Fremde Federn
Fremde Federn … Thomas, der Tom genannt wird, zieht zu seiner Oma in das große Haus am Stadtrand. Für ihn ist es passend, da Wohnraum ja teuer ist und er in der Stadt noch neu ist. Er hat einen neuen Posten in einem Start-up bekommen, dass sich mit Nahrung aus Insekten beschäftigt. Seine Oma Rosmarie freut sich, dass ihr Enkel bei ihr einzieht. Sie ist rüstig und macht noch alles selbstständig. Sie hat jahrelang ihre Mutter und später ihre Schwiegermutter gepflegt und als ihr Mann gestorben war, wirtschaftete sie ganz alleine in dem großen Haus. Tom zieht in das Zimmer, dass er auch schon als kleiner Junger immer in den Ferien bewohnt hat. Es ist etwas ungewohnt für ihn in einer WG mit seiner Oma zu leben. Immerhin können sie getrennte Badezimmer nutzen. Rosmarie versteht nicht, dass Tom Vegetarier ist oder gar diese Mehlwürmer isst. Und als er dann auch noch eine Mehlwurmzuchtanlage mit nach Hause bringt, schüttelt es sie. Dafür bekommt Rosmarie einen kleinen Hühnerstall, mit drei hübschen Hühnern, welchen sie sich schon immer gewünscht hat.
Fremde Federn
Was Tom nicht sieht, was vielleicht auch nur dem Leser auffällt ist, dass Rosmarie in eine Demenz hineinschliddert. Als die alte Frau dann auch noch stürzt und operiert wird, kommt die Demenz deutlich ans Tageslicht. Thomas ist ziemlich beschäftigt, immerhin hat er eine leitende Stelle und hat viel Arbeit und Verantwortung. Doch seine Oma liegt ihm sehr am Herzen. Er versucht seine Arbeit etwas zu reduzieren, macht Homeoffice, wo es geht. Tom kümmert sich um eine Vollzeitpflege zu Hause, er kocht für Rosmarie und versucht sie zu beschäftigen. Ein Altenheim ist für ihn keine Option.
“ ihm dämmerte, dass hinter ihrem Angebot mehr verborgen war. Ein Gebrauchtwerden-Wollen. Ein noch Wollen. Und vor allem: ein noch Können.“ Seite 22
Dabei stößt er aber auch an seine Grenzen. Einerseits bemerkt er, mit welchen bürokratischen Wirrnissen er sich beschäftigen muss. Etwas, dass er Menschen, die sich noch weniger auskennen, gar nicht zutrauen mag. Andererseits ist da die Privatsphäre, die immer mehr bröckelt. Seine Oma auf die Toilette zu begleiten ist etwas, dass wohl keiner von uns machen möchte. Und trotzdem verschwimmen diese Grenzen immer mehr, so wie die Demenz fortschreitet. Rosmarie ist eigensinnig, mag die eine Pflegerin nicht und verdächtigt diese auch noch, ihre Hühner rupfen und essen zu wollen.
Liebe und Aufmerksamkeit
Thomas ist ein sympathischer Mensch, der sich wirklich große Mühe gibt, seiner Oma die Liebe und Aufmerksamkeit zurückzugeben, welche er als kleiner Junge von ihr erfahren hat. Neben der Pflege von Oma Rosmarie, wirbelt der junge Mann auch noch in seinem Job. Stets steht er unter Strom und merkt nicht, wie ihn all die Dinge immer mehr vereinnahmen. Ich fand es wirklich gut geschrieben. Die Demenz der alten Dame sowie die Überforderung der Angehörigen. Etwas, das in der wirklichen Welt sehr wohl genauso passiert. Die Demenz, die sich immer mehr verfestigt, mit all ihren Auswüchsen. Mal mehr, mal weniger lustig. Zumindest für Außenstehende. Wer selber in so einer Demenzschleife steckt, wer selber einen Angehörigen mit Demenz hat, sieht hier bestimmt viele Parallelen.
Ich habe dieses Buch Fremde Federn wirklich verschlungen. Es hat so viel Spaß gemacht, zu lesen. Es ist kein Aufklärungsbuch, wie man mit Demenz umgehen soll. Fremde Federn ist ein gutgemachter Roman, mit Anspruch. Die Autorin hat ein feines Gespür für Sätze, die (heimlich) unter die Haut gehen und sie scheint sich mit dem Thema Pflege auseinandergesetzt zu haben. Warum das Buch Fremde Federn heißt, erschließt sich mir allerdings nicht, auch wenn die Hühner ab und an Federn lassen müssen. Dieses Buch warmherzige Buch hat wahrlich 🐭🐭🐭🐭🐭 verdient!
Einziges Manko, war vielleicht, die detaillierte Liebesnacht, zwischen Thomas und seiner Ex-Freundin Eva. Gut geschrieben, aber für mich eben nicht passend. Ein angedeuteter Satz oder Absatz hätte (für mich) gereicht. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass mir solche Szenen grundsätzlich nicht in Romanen gefallen.
Fremde Federn
Ein Roman von Alina Lindermuth
aus dem Kremayr-Scheriau Verlag
256 Seiten
ISBN 9783218013864