensstarke und eigenständige Frau. Sie hat zwei uneheliche Söhne und keinen Mann. Und sie lebt in einem Dorf, in dem sie nicht bleiben kann. Brita wurde in der Kirche vor die gesammelte Bevölkerung gerufen und angeklagt, sich mit einem verheirateten Mann eingelassen zu haben. 4 Sonntage musste sie bei der Predigt stehen und ihr klarmachen, wo sie in der Gesellschaft steht. Sie fühlt sich angeklagt, gedemütigt, so wird sie niemals einen Mann finden, der gut ist.

Der Aufbruch

Caisa will nicht bleiben, sie macht sich, mit ihren beiden Söhnen, auf den Weg an die Eismeerküste. Es ist Winter und man kommt außerordentlich gut mit dem Schlitten voran. Gezogen von einem braven Rentier und Brita auf Skiern, werden sie aufgehalten, weil Brita „heilende Hände“ hat. Sie soll hier und dort jemanden vor dem Tod retten. Meist geht es gut, bis sie auf den Hof von Gretha und Mikko treffen. Dort strandet die kleine Familie und bleibt einige Zeit. Brita muss eine sehr schöne Frau sein. Und es dauert nicht lange, da kommen sich Mikko und Brita näher. Mit ihm könnte sie sich ein Leben vorstellen. Doch das widerspricht natürlich wieder den Konventionen. Sogar ihr älterer Sohn wird sauer und wendet sich ab.

Ingeborg Arvola, die Autorin

Die Autorin hat einen sanften und gewaltigen Roman geschrieben. Die Sätze sind fast ein bisschen mystisch, oder märchenhaft. Katharina Martl hat den Roman übersetzt, was ich mir nicht so einfach vorstelle. Arvola ist 1974 geboren und ist im hohen Norden Norwegens aufgewachsen. Der Roman „Der Aufbruch“ ist, so sagt die Autorin, von ihrer eigenen Familie inspiriert.
Brita Caisa, ihre Hauptfigur, hat mich manchmal froh und sauer zurückgelassen. Aber auch die anderen „Mitspieler“ waren mir nicht immer sympathisch und manchmal konnte ich die Reaktionen und Situationen nicht ganz nachvollziehen. Und doch hat der Roman mich gefesselt und ich erwarte die nächsten Teile. Spannend fand ich die Lebensumstände und die Beschreibungen der Natur, durch die Caisa und ihre Familie zum Eismeer zogen.

Von uns bekommt der Roman „Der Aufbruch“ 🐭🐭🐭🐭

 

Der Aufbruch

geschrieben von Ingeborg Arvola
übersetzt von Katharina Martl
ISBN 9783442762682
416 Seiten
aus dem btb Verlag

Kaltblut

„Kaltblut“ ist das Romandebüt von Wolfgang Maria Bauer. Man kennt ihn als Schauspieler, Regisseur und Schauspieldirektor. Dass er schreiben kann, hat er mit „Kaltblut“ meiner Meinung nach bewiesen. Der fesselnde Roman liest sich leicht und ist dabei anspruchsvoll. Er hat auf jeden Fall einige tiefgründige Abschnitte, die dem ganzen die Leichtigkeit auch wieder absprechen. Ein besonderer Krimi!

Kaltblut

Auf einer Alm explodiert eine Hütte. Dabei kommen elf Männer ums Leben. Da kommt nur der Sprengmeister infrage, der hat nämlich seine Tasche in der Hütte gelassen. Seine Tasche mit dem Nitroglycerin, welches er zum Sprengen von Baumstümpfen braucht. In dem Dorf oben in den Bergen ist man sich zumindest sehr sicher, dass es der Sprengmeister war, der die Männer in den Tod gesprengt hat.

„Das sind die Toten“, wusste ein Schäfer, „es wird aufhören, wenn das Unglück geklärt und ein Schuldiger gefunden ist.“ Seite 6

Stubber, der Sprengmeister, ist sowieso nicht beliebt bei der Dorfgemeinschaft. Ein Einzelgänger, ein Außenseiter eben. Seine Eltern haben ihm schon mit auf den Weg gegeben, erst zu denken und dann zu sprechen oder zu handeln. Wortkarg ist er seitdem und überlegt. Aber dann trifft ihn doch die Liebe und er ist so von der Situation überrascht, überfordert und gefangen, dass er gar nicht anders kann. Er verschwindet für Jahre aus seinem Tal, weil alles anders kam, als man gedacht hatte. Am Ende sind 11 Menschen Tod und Stubber macht sich Vorwürfe. Doch er hatte ein Alibi. Viele andere aber auch. Genauso wie sie alle etwas zu verbergen haben …

Ich habe die Seiten verschlungen. Ein kleines Buch, mit wenigen Seiten, dafür wahnsinnig viel Inhalt. Eigentlich wollte ich einfach nur lesen. Schwierig, wenn zwischen den Zeilen so viel geschrieben steht. Wolfgang Maria Bauer zeichnet eine wundervolle Bergwelt, beschreibt eine unglaubliche Natur. Die Charaktere in seinem Buch sind aus dem Leben geschrieben, mit all ihren versteckten Belanglosigkeiten und verrückten Eigenschaften. Zwischen den Zeilen liest man Zynismus und vielleicht auch eine Prise Psychologie. Durch Rückblenden erfährt man die eigentlichen Begebenheiten und so langsam dröselt sich natürlich der Tod der Elf auf. Aber wer war nun der Verursacher der Explosion. Oder hatten alle einen Anteil an dem Unglück? War es vielleicht doch nur ein Mörder? Kaltblut gehört auf jeden Fall zu meinen Büchern des Jahres.

Rubi und ich geben dem Buch gerne 🐭🐭🐭🐭🐭 für ein Buch, dass man gelesen haben muss. Das Cover alleine hat schon eine Maus verdient!

 

 

Kaltblut

von Wolfgang Maria Bauer
aus dem Bertelsmann Verlag
224 Seiten
ISBN 978-3-570-10571-9

Moorlande

Moorlande spielt auf einer Insel im Great Massasauga Sumpf in Michigan, in einem sehr konservativen Teil Amerikas. Hauptdarsteller sind 4 Frauen und das elfjährige Mädchen Dorothy. Hermine Zock ist das Oberhaupt und Mutter auf der Insel, die kein Mann betreten darf. Sie ist bekannt dafür, dass sie „Arzneien“ und Mittelchen gegen alles hat. Legt man eine Muschel auf ihren Tisch am Festland, bekommt man vielleicht eine Medizin, die das ungewollte Menschlein im Bauch abtreibt. Aber man kann auch das geborene Menschlein in ein Körbchen legen, das ebenfalls an diesem Tisch bereitsteht. Dann wird Hermine das Kind an sich nehmen und sich ein Leben lang darum kümmern. So wie es schon ihre Mutter vor ihr getan haben mag.

Moorlande

Als Hermines wunderschöne und auf ihre Art magische Tochter Rose selber ein Kind bekommt, lässt sie diese es bei ihrer Mutter in den Sümpfen. Dorothy wächst dort bei ihrer Großmutter auf, während Rose zu ihrer Schwester nach Kalifornien flüchtet. Immer mal wieder taucht sie auf der Insel auf und dann umschwärmen sie die Männer der Gegend wie die Motten das Licht. Dorothy, oder Donkey, wie sie genannt wird, vermisst ihre Mutter und wünscht sie sich immer wieder heim. Das Kind ist ein Mathegenie, lernt aus Büchern, was es über Zahlen zu lernen gibt und sieht darin ihre eigene Wahrheit, während sie ihrer Großmutter auf der primitiven Insel zur Hand geht. Sie leben dort im Einklang mit der Natur, während auf dem Festland die Menschen versuchen der Erde mehr abzutrotzen als diese geben mag.

Mensch und Natur

Der Roman besticht durch seine Beschreibung der Umgebung, der Natur und der Figuren. Die Autorin zieht den Leser in die Sümpfe und die Wildnis. Aber auch die Wildnis in den Köpfen der Menschen, die dort leben. Welches dunkel Geheimnis der eine oder andere Bewohner dort mit sich herumträgt. Die Mädchen und Frauen der Insel tragen ihre eigenen Geheimnisse mit sich herum und am Ende treffen alle losen Enden zu einem ordentlichen Knoten zusammen. Donkey ist dabei eine Schlüsselfigur, die mit ihrer kindlichen Naivität so manche Katastrophe auslöst und gleichzeitig dafür sorgt, dass die Frauen der Insel wieder mehr zusammenrücken. 

Es ist schwierig, dieses Buch zu beschreiben. Einerseits hat es mich angezogen, auf der anderen Seite mochte ich nicht weiterlesen. Es hat mich beschäftigt und auch wieder etwas gelangweilt. Die Natur hielt mich und gleichzeitig stießen mich die Menschen ab. Dorothy ist so naiv beschrieben und doch so intelligent. Rose ist so ignorant und doch so bezaubernd nachlässig. Ihre Schwestern sind ebenfalls sehr eigensinnige Wesen und vor allem Hermine, die eine starke Frau ist, die alles in ihren großen und rauen Händen hält, selbst die Wildnis hält den Atem an, wenn die kräftige Frau etwas fordert.

Was mich vermutlich in dem Roman hielt, waren die Verbindungen, die sich langsam aufdröselten. Es waren die Bilder der Umgebung und der Flora und Fauna, die verzauberten. Ich kann nicht sagen, dass es mich das Buch „Moorlande“ so in seinen Bann gezogen hat wie „Der Gesang der Flusskrebse“ und doch haben diese beiden Bücher etwas gemeinsam. Die verlassenen Kinder, die Natur und der Willen zu überleben.

Die Mäusevergabe fällt dieses Mal wieder sehr schwer. Ich würde gerne 🐭🐭🐭🐭🐭 geben und es in das Regal beste Literatur stellen. Andererseits hatte es auch seine Längen und Rubi war sich nicht sicher, ob es ihr gefallen hat.

 

Moorlande

ein Roman von Bonnie Jo Campbell
übersetzt von Cornelia Holfelder von der Tann
ISBN 9783365009932
480 Seiten
HarperCollins Verlag

Das Wesen des Lebens

In dem Buch „Das Wesen des Lebens“ erzählt die finnische Autorin Iida Turpeinen über die Rastlosigkeit der Menschen. Wie sie ihre Welt erforschen, auseinandernehmen und zerstören. Und fast immer machen sie dies in bester Absicht, denn man will sich ja nur Wissen aneignen, oder sammeln oder vielleicht auch nur überleben. Iida Turpeinen beschreibt die Rastlosigkeit der (männlichen) Forscher und die Frauen, welche ihnen den Rücken frei halten und im Grunde auch zu den wichtigsten Entdeckungen beigetragen haben, aber ohne erwähnt zu werden.

Das Wesen des Lebens

1741 geht der Forscher Georg Wilhelm Steller als Schiffsarzt mit Vitus Bering auf Forschungsreise. Sie suchen nach einer Verbindung zwischen Asien und Amerika. Als ihr Schiff auf Shumagin Insel (Aleuten) strandet, verlieren viele Matrosen ihr Leben. Und auch Bering findet dort den Tod, während sich seine restliche Mannschaft von den dort friedlich lebenden Seekühen ernährt. Schmackhaft sollen die gewesen sein. Der Forscher Steller hat solche Tiere noch nie gesehen, so groß und so freundlich. Am Ende werden die Matrosen ein Schiff bauen können, aber die Knochen der Seekuh müssen auf der Insel bleiben. Zu groß sind sie und zu schwer und Steller bleibt nur, der Seekuh seinen Namen zu geben. Die Stellersche Seekuh!

Jahre später treffen auf der Insel Jäger ein, die von dem schmackhaften und wehrlosen Tier gehört haben. Nicht nur die Polarfüchse und die Alke werden zu Opfern, sondern auch die Seekühe. Sie werden einfach aufgegessen und vergessen. Niemand macht sich Gedanken darum, ob sich die Art erhalten kann, niemand bedenkt, dass sie nur dort leben können. Irgendwann erinnert sich ein Forscher und wünscht sich wenigstens die Knochen, um zu beweisen, dass es diese Seekühe wirklich gab.

So hat Gott es bezweckt, er hat die Welt und ihre Wesen geschaffen, damit der Mensch über sie herrscht. Das Tier erfüllt seinen Zweck am besten, indem es dem Menschen nützlich ist, … (Seite 67)

Es sind aber nicht nur die Tiere, die in diesem Buch ausgerottet werden. Auch die Abfälligkeit und die Überheblichkeit der weißen Menschen gegenüber den Ureinwohnern, die mit der Natur in guter Eintracht leben, ist nicht zu überlesen.

Sie werden die Kolonie in den Wirkungskreis der Menschengesetze führen, die Zivilisation mit sich bringen, Alaska ordnen und besänftigen … (Seite 100)

Die Stellersche Seekuh und andere Ausgerottete

Man muss einfach abtauchen, in das Buch „Das Wesen des Lebens“ und in die Schreiberei der Autorin Iida Turpeinen genießen. Sie switcht zwischen den Handlungsorten hin und her, gibt aber auch die Freude und den Enthusiasmus ihrer Figuren wieder. Es sind die Frauen, die in der echten Geschichte, wie auch im Buch, wie immer eine Nebenrolle haben und doch von der Autorin still und leise in den Vordergrund geschoben werden. Die Eine, die ihrem Mann den Rücken freihält und die Andere, die gefallen an den Sammlungen findet. Oder die Nächste, die eine wahre Künstlerin ist und niemals die Gelegenheit bekommen wird sich einen Namen zu machen und am Ende Tapeten malt. Und sie sind immer ein bisschen real (gewesen).

Das Buch ist ein Vorwurf, wie mit der Welt und seinen Schätzen umgegangen wird, verpackt in eine Reise in die Vergangenheit, auf der Suche nach ausgestorbenen Wesen, die der Mensch vernichtet hat, ohne nachzudenken. Ihr Roman ist unterhaltsam, sowie auch lehrreich und interessant geschrieben. Ich hätte mir mehr Verweise auf die Personen gewünscht und manches Mal ein passendes Bild.

Die Autorin und der Übersetzer

Iida Turpeinen wurde 1987 in Finnland geboren. Sie ist Literaturwissenschaftlerin und auch Schriftstellerin und interessiert sich für das literarische Potenzial der wissenschaftlichen Forschung sowie für schräge Anekdoten und Irrwege der Wissenschaftsgeschichte. Und das bringt sie hervorragend in ihrem Buch „Das Wesen des Lebens“ rüber.
Maximilian Murmann, geboren 1987, studierte in München, Helsinki und Budapest Finnougristik, Allgemeine Sprachwissenschaft und Germanistische Linguistik. Ich staune immer wieder, wie wichtig der Übersetzer ist!

Und vielleicht möchtest du ein Video zum Buch sehen … Außerdem hat dieses Buch von uns 🐭🐭🐭🐭 erhalten

 

Das Wesen des Lebens

Ein Roman von Iida Tupeinen
Übersetzt von Maximilian Murmann
aus dem S. FISCHER-Verlag
ISBN: 978-3-10-397630-4
320 Seiten