von Andrea Karminrot | Jan 22, 2019 | Leicht, Regionales, Roman |
Und alles fing mit einer Puppe an. Einer Wassertheaterpuppe aus Vietnam. Wassertheater? Was ist das denn. Dann schau mal hier
Sungs Laden
Von Karin Kalisa
In meiner Stadt Berlin, gibt es unglaublich viele Menschen, die hier nicht geboren sind. Sie sprechen unsere Sprache nur mäßig und kamen hier her, weil es in ihrem Land unerträglich war und sie sich ihres Lebens nicht sicher sein konnten. Sie kamen, als die Stadt noch geteilt war und lebten in engen Wohnheimen in schlechter Qualität. Die „Vietnamesen“ oder „Fidschis“, wie sie abfällig genannt wurden, arbeiteten in Fabriken für wenig Geld. Und als die Deutschen sich wieder zusammenfügten, standen die Zugezogenen auf der Straße und konnten weder in ihr eigenes Land zurück, noch konnten sie einen „normalen“ Job annehmen, da sie selten die deutsche Sprache sprachen. Viele kamen auf die „schiefe“ Bahn oder verkauften billige Zigaretten an Menschen, die die Vietnamesen nicht einmal richtig ansahen. Da hatten die Eltern von Sung Glück, denn Dete, die Hebamme, half dem Pärchen einen kleinen Laden aufzumachen, nachdem sie den Beiden schon geholfen hatte, ihren Sohn auf die Welt zu bringen.
Was ich gelesen habe
Eine kleine mitreißende Geschichte, in einem etwas fiktiven Berlin! Wäre es nicht schön, wenn es tatsächlich so wäre, wenn es ein Miteinander ohne Hass gäbe. Karin Kalisa erzählt eine leicht zu glaubende Münchhausen-Geschichte, die so liebevoll erzählt ist, dass man sich wünscht, sie wäre wahr! In dem Buch kommt ein kleiner Stein ins Rollen, der es möglich machen könnte, dass ein Zahnarzt, einfach nur aus Nächstenliebe, die nicht versicherten Asiaten behandelt oder die Ordnungshüter sich verpflichtet fühlen, dem netten Vietnamesen, den Imbiss gegenüber dem Spielplatz, zu gestatten, weil frisches Obst und Gemüse so viel gesünder ist, als die olle Currywurst. Bezaubernd beschreibend, zog mich die Autorin mit. Meistens lächelte ich bei der Erzählung und immer wieder staunend, ob der interessanten Schreibweise, des Romans. Am Ende war ich traurig, dass die Geschichte schon zu Ende war. Ich habe die 246 Seiten in zwei Tagen verschlugen und mochte das Büchlein kaum aus den Händen legen.
Einige Sätze haben mich zum Lachen gebracht. Die Autorin wies in ihrem Roman darauf hin, dass man doch nur in Berlin geblieben oder hergezogen sei, weil es dort so viel lustiger und freier zugehen würde, als in so manch anderer Stadt. Man kann in Berlin… eine Sitzgruppe mit der U-Bahn transportieren, ohne dumm angequatscht zu werden… (Seite 183) Daran sollten wir uns erinnern, wenn wir dieses Buch zur Hand nehmen. Sollten uns daran erinnern, dass es einfach spannend und inspirierend ist, mit fremden Menschen, woher auch immer sie stammen, ins Gespräch zu kommen. Uns ihre netten Angewohnheiten zu eigen machen, um unserer Stadt weiterhin den Anstrich des Besonderen zu geben! Toleranz üben und Spaß haben.
Auf den letzten Seiten findet man einige Hinweise auf Literatur, die ich mir unbedingt noch einmal ansehen möchte. Wusste ich doch so vieles nicht, über das Leben der Vietnamesen in Berlin. Wie sie hier her gekommen sind und unter welchen Bedingungen sie hier lebten (und immer noch leben) Dass sie hier keine Kinder zur Welt bringen durften und viele kein Deutsch können, immer noch nicht.
Die Autorin
lebt seit einiger Zeit in Berlin. Im Osten von Berlin. In dem Teil der Stadt, der Spielort ihres Romans ist. Sie ist Wissenschaftlerin und freie Autorin.
Verlag Droemer
255 Seiten
ISBN 978-3-406-68188-2
Verlinkt mit Januarbücher
von Andrea Karminrot | Jan 17, 2019 | Roman |
Truly Madly Guilty: Jede Familie hat ihre Geheimnisse
Haben wir nicht alle Geheimnisse, verschweigen und verstecken Dinge, die wir nicht gerne herzeigen? Geheimnisse, die keinen was angehen. Aber was ist, wenn eben diese Geheimnisse eine Katastrophe herbeiführen?
Die Geschichte
Clementine und Erika sind seit der Grundschule „beste Freundinnen“. Erika fand bei der Freundin und deren Familie Sicherheit, während Clementine sich schon immer genötigt sah, Erika als Freundin anzunehmen. Als Erwachsene haben sie sich ziemlich auseinander gelebt, treffen sich aber immer wieder und halten den Kontakt. Clementine hat zwei kleine Kinder und einen chaotischen Haushalt, während Erika, ungewollt kinderlos, in sehr geordneten Verhältnissen lebt. Als Erika Clementine während einer Grillparty um einen besonderen Gefallen bittet, sollte alles anders werden. Doch wie stark ist eine Freundschaft, so eine Bitte auszuhalten.
Was ich gelesen habe
Im Grunde hatte Clementine überhaupt keine Lust, sich mit Erika abzugeben. Nur weil es schon immer so war, rüttelt sie nicht an der Beziehung zu ihrer Freundin. Erika geht ihr auf die Nerven, und dass ihre Mutter auch noch einen besonderen Draht zu der Freundin hat, stört sie noch mehr. Erika hingegen, findet es furchtbar in welchen Verhältnissen Clementine lebt. Dieser ungeordnete Haushalt macht sie nervös. In dem ersten Drittel des Buches wird auch schon bald klar, warum Erika solch eine „Unordnung“ nicht ertragen kann.
In dem Roman geht es aber nicht nur um die beiden Frauen. Sie sind das Grundgerüst, an der sich die Geschichte hochzieht. Da ist noch das Nachbarpaar von Erika und ihrem Mann, nebst Tochter und der brummelige Nachbar, der keinen ausstehen kann und ständig nur rumpöbelt. Die Eltern von Clementine und Erika, spielen eine ebenso wichtige Rolle.
Der Einstieg in das Buch fiel mir sehr schwer. Ich fand keinen Bezug zu den Figuren. Erst, als ich über das erste Drittel hinaus war, riss mich die Geschichte mit. Spannend fand ich dann den Aufbau der Story. Ständig kommst du immer wieder zu dem Tag der Grillparty zurück, erfährst aber immer nur einen winzigen Teil des Verhängnis. Immer wieder springt die Erzählung in die Gegenwart, beschreibt die Handlungen nach der Grillparty. Eines wird dabei klar, jede der Personen hat ein Geheimnis, verschweigt einen Teil, ignoriert, versteckt oder verheimlicht, wissentlich oder unabsichtlich. Das macht den Reiz der Geschichte aus. Am Ende ist man ganz erstaunt, dass etwas ganz anderes dabei heraus kommt.
Wie seltsam, dass nur wenige Menschen sich zu ihren Gefühlen äußern können. Sie verstecken sich hinter Masken und machen lieber auf cool oder ignorant, als deutlich zu machen, welche Ängste und Bedenken sie haben oder wie schlecht es ihnen gerade geht. Am Ende, fand ich das Buch sehr inspirierend. Vielleicht sogar etwas aufrüttelnd.
Die Autorin und die Übersetzerin
Liane Moriarty lebt mit ihrer Familie in Sydney und hat schon mehrere Romane veröffentlicht. Einer wurden sogar schon verfilmt. Sie ist Werbetexterin und wurde für ihre Arbeit schon mehrfach ausgezeichnet.
Übersetzt wurde der Roman von Sylvia Strasser
Ich stelle dieses Buch zu den Lieblingsbüchern im Januar. Hast du auch schon eins dazugestellt?
BASTEI LÜBBE Verlag
575 Seiten
ISBN: 978-3-404-17680-9
von Andrea Karminrot | Dez 15, 2018 | Rezension, Roman |
Ohne Taschentücher…
…geht hier gar nichts! Mit diesem Buch, habe ich ein ziemlich emotionales Buch erwischt. Ein Buch, für das ich tatsächlich einige Taschentücher brauchte. Gerade, wenn es um kranke Kinder geht fließen bei mir Tränen. Denn genau darum geht es in diesem Roman. Also, wenn du mal wieder so richtig weinen möchtest, dann nimm dieses Buch in die Hand. Aber Vorsicht, du legst es erst wieder weg, wenn du es ausgelesen hast.
Das Buch
Rob und Anna passen zusammen wie Puzzleteile. Das einzige Glück, das ihnen noch fehlt, ist ein Kind. Nach mehreren Fehlversuchen, werden die Beiden mit einem kleinen Jungen belohnt. Jack ist das perfekte I-Tüpfelchen. Der kleine Mann liebt den Himmel, die Weite und hohe Wolkenkratzer, weil er von dort alles überblicken kann.
Doch lange soll das Glück nicht bestehen. Bei Jack wird ein Tumor diagnostiziert. Und Rob versucht alles, damit sein kleiner Junge überlebt. Dabei setzt er alles in Bewegung. Allerdings leidet darunter auch seine Beziehung zu Anna, Rob’s großer Liebe.
Was ich gelesen habe
Rob erzählt die Geschichte aus seiner Sicht. Der Anfang dieses Roman kam mir erst etwas zögerlich, etwas verwirrt vor. Denn Rob sitzt in einer Bar und lässt sich volllaufen. Aber dann löst sich der Knoten und Rob erzählt wie er Anna kennengelernt hat und wie sie eine Familie gründeten. Welche Hürden sie genommen haben, um zu ihrem Glück zu gelangen. Und dann der Tiefschlag, der ihren kleinen Jungen aus dem Leben zu reißen droht. Rob versucht alles, um seinen Fünfjährigen zu retten. Und Anna? Aus der Sicht von Rob scheint sie sich zurück zu ziehen. Doch ist sie, in der Geschichte, die Starke.
Der Spannungsbogen ist gekonnt aufgebaut. Ein solch emotionales Buch, habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Der Autor beschreibt das Unabwendbare so gekonnt, dass man fast den Verdacht bekommen kann, er hat es selber durchlebt. Obwohl dieser Roman ein Debüt ist, bin ich davon überzeugt, dass dieser Autor noch einige gute Romane schreiben wird. Es ist das Erstlingswerk von Luke Allnutt und ich freue mich schon darauf, mehr von diesem Schriftsteller zu lesen. (Ein zweiter Roman ist schon in Arbeit!) Dieser Roman hier, braucht aber auf jeden Fall eine große Portion Taschentücher.
Der Autor
Lebt mit seiner Familie in Prag, ist in England aufgewachsen und hat dort als Journalist gearbeitet.
Aus dem Englischen übersetzt, wurde der Roman von Veronika Dünninger.
Verlag: Blanvalet
Originaltitel: We own the Sky
Originalverlag: Trapeze, London 2018
448 Seiten
ISBN: 978-3-7645-0628-5
von Andrea Karminrot | Nov 12, 2018 | Historie, Rezension, Roman |
Zeit zu hoffen, Zeit zu Leben
In diesem neuen Roman von Peter Prange geht es um eine Familie aus Fallersleben, im Wolfsburger Land. Im Jahr 1933 hat Hermann Ising 4 erwachsene Kinder und Willy, dem kleinen Nachkömmling. Horst, der jüngere Sohn, geht in dem Gedanken des Nazi-Regime völlig auf und lebt es perfekt aus. Seine jüngere Schwester Charly, die Ärztin werden möchte und eine Prüfung nach der anderen mit sehr gut besteht, liebt ihren Mann Benny sehr. Doch Benny ist mit dem „Makel“, ein Jude zu sein, nicht sicher in dem neuen Deutschland. Edda, das älteste Kind aus dem Hause Ising, bekommt die Möglichkeit mit der großen Leni Riefelstahl zu arbeiten. Während der ältere der beiden Brüder, Georg versucht sich in die Produktion des „Volkswagens“, der direkt vor seiner Haustür gebaut werden soll, einzubringen.
Die Geschichte
Die Isings leben schon seit Generationen im Wolfsburger Land. Um genauer zu sein, in Fallersleben. Hermann Ising ist dort der Zuckerbaron. …Zucker schmeckt, Zucker nährt. So der Wahlspruch. Hermanns Frau war einmal Konzertpianistin, hat sich aber entschlossen ihre Karriere aufzugeben und mit ihrem Hermann auf dem Land zu leben. Als Hitler dann einen Ort sucht, an dem sein Volkswagen gebaut werden soll, trifft es die Isings hart. Sie verkaufen ihr Land an die Autofabrik. Wolfsburg wird aus dem Boden gestapft. Horst hatte bis dahin gehofft, die Zuckerfabrik zu übernehmen, denn sein älterer Bruder zeigte mehr Interesse an der Konstruktion des Volkswagen. Nun aber, arbeitet sich Horst in der Hierarchie des Regimes nach oben. Als Leiter des Lagers, in dem die Arbeiter die Autofabrik bauen, fühlt er sich besonders wohl.
Charly und Benny trifft die neue Situation in Deutschland ebenfalls hart. Als Ehefrau eines Juden, hat Charlotte keine Chance auf ein weiterkommen als Ärztin. Und Benny, der als Architekt eigentlich Lorbeeren sammeln müsste, stößt überall an. Auch Edda hat es nicht leicht und der kleine Willy… Nein ich will nicht zu viel erzählen!
Eine Familie in Deutschland
Peter Prange schreibt dicke Bücher, die lange fesseln. Seine Art, die Kapitel möglichst kurz zu halten, lässt den Spannungsbogen niemals nachgeben. Der ständige Perspektivwechsel, hält den Geist wach. Außerdem, findet er immer wieder spannende Themen, die dazu verführen, seine Bücher zu lesen. Auch, wenn es am Ende wieder 670 Seiten waren.
Dieser Roman hält sich an die damalige Zeit, doch die Familie ist größten Teils erfunden. Prange bekommt es fertig, alle Makel der Zeit, in eine Familie zu stopfen. Damit gelingt es ihm mal wieder, einen spannenden Roman zu schreiben. Auf den letzten Seiten des Buches wird einem klar, da muss es noch mehr geben. Denn die Geschichte endet an einem Punkt, der mehr erwarten lässt. Der Folgeband kommt allerdings erst im Herbst 2019 raus. So lange müssen wir warten, bis es weiter gehen wird. Eine Qual!!!
Peter Prange
Verlag Fischer Scherz
ISBN-139783651025561
Von Peter Prange habe ich schon einmal ein wirklich gutes Buch gelesen. Ich Maximilian, Kaiser der Welt.
von Andrea Karminrot | Okt 7, 2018 | Nachdenklich, Rezension, Roman |
Die Zurückgekehrte
Ich habe gerade das Buch Arminuta [die Zurückgekehrte] zu Ende gelesen, das mich sehr begeistert hat. Kaum mochte ich es aus der Hand legen. Die wunderschöne Sprache von Donatella Di Pietrantonio verzauberte mich vollkommen. Sätze ließen Bilder im Kopf entstehen, die zart, poetisch und schön waren, gleichzeitig Wut und Hilflosigkeit vermittelten.
Arminuta
ist die Zurückgekehrte. Sie wurde als Baby an ein Pärchen weitergegeben. Aber die rechten Eltern wollten das Kind zurück, als das Mädchen Dreizehn Jahre zählte.
Arminuta kannte ihre echten Eltern nicht und fand es furchtbar, ihre Familie der letzten Jahre verlassen zu müssen. Für das Mädchen wurde vieles anders. Die Jahre in dem gut situierten Haus sind vorbei und das Mädchen muss sich völlig umstellen. Sie teilt sich ein Bett mit ihrer kleineren Schwester und die Brüder schlafen in dem selben Zimmer wie die Mädchen. Alles ist so viel primitiver als in ihrer geschenkten Familie. Aminuta vermisst das alte Leben, die Eltern und ihre beste Freundin. Das Dorf in dem sie nun leben muss, ist so einfach und hat mit der Stadt am Meer kaum etwas gemein. Aber noch mehr als über die Verwahrlosung, in der sie jetzt leben muss, kommt die Zurückgekehrte mit der Zurückgezogenheit ihrer Leihmutter zurecht. An die gegebenen Umstände kann sie sich anpassen, aber was ist mit der „Mutter“?
„Ich kannte keinen Hunger und lebte wie eine Fremde unter Hungernden…“ Seite 128
Zusammenhalt
Arminuta findet eine besondere Freundin in ihrer kleinen Schwester Adriana, die so viel mutiger scheint als die große Schwester. Erst nach einiger Zeit begreift Arminuta, wie verschieden Liebe und Zusammenhalt aussehen kann. Sie bleibt immer unter einem Schutzmantel ihrer Leihmutter, die dafür sorgt, dass es dem Mädchen an nichts mangeln soll. Doch Wut über das Verlassenwordensein, lässt das große Mädchen ungerecht werden.
„…was für ein Ort eine Mutter ist! …eine Zuflucht, Gewissheit..“
Unglücklich, wusste das pubertierende Mädchen nicht mehr woher sie stammte.
Schwierig ist es nicht das Mädchen sympatisch zu finden. Donatella Di Pietrantonio gibt einem die Möglichkeit zu träumen und durch die zarten Sätze Gefühle zu entwickeln, die es schwer machen, das Buch auch nur eine Minute aus der Hand zu legen. Ich habe die 224 Seiten an einem Tag gelesen.
Die Autorin und ihre Übersetzerin
Die Autorin stammt aus den Abruzzen und lebt heute in der Nähe von Pescara. Sie hat mit ihren Romanen einige Literaturpreise gewonnen. Perfekt ist die Übersetzerin Maja Pflug. Sie wurde schon sehr oft gelobt, „Maja Pflug ist eine der verdientesten Übersetzerinnen aus dem Italienischen. Als deutsche Stimme von Natalia Ginzburg, Cesare Pavese und Fabrizia Ramondino hat sie große literarische Vielfalt und stilistisches Können bewiesen …“(Autorenprofil Kunstmann-Verlag) Seit Dreißig Jahren übersetzt sie italienische Literatur.
Arminuta
von Donatella Di Pietrantonio
Kunstmann-Verlag
ISBN: 978-3-95614-253-6
224 Seiten
Hier kann ich noch ein Buch aus Italien empfehlen.