Rezension zu „Das Mädchen im Strom“

Dies ist die Geschichte einer jungen Frau, die 1920 in Mainz zur Welt kam und die das “Pech” hatte, die Tochter eines jüdischen Schuhhändler zu sein. Gudrun ist eine lebenslustige und mutige junge Frau, die durch den Fluss schwimmt, um sich an den Schleppkähnen hoch zu ziehen und sich zu sonnen. Natürlich bekommt sie für solche Eskapaden Ärger. Das macht ihr aber nichts und sie lässt sich bald andere Dummheiten einfallen. Als Hitler an die Macht kommt und Deutschland seine Juden einsperrt und vertreibt, flüchtet Gudrun, nachdem sie mehrere Haftstrafen verbüßt hat und sich mit der SS auseinander setze, nach Shanghai. 

Das Buch erzählt Gudruns Lebensgeschichte, die immer wieder “glückliche Fügungen” nahm. Gudrun scheint immer an die richtigen Menschen zu geraten zu sein. Stets war einer dabei, der das Mädchen durch Widrigkeiten schiebt und es ihr verhältnismäßig leicht macht. Nicht, daß es wirklich leicht war! Denn auch sie macht die Erfahrung, in einem Gefängnis zu sitzen oder in den Elendsvierteln von Shanghai.

Egal, sie war 21 Jahre alt, das richtige Alter, um endlich die Freiheit zu genießen, in Shanghai oder anderswo! Wenn schon kein sicheres Leben, dann wenigstens ein Aufregendes…
Seite 120

Was ich gut fand: Etwas über das Leben der Geflüchteten zu erfahren. Wie es Ihnen in den fremden Ländern, zwischen all den abweisenden Einwohnern, erging. Welche Erfahrungen die Menschen auf der Flucht vor den Nazis machten und welches Elend sie erlebten.. 
Außerdem gefiel mir, dass Gudrun eine beste Freundin hatte, die etwas mehr “Glück” hatte und nach Amerika ausgewandert ist. Die beiden Frauen schrieben sich über die gesamte Zeit ihres Lebens Briefe, die wir mitlesen durften. 
Was mir an dem Buch nicht gefallen hat: Wie die Geschichte erzählt wird. Irgendwie liest es sich wie eine Zusammenfassung, weniger als ein Roman. Ich fand die Story gut, aber die Umsetzung doch sehr abgehackt und ruppig. Irgendwie unrund. Gespräche der Protagonisten lesen sich, wie mitgeschnitten und wahllos zusammengesetzt. Manchmal wusste ich nicht, welche Figur gerade diesen einen Satz gesagt hatte und versuchte es mir zusammen zu reimen. Das störte den Lesefluss doch sehr. 
Fast emotionslos wird die Geschichte herunter gerattert, als blieben Gudruns Gefühle völlig auf der Strecke, als wäre Gudrun eine dumme Pute, die einfach nur Glück hatte. Schade, mit ein wenig mehr Gefühl, wäre es ein gutes Buch geworden. Am Ende, auf den letzten Seiten, durfte man dann endlich einen Blick in das Gefühlsleben der Protagonistin wagen. Erst auf den letzten 50 Seiten, habe ich mich mit dem Schreibstil angefreundet. Dann freundete ich mich mit dem Charakter der Hauptdarstellerin an und verstand die ruppige Art, in der Sabine Bode, die Autorin, das Buch verfasst hat. Nach dem Klappentext habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut und war dann etwas ernüchtert, als ich dieses Buch las.
Sabine Bode hat schon einige Bücher über seelischen Kriegsfolgen geschrieben. Ihre Bücher waren allesamt Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.  
Verlag Klett-Cotta

350 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-608-96200-0

Danke an Netgalley und den Klett-Cotta Verlag für dieses Leseexemplar

ein Buchclub auf Abwegen

Bücher schreiben, ist nicht leicht

Wie ist das eigentlich, wenn man Bücher schreibt, sie an einen Verlag schickt und dann das Manuskript  mit einer freundlichen Ablehnung zurück  bekommt? Da fühlt man sich doch echt traurig und deprimiert. Aber die Damen von dem Buchclub der Abgelehnten Autorinnen, feiern eine Party, wenn wieder eine Ablehnung ins Haus geflattert kommt. Janet ist kein Mitglied des Buchclubs. Sie ist die Bibliothekarin der Kleinstadt, auf einer Insel bei Washington. Sie lebt mit ihrem Mann in einem hübschen kleinen Häuschen und das einzige Problem was das Paar hat, ist ein Waschbär, der des Nachts die Mülltonne umkippt und ausräumt. Janet wird von Doris, der Chefin des Buchclubs, eingeladen an einem Treffen teilzunehmen. Die Damen erhoffen sich Hilfe von der “Buchfrau”. Dummerweise, hat Doris nämlich eine Zusage bekommen und das geht doch nicht! Ihr Roman ist so schlecht, dass den keiner lesen möchte. Um den schlechten Schinken  zurück zu bekommen, macht sich der Buchclub auf den Weg zu dem Verlag nach San Francisco und erlebt auf der Reise Einiges.

Die Autorin

Suzanne Kelman hat eine lustige Art ihren Figuren Leben einzuhauchen. Ihre Hauptfigur Janet Johnson, hat eine sehr lockere Art mit ihrer Umwelt umzugehen. Auch die burschikose Vorsitzende Doris besticht durch ihre spitze Zunge. Humor ist eine Hauptkomponente dieses Romans.  »Ein Buchclub auf Abwegen« ist  witzig und leicht zu lesen. Eine ganz herrliche Urlaubslektüre.
Die Autorin, Suzanne Kelman, ist eine mehrfach ausgezeichnete Drehbuchautorin. Julia Becker hat diese Buch übersetzt.
Ich habe die Vermutung, das dieses Buch gut zu verfilmen wäre. Wer weiß, vielleicht können wir es bald im Kino bewundern.
Klappenbroschur
Verlag Amazon

Das Nest

Die 4 Plumb-Geschwister erwarten ein Erbe, das sich gewaschen hat. Nur ist von dem Geld, das der Vater geschickt angelegt hatte und den Nachkommen erst zum 40sten Geburtstag der Jüngsten zur Verfügung stehen sollte, nicht mehr viel übrig. Schuld, hatte da wohl Leo, der Älteste. Durch einen Unfall, den er verursacht hatte, schrumpfte der Fond auf eine recht geringe Summe. Die Mutter, die bis dahin die Verwaltung des Geldes hatte, bezahlte das Opfer großzügig aus. Die restlichen Geschwister haben allerdings mit dem Erbe gerechnet und stecken nun in Schwierigkeiten. 
Ich habe mich mit dem Roman wirklich gut unterhalten. Leo, lässt keinen Rock aus den Augen, was ihn mehr als einmal in richtige Schwierigkeiten bringt. Aber frei nach dem Motto, aufstehen, Krone richten, weitermachen, zieht er seine Bahnen. Auch seine Schwester Bea, die sich für eine Schriftstellerin hält und von dem großen Durchbruch träumt, aber schon lange nichts gutes mehr geschrieben hat und Jack, der Antiquitätenhändler ohne Erfolg, erleiden einen mächtigen Dämpfer, als sie erfahren, daß sie nun doch nicht reich werden, um ihre Schuldenlöcher stopfen zu können. Melody, die Jüngste, zeigt sich gerne reich und gut gestellt. Dass sie im Grunde nur auf das Erbe wartet, erfährt man nur als Leser. 
Das Nest, ist demnach “nur” ein sattes Bankkonto, das durch 4 zu teilen wäre.



Ich fand es wunderbar, wie die Autorin alle auf die Schippe nimmt, sie bloßstellt und sich lustig macht. Sie beschreibt nicht nur die Geschwister in ihrer Welt auf Pump mit spitzer Feder, sondern noch etliche Nebendarsteller. Sie hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Zeigt auf, dass heute keiner mehr strampeln möchte und am liebsten einen warmen Geldregen erwartet, der einen wieder aus der Pampe hilft.

Was mir auch gut gefallen hat, ist dass es keine losen Ende gibt. Jede Geschichte wird zu Ende erzählt.

Das Nest, ist der erste Roman von Cynthia D’Aprix Sweeney. Als PR-Beraterin hat sie in New York gearbeitet, wo auch ihr Roman spielt. Ich hoffe sehr, dass sie weiter Bücher schreiben wird.

von Cynthia D’Aprix Sweeney
Übersetzt von Nicolai von Schweder-Schreiner
ISBN: 3608980008
Klett-Cotta Verlag
gebunden – 410 Seiten

Das ist ein „TierfreundBuch


Die Geheimnisse der Küche des mittleren Westens

Hast du schon mal etwas von Lutefisk gehört? Das ist ein Traditionsessen zu Weihnachten aus Norwegen. Lars kann diesen ganz hervorragend vorbereiten. Einziger Nachteil, Lars stinkt nach diesem Fisch und bekommt den Geruch nicht aus der Nase. Aufgrund von diesem Geruch, denkt er, nie eine Frau zu finden. Doch er sollte Glück haben und die großgewachsene Cynthia treffen, sie heiraten und mit ihr ein Kind, Eva bekommen. Cynthia verlässt allerdings die kleine Familie, bevor Eva überhaupt denken kann und Lars stirbt an einem Herzinfarkt kurz nachdem Cynthia auf und davon war. Eva wird unkompliziert an den Bruder von Lars weitergegeben und wächst so als Tochter von Jarl und Fiona auf.
Eva ist ein seltsames Mädchen. Sie ist hübsch, schlaksig, hat zu große Füße und interessiert sich ungemein für die gute Küche, den Anbau von Gemüsen und Kräutern. Sie hat einen ausgeprägten Geschmackssinn und probiert auch gerne neue Speisen, lässt sich inspirieren. Sie fällt in der Schule auf und wird nicht von jedem geliebt. Aber das stört das Mädchen fast nie. Sie findet einen Weg, sich zu bestätigen. 
Eva trifft auf Menschen, die ihr Leben bestimmen. Die nicht immer die beste Wahl sind, aber für Eva, Meilensteine zu ihrem späteren Wohlstand. Sie ist der Rote Faden durch dieses Buch, aber nicht in jedem Kapitel im Vordergrund. Ich finde es sehr geschickt gemacht, wie Eva immer wieder auftaucht aber nicht die Hauptrolle spielt. Die Kapitel strotzen vor Neid, Mißgunst und Mißbilligung. Die Akteure geben sich diesen Gefühlen hin und zeigen sich in ihrem eingeschränkten Leben. Der Leser bekommt einen ungeschönten Blick in die Wirklichkeit der Protagonisten. J.Ryan Stradal hat eine besondere Art zu schreiben. Mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor. Man findet schnell in die Story und hat wirklich Spaß am Lesen. 
Als Bonus gibt es das ein oder andere Rezept. Rezepte, die man durchaus probieren könnte. Interessante Kombinationen, mit denen Eva am Ende ihr Leben in unglaubliche Bahnen lenkt. 
Als ich den Klappentext las, war ich mir nicht schlüssig, ob ich dieses Buch lesen möchte. Man vermutet eine Familiengeschichte, ein MutterTochterDing, das sich aber so nicht im Buch wiederfand. Ein sehr kurzweiliges Buch, das auf jeden Fall gelesen werden sollte. 
J.Ryan Stradal  hat bisher nur dieses Buch herausgegeben. Ich hoffe, es war nicht das Letzte. Er schrieb allerdings Kurzgeschichten für Zeitschriften, produziert Fernsehserien und ist selber Lektor. 
Diogenes Verlag
Hardcover Leinen 
432 Seiten 

The Girls

Evie Boyd ist 1969 Vierzehn Jahre alt und wird von ihren Eltern eher vernachlässigt. Nicht, dass es dem Mädchen schlecht geht. Aber aber ihre Eltern sind mit sich selber so sehr beschäftigt, dass  sie gar nicht darüber nachdenken, was ihre Tochter den ganzen Tag über so anstellt oder wo sie die Nacht verbringt. Auch in der Schule wird Evie übersehen, ebenso die beste Freundin, so unscheinbar sind die Mädchen. Als Evie eines Tages, während der Ferien, im Park zwischen den  Familien sitzt, sieht sie dort drei völlig verrückte junge Frauen, die sie magisch anziehen. Ungekämmt, etwas frivol und aufmüpfig, machen die Drei sich über die Parkbesucher lustig. Evie ist fasziniert, besonders von der einen jungen Frau. So möchte sie auch sein, gesehen und wahrgenommen werden.

„In diesem Alter fühlte sich Traurigkeit so wie eine angenehme Gefangenschaft an: Man schmollte und bäumte sich gegen die Fesseln von Eltern, Schule und Alter auf, die Dinge, die einen an dem sicheren Glück hinderten, das einen erwartete. „(Seite 141)

Der Sommer ist heiß und langweilig. Evie wird das interessante Mädchen, Suzanne, wiedertreffen, sich von der jungen Frau mitnehmen lassen, auf eine Ranch. Dort leben die Bewohner in trautem Beisammen sein, voller Liebe, ohne Regeln und mit einer Menge Drogen. Evie möchte hier nicht mehr weg, denn hier wird sie in der Mitte aufgenommen, hier wird sie von Allen geliebt.  Blind, wie die Jugendlichen manchmal sind, stolpert sie in eine gefährliche Geschichte.

„Ich würde in ihrer Erinnerung verblassen – die Frau mittleren Alters in einem vergessenen Haus -, bloß eine geistige Fußnote, die in dem Maße schrumpft, wie ihr eigentliches Leben sich geltend macht. Mir war bis dahin nicht klar gewesen, wie einsam ich war. Oder etwas weniger Drängendes als Einsamkeit: Vielleicht das Fehlen eines auf mich gerichteten Blicks. „(Seite 134)

Die Story ist an die wahre Begebenheit Charles Manson angelehnt. Vieles ist „kopiert“,  aber aus der Sicht der erwachsenen Evie erzählt. Sie fühlt sich schuldig und ist immer noch auf der Suche nach Anerkennung.
Wie uns Emma Cline in das Jahr 1969 bugsiert, ist schon gut durchdacht. Ich hatte allerdings öfter das Problem, mich nicht in den Zeiten zurecht zu finden oder in den wirren Gedanken einer 14 Jährigen. Allerdings war dieser Roman eine einzige Sucht, die 352 Seiten sehr schnell gelesen. Kopfschüttelnd, habe ich die Verlorenheit und den Drogenkonsum Evie’s aufgenommen. Selbst die Hitze, die im Sommer 69 in Kalifornien herrschte, waberte aus den Seiten und lähmte das Denken, schien die Sinne zu benebeln.
Wer sich nicht mehr an Charles Manson erinnern kann, >HIER< findest du mehr über die Sekte. Auch bei Cline, ist es brutal. Allerdings läßt sie uns die Geschichte oft selber weiterspinnen, gibt uns nur den Einstieg, der Rest geschieht von alleine: Kopfkino! Sehr gelungen.
Ich brauchte nach diesem Roman erst einmal einige Verschnaufer, um die Lebensgeschichte zu verdauen. Ich kann es nur empfehlen.

Roman von Emma Cline
übersetzt aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
Erscheinungsdatum: 25.07.2016
352 Seiten
Hanser Verlag
Fester Einband
ePUB-Format
ISBN 978-3-446-25404-6