von Andrea Karminrot | März 22, 2018 | Rezension, Roman |
Ein Roman
von Nickolas Butler
Nelson ist ein 13 jähriger Junge, der einfach zu schlau, zu sensibel, für seine Mitschüler ist. In seiner näheren Umgebung hat Nelson keine Freunde. Nur ein einziger Junge kommt, viel zu spät, zu seinem Geburtstag und bleibt auch nur aus Anstand. Im Pfadfinderlager bewohnt Nelson ein Zelt alleine. Keiner möchte mit ihm etwas zu tun haben. Er ist ein einsames Kind, das von den Anderen geärgert und gehänselt wird. Nur Jonathan, der ihn an seinem Geburtstag besucht hat, scheint zu ihm zu halten. Aber eines Tages nimmt sich Nelson ein Herz, und beweist sich und den anderen Jungen, dass er ein tougher Kerl ist.
Auch zu Hause, wird Einiges anders. Der Vater wird, von der sonst so stillen Mutter, aus dem Haus gejagt und Nelson bekommt die Chance, auf eine Militärschule zu gehen.

Das Buch ist in drei Kapitel unterteilt (1962, 1996,2019) . 60 Jahre lang, werden Nelson und Jonathan begleitet. Eine seltsame und tiefe Freundschaft.
In diesem Buch anzukommen, braucht es höchstens 3 Seiten. Nickolas Butler schreibt so wunderbar, dass man sich innerhalb kürzester Zeit mit seinen Charakteren identifizieren kann. Seine Schreibweise, ist einfühlsam und direkt. Vielleicht liegt es auch daran, dass Nickolas Butler aus seinem eigenen Leben erzählt. So enthält das zweite Kapitel einige Episoden aus dem Leben des Autors. Butler war mit seinem Vater als Fünfzehjähriger unterwegs, als der Vater ihm seine neue Lebensgefährtin vorstellte.
Butlers Männer zeigen sich mit angeblicher Stärke, sie zeigen Muskeln und wollen nicht weich sein. Doch hinter den Figuren stecken empfindliche und verletzliche Helden, die in den Kriegen dieser Zeit, viele Blessuren (körperlich, wie seelische) davontragen.
Das Pfadfinderlagersteht als Metapher zur amerikanischen Gesellschaft. Welche Werte sind heute noch wichtig, die damals unerlässlich schienen. Gemeinschaft, Würde, Miteinander und Füreinander, waren 1960 noch vorrangig. Aus den „gestählten“ Pfadfindern, gingen wichtige Persönlichkeiten hervor. Heute, steht jeder für sich alleine, ist mit seinem Handy oder Computer in der Welt unterwegs und übersieht seinen Nachbarn.

Die Pfadfinderlager verkommen zu Witzveranstaltungen, die nicht mehr ernst genommen werden, obwohl sie doch genau für die guten Werte stehen und geschulte, selbstbewusste Männer hervorbringen sollten. Kritisch beschreibt Butler die selbstsüchtige (amerikanische) Gesellschaft.
Eine wunderbare Geschichte. Ich kann es nur empfehlen. Ein interessantes Interview zu diesem Buch, findest du auch HIER

übersetzt von Dorothee Merkel
(Orig.: The Hearts of Men)
477 Seiten
ISBN: 978-3-608-98313-5
von Andrea Karminrot | Feb. 8, 2018 | Rezension, Roman |
ein Roman von
Kent Haruf
In einer Kleinstadt wird die 17 jährige Victoria von ihrer Mutter vor die Tür gesetzt, weil sie schwanger ist. Damit das Mädchen nicht auf der Straße leben muss, überredet die Lehrerin des Mädchens zwei alte Viehzüchter, Victoria bei sich aufzunehmen. Die McPherons sind freundlich, aber wortkarg und leben schon sehr lange alleine. Sie machen ihre Arbeit immer gemeinsam und verstehen sich ohne Worte hervorragend. Sie gehen darauf ein, das Mädchen bei sich aufzunehmen. Damit verändert sich Einiges auf der Farm der Alten.
Kent Haruf beschreibt das Leben in einer fiktiven Kleinstadt in Colorado, in der Nähe von Denver. Die Einwohner sind teilweise verschroben und haben noch nie viele Worte verloren. Er beschreibt seine Romanhelden mit knappen Worten und so Manches bleibt dem Leser verborgen. Alleine durch die Handlungen seiner Figuren, versteht man diese am Ende, oder kann seine Gedanken hinein interpretieren. Als Leser schwebt man förmlich über den Protagonisten.

Haruf schreibt, zart, humorvoll und unaufdringlich. Ich hatte ständig das Gefühl, über der Geschichte zu schweben. Immer wieder musste ich schmunzeln, vor allem über die McPherons-Brüder. Nie hatte ich das Gefühl, dieses Buch aus den Händen legen zu wollen. Die unaufgeregte Schreibweise, deutet auf einen Sturm hin, der aber niemals auftaucht. Trotzdem ist es auf keinen Fall langweilig und zieht einen magisch in diese Kleinstadt, mit dem Verlangen, mehr über seine Bewohner zu erfahren. Die Wortlosigkeit, die Stille und Weite spricht aus den Seiten.
Ein wunderbares Buch, mit der Erkenntnis, dass mit Worten und Taten Vieles geschaffen und verändert werden kann.
Roman aus dem Diogenesverlag
übersetzt von Rudolf Hermstein
384 Seiten
ISBN 978-3-257-07017-0
von Andrea Karminrot | Nov. 10, 2017 | Rezension, Roman |
Ein Roman von
Smith Henderson
Einsame Weite…
… bringt manch Einen auch schon mal um den Verstand und der Eine, lässt seinen Unmut an den Kindern, der Frau oder auch an Fremden aus. Montana ist ein sehr weitläufiges Land. Und ohne Aussichten, wenn man in einem Städtchen lebt, in dem die Arbeit knapp, die Armut groß, oder die Umstände nicht einfach sind. Pete Snow ist in einer solchen kleinen Stadt, Tenmile, von Bergen und Wäldern eingeschlossen, Sozialarbeiter. Er kümmert sich um die Kinder von alleinerziehenden, drogensüchtigen Müttern, gewalttätigen Vätern oder ihren Liebhabern. Er entscheidet, ob die Kinder noch bei den Eltern bleiben dürfen oder sie vorübergehend in Übergangsfamilien, oder was noch viel schlimmer ist, in Heimen untergebracht werden müssen.
Pete steckt selber in einer Krise. Seine Exfrau macht sich mit der gemeinsamen 13 jährigen Tochter aus dem Staub. Er erfährt erst spät, dass die Pubertierende davon gelaufen ist. Pete versucht, das Mädchen mit allen Mitteln zu finden. Nebenher hat er, als Sozialarbeiter, auch noch mit dem Sohn einer drogensüchtigen Mutter Ärger. Der Junge ist “unbezähmbar”, eckt überall an und stemmt sich mit aller Kraft gegen die Hilfe, die ihm Pete anbietet. Dann, gibt es noch den verwahrlosten Jungen Benjamin, der mit seinem scheinbar verrückten, unter Verfolgungswahn leidenden Vater in den unzugänglichen Bergen und Wäldern lebt, und den ein Geheimnis umgibt.

Das Buch macht nachdenklich. Es liest sich ganz wunderbar und manchmal kann man fast die Tannen riechen, die in den unberührten Landstrichen stehen. Die Geschichten allerdings, machen unendlich traurig, wieviel Leid in dieser Gegend zu herrschen scheint. Wieviel Armut und Gewalt.
Smith Henderson hat hier ein wirklich lesenswertes Buch geschrieben. Obwohl es 607 Seiten stark ist, ist es nie langweilig. Die drei Hauptgeschichten sind teilweise miteinander verwoben, so dass man auch nichts aus den Augen verliert.

Smith Henderson ist selbst in Montana aufgewachsen. War dort Sozialarbeiter und Gefängniswärter. Mir scheint, er hat seine Geschichten aufgeschrieben. Seine Art zu schreiben ist einfach mitreißend.
von Smith Henderson
Aus dem Amerikanischen von Walter Ahlers, Sabine Roth
Originaltitel: Fourth of July Creek
Originalverlag: Ecco
608 Seiten
ISBN: 978-3-630-87440-1
Verlag: Luchterhand Literaturverlag
von Andrea Karminrot | Okt. 17, 2017 | Rezension, Roman |
ein Roman von
Lindsey Lee Johnson
Kennst du ihn, den gefährlichste Ort der Welt?
Als wir Jugendliche waren, tobten wir uns ordentlich aus, wie die meisten unserer Freunde. Wir trafen uns auf Partys, knutschten mit Typen rum, die wir noch nicht so lange kannten. Tranken Alkohol, probierten hiervon und davon. Und das hatte zur Konsequenz, da ss man über dich redete. Das ärgerte, man versuchte beim nächsten Mal nicht wieder aufzufallen und die Momente der Zügellosigkeit verschwanden im Nirwana. Eine Zeitlang waren die Verfehlungen noch Thema, aber dann machte wieder jemand anderer Blödsinn und schon geriet man wieder in Vergessenheit.
Aber heute gibt es Facebook, Twitter und Konsorten. Es werden Bilder ins Netz gestellt, die “besten” Freunde lächerlich gemacht. Bloßgestellt, in Situationen gezeigt, die zu meiner Zeit nur ein kleiner Kreis zu sehen bekommen hätte. Zugänglich gemacht, für die ganze Welt. Menschen, die den Angegriffenen gar nicht kennen, mitkommentieren und die Seelen noch mehr angreifen. Man kann ja so einfach anonym bleiben. (Ob man dem Opfer diese Sätze und Worte auch direkt ins Gesicht sagen würde?)

Darum geht es in diesem Buch, wie sich Jugendliche in einem idyllischen Städtchen, in dem elitäre Eltern ihren Sprösslingen ein gemütliches, weichgespültes Leben ermöglichen, entwickeln. Welche Wege die jungen Menschen einschlagen, nachdem ein Mitglied ihrer Gemeinschaft sich das Leben genommen hat, an deren Entscheidung sie alle beteiligt waren. Eltern, die der Verantwortung für ihre Kinder nicht gewachsen sind oder keine Zeit für sie haben, so dass der Nachwuchs aus den Fugen gerät und zu unüberlegten Handlungen getrieben wird, oder gar in den Selbstmord.
Die Geschichte beginnt mit dem dreizehnjährigen Tristan, der einem Mädchen aus seiner Klasse, seine Liebe gesteht. Er schreibt einen Brief (einen richtigen Brief!). Sie zeigt diesen Brief ihrer besten Freundin. Widerlich, findet die es, macht sich lustig und drängt die Angebetete dazu, den Brief den Freunden zu zeigen. Doch damit, tritt sie einen Stein los, der nicht mehr aufhören will zu rollen. Bei Facebook wird der Briefeschreiber beschimpft, gemobbt und fertig gemacht. Und nicht nur von den Menschen, die ihn kennen. Es melden sich Menschen zu Wort, die weder den Liebenden, noch die Angebetete kennen. Am Ende springt der Junge von der Golden Gate Bridge, begeht Selbstmord. Das Mädchen macht sich ewig Vorwürfe und verantwortlich dafür, dass der Junge sich das Leben nahm. Wie es den Freunden, den Mobbern, damit geht, und welche Wege diese einschlagen, das wird in diesem Buch erzählt. Warum verhielten sich die Freunde so? Und warum unternahm keiner etwas?
Vorsicht, du wirst dieses Buch erst wieder aus der Hand legen, wenn du die letzte Seite gelesen hast.
Lindsey Lee Johnson schreibt sehr eingehend. Sie beschreibt die jungen Menschen sehr einfühlsam und klar. Gefühle, die ihre Protagonisten niemandem erzählen können, dürfen wir lesen. Ein Debütroman, der wirklich gelungen ist!

Autorin Lindsey Lee Johnson
Übersetzt von Kathrin Razum
Verlag dtv
ISBN 978-3-423-28133-1
304 Seiten
Verlinkt mit Buch und mehr
von Andrea Karminrot | Aug. 30, 2017 | Rezension, Roman |
ein Roman von
T.C. Boyle
1992 steht in Arizona, ganz in der Nähe von Tucson, eine Biosphäre. Eine Art Forschungsstation, die beweisen soll, dass es möglich ist, dass eine handvoll Menschen ohne Zufuhr von Lebensmitteln, Sauerstoff und sonstigen Dingen, überleben können. Die Menschen, die sich dort für zwei Jahre einschließen lassen, werden unter bestimmten Voraussetzungen ausgewählt. Und nur 8 werden die “Gewinner” sein. Unter welchen besonderen Gesichtspunkten die Terranauten ausgewählt werden ist nicht unbedingt ersichtlich. Sie müssen sich allerdings mit dem Erhalt dieser künstlichen Welt befassen können. Denn es wird nur den Strom von außen geben.

Erzählt wird diese Geschichte von drei Personen. Dawn, einer hübschen Frau, die sich selbstbewusst darstellt. Ramsay, einem Kerl, der keinem Rock widerstehen kann und schon bei der kleinsten Anmache nur an Sex denken muss. Und Linda, die sich für nichts zu schade ist. Sie erzählen ihre Sicht auf die Ecosphäre. Dabei wird auch recht schnell klar, wie der Mensch aufgebaut ist, voller Neid, Missgunst, Egoismus, Liebe und Selbstaufgabe.
T. C. Boyle hat hier ein interessantes Buch geschrieben, das Einblicke in die menschliche Psyche gestattet. Wie leicht Mensch sich manipulieren lässt und zu was er imstande ist. Unter welchen Bedingungen lässt die Nächstenliebe nach und wird zu purem Egoismus und Gehässigkeit.
Ein wenig hat mich der Roman an “Big Brother” erinnert. Der Blick in die Welt hinter dem Glas und mit Kameras überwacht. Nichts entgeht den Menschen außerhalb des Glashaus und alles wird von der Presse ausgeschlachtet und vermarktet.
Die Ecosphäre gab und gibt es tatsächlich. Sie steht in der Nähe von Tukson. Sie wurde tatsächlich zu Forschungszwecken dort gebaut und bewohnt. Ich habe nach der Lektüre von T. C. Boyle ein wenig im Internet gestöbert. Der Autor hat seine Geschichten um dieses Glashaus gesponnen.
Hanser Verlag
Übersetzt von Dirk van Gunsteren,
Fester Einband, 608 Seiten
ISBN 978-3-446-25386-5
ePUB-Format
ISBN 978-3-446-25559-3
Interessant auch die Rezension von Die Buchbloggerin und Readpack
Seite 7 von 11« Erste«...56789...»Letzte »