von Andrea Karminrot | Dez. 9, 2014 | Historie, Rezension, Roman |
von Sybil Volks
2009 wird das Soho Haus in der Torstraße 1 in Berlin Mitte eröffnet.
Ein Haus mit Geschichte. Es wurde 1929 als erstes Kreditkaufhaus Jonass in dem ärmeren Osten Berlins von dem jüdischen Kaufmann Golluber (in unserem Buch Grünberg) eröffnet. Damals schon ein imposanter Bau. Die Berliner konnten dort auf Kredit ihre Einkäufe bezahlen, was damals noch nicht üblich war, den Ärmeren aber auch mal schönes Porzellan oder ein Bett ermöglichten. Im Nazideutschland wurde es als Ausstellungsgelegenheit für die NSDAP missbraucht, nachdem der eigentliche Besitzer enteignet wurde und nach Amerika auswanderte. 1942 zog dann die Reichsjugendführung dort ein und nach dem Krieg der Präsident der DDR, bzw der SED Vorsitzende. Das Kaufhaus wurde zum “Haus der Einheit”. Letztendlich fand man dort auch das Institut für Marxismus-Leninismus.
Nach der Wende wurde das Gebäude an eine Englisch Deutsche Investorengruppe verkauft, die daraus das heutige Soho Haus machten.
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rechts Blick vom Nikolai Friedhof |
Elsa und Bernhard, sind die Hauptpersonen in unserem Buch und sie erzählen abwechselnd ihre Geschichten. An dem selben Tag geboren, zur Eröffnung des Kaufhauses, verbunden mit dem Gebäude. Bernhards Vater hat es gebaut und Elsas Mutter war die Geliebte von Harry Grünberg, dem Sohn des Kaufmanns. Wir erfahren einiges über die flotten Zwanziger, die Kriegsjahre, das Berlin auf der West- beziehungsweise der Ostseite vor und nach dem Bau der Mauer. Das Leben in der DDR und im Westen der Stadt, mit sammt seinen revoltierenden Jugendlichen. Die Gefühle der Betroffenen auf den beiden Seiten der Stadt als die Mauer ins wanken kam und schließlich fiel. Sybil Volks reißt uns durch 80 Jahre Geschichte in einem Tempo das nicht zu schnell erscheint. Eine wechselvolle Geschichte die anrührt und Emotionen weckt. Berlin hat sich in all den Jahren mehrmals verändert, so wie das Haus in der Torstraße 1. Am Ende wird alles gut oder anders. Mir gefiel es über meine Stadt zu lesen. Die Figuren in dem Buch waren plausibel. Manchmal hat es mich gestört, dass die Geschichte abrupt geendet hat und in einer anderen Zeit, auf der anderen Seite Berlins weiterging.
Für mich war es wieder ein Grund in die Torstraße zu fahren und mir das Soho Haus mal genauer anzusehen. es ist nicht hübsch. Eindrucksvoll vielleicht. Es steht an einer vielbefahrenen Kreuzung und wirkt tatsächlich aus verschiedenen Blickwinkeln wie ein Ozeandampfer. Ein Ozeandampfer der die Meere der Geschichte durchschifft…
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links Nikolai Friedhof, an dem Elsa öfter gewartet hat |
Verlag dtv
400 Seiten
auch als Ebook erhältlich
von Andrea Karminrot | Nov. 21, 2014 | Uncategorized |
Ein Mann geht durch die Straßen Berlins der zwanziger Jahre. Manchmal bleibt er stehen, greift in seine Taschen, zieht ein Beutelchen mit Sand heraus und streut ihn in auf die Straße, vermischt ihn mit dem Berliner Sand. Als man auf ihn aufmerksam wird, bringt man ihn in die „Rote Burg“, Berlins größte Polizeiwache dieser Zeit.
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Quelle: Zenodot Verlagsgesellschaft mbH, Postkarte, Fotograf unbekannt |
Dort sitzt er Franz von Treptow, dem leitenden Kommissar gegenüber. Der Mann scheint verdächtig, soll mal erzählen…und Jacob Tolmeyn erzählt seine Geschichte. Nicht alles was Tolmeyn denkt, bekommt der Kommissar zu hören. Wir dürfen es aber lesen. Jacob ist vorsichtig, Tolmeyn hat gelernt sich zu verstellen. Er ist schwul und in dieser Zeit ist das eine Straftat. Darauf steht Gefängnis. Er erzählt über seine Forschungsreisen nach Italien auf den Spuren Friedrichs II. und wie er sich verliebt…
Seite 157: „die Leiter richtet sich zitternd und schwankend auf, nähert sich Grad um Grad der Lotrechten. Sie bleibt so eine Weile, in delikater Balance, gelehnt auf ein luftiges, federndes Kissen.“
Gleichzeitig werden uns die Gedankengänge des Kommissars erzählt. Franz von Treptow hat auch eine Geschichte. Er war Hauptzeuge bei dem *Eulenburg Prozess*. Dabei ging es um „die Freunde“, Homosexuelle, rund um den Kaiser. Welche gefährlichen Einflüsse diese auf den Kaiser gehabt haben. Treptow ist einer, der sehr genau hinsieht und zuhört. Nach seiner Ansicht, verbirgt jeder etwas. Er weiß längst, auf welchem Ufer Tolmeyn unterwegs ist.
Seite 319: „die 3 ist doch eine vermaledeite Zahl, denkt er, vor allem die Zwei in der Drei, die die einsame Eins macht.“
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, es ist eines das man besser nicht weg legt. Es ist unglaublich blumig in alter Sprache geschrieben. Mit Worten, die teilweise schon fast vergessen sind. Das Buch verzaubert und entführt. Einmal darauf eingelassen, taucht man ab, in eine alte Zeit. Man begibt sich auf eine Reise durch Italien mit einem alten Bedaeker Reiseführer unter dem Arm. Wenn man das Buch aufmerksam liest bekommt man auch noch eine kostenlose Reise durch Norditalien mit dem Beadeker Reiseführer aus dem Jahre 1910. Eine schöne Reise, die man sich unter den heutigen Begebenheiten nicht mehr vorstellen kann.
Die Geschichte scheint manchmal schwebend, wenn Tolmeyn erzählt. Bodenständig, wenn der Kommissar denkt und berichtet. Poschenrieders Sprache schickt uns auf eine Zeitreise in das Leben vor 100 Jahren. Herr Poschenrieder hat mich eingewickelt mit seinen Sätzen.
»Das Sandkorn« wird nicht letzte Buch gewesen sein, dass ich von diesem Schriftsteller lesen werde.
Einige Male habe ich auch Wikipedia zu Rate gezogen, es tauchen alte Politiker und bekannte Personen in der Geschichte auf. Von dem Eulenburg Prozess hatte ich noch nie etwas gelesen, schade das man nur noch schlecht an die alten Zeitungsartikel heran kommt. In den Zwanzigern schwul oder lesbisch zu sein, stand unter Strafe, teilweise bis in die heutige Zeit. Und darum geht es in diesem Buch. Ich habe mir noch nie Gedanken um den Paragraphen 175 gemacht. Wusste nicht das er bis vor kurzem noch reell. Auf Wikipedia findet man mehr zum
Thema § 175
Diogenes Verlag
von Andrea Karminrot | Nov. 18, 2014 | Historie, Rezension, Roman |
Geboren, um zu Herrschen
von Peter Prange
Ein historischer Roman um das Leben von
Maximilian I. von Habsburg – der letzte Ritter
Sohn Kaiser Friedrich III. und Eleonore Helena von Portugal …
So könnte es weitergehen…,
in diesem Buch wird uns das Leben Maximilians viel leichter erzählt.
Maximilian verliebt sich in eine Frau, welche er nicht heiraten darf, da sein Vater ihn bereits an die schöne Maria von Burgund versprochen hat, um das römisch-deutsche Kaiserreich wieder aufzubauen.
„Bettelprinz“ wird Maximilian genannt, weil sein Vater ein wahrer Knauser war. Der Prinz war ein eindrucksvoller Mann, der Hufeisen mit bloßen Händen verbiegen konnte und bis auf seine Habsburger Nase auch noch schön war.
Es ist bestimmt nicht leicht, das Leben eines großen Herrschers wiederzugeben. Es ist aber, mit einigen Zudichtungen, Peter Pranges wahrlich gelungen. In seinem Buch, über die ersten Jahrzehnte aus dem Leben Kaiser Maximilian von Habsburg, schreibt Herr Prange uns durch die Geschichte. („Das Leben eines Menschen ist zu kurz, um das Leben dieses Mannes zu erfassen“, laut H. Wiesflecker, Nestor der Maximilian-Forschung).
Mit einer Leichtigkeit zeigt er ein Fenster zur Vergangenheit und führt durch Intrigen, Kriege und Politik zwischen Mittelalter und Renaissance. Seine Figuren in diesem Buch, sind größtenteils geschichtliche belegt. Um aber eine Geschichte zu schreiben, die trotz vieler Fakten auch noch mitreißend ist (ohne Frage, ist dieses Buch mitreißend!), fügt er einige erdichtete Figuren hinzu, die durch die Zeiten leiten.
Eine Lektüre die federleicht Geschichte lehrt.
Mir hat das Buch sehr gefallen. Trotzdem man mit enorm vielen Personen konfrontiert ist, habe ich den Überblick nicht verloren.
Schön ist auch der Stammbaum, eine geschichtliche Tabelle und eine Landkarte, die es mir erleichtert hat, die Feldzüge des Ritters zu verfolgen.
Maximilian selber hat dafür gesorgt, das man ihn nicht vergisst. Er ließ Bilder von sich und seinen Heldentaten durch namhafte Künstler anfertigen (Der Triumphzug) . Schrieb Heldengesänge, wofür er den Buchdruck förderte. Auch sein Grabmal in der Hofkirche zu Innsbruck, das er schon zu Lebzeiten errichten ließ, ist eindrucksvoll.
Wer mehr über Peter Prange erfahren möchte >klick< hier
Verlag : FISCHER Scherz
ISBN: 9783651000698
Fester Einband: 672 Seiten
von Andrea Karminrot | Okt. 30, 2014 | Kochbuch |
Von Su Vössing
Das Kochbuch beginnt mit einer Einleitung über gesunde Ernährung. Pro und Contra verschiedener Lebensmittel. Es folgt eine Erklärung über verschiedene Krankheitbilder bzw Beschwerden die uns im Laufe unseres Lebens erwischen können. Bettina Snowdon, die für die Texte und ökotrophologische Beratung zuständig ist, beschreibt die einzelnen Beschwerden und erklärt in einfachen Worten, für Laien verständlich, wie wir uns fühlen bzw was die Symptome sind und wie wir damit besser umgehen könnten. Sie gibt einen 6 Wochen Plan vor, nötigt aber nicht zu konsequenter Einhaltung. Sie gibt Tipps, und macht sehr gute Vorschläge für eine gut durchdachte Ernährung.
Allerdings wird es so manchem recht schwierig werden auf das „Gute“ zu verzichten. Merkt sie aber auch selber an.
Die Rezepte sind schön aufgemacht. Auf der rechten Seite findet man Bilder des Gerichts und links die Anleitung. Über den Rezepten sind nochmal die Beschwerden mit „+“ für gut und „-“ für nicht so geeignet zu finden. Dadurch kann man sich schnell orientieren ob für meine Wehwechen das Rezept das richtige ist. Zwei „+“ steht für besonders gut geeignet. Positiv finde ich auch das viele Rezepte entweder Fisch oder Tofu bzw fleischlos sind.
Ich habe einige Rezepte nachgekocht, ich fand sie sehen alle ausgesprochen ansprechend aus. Ich habe aber feststellen müssen, dass sie etwas verwirrend sind. So lässt sie uns den Fenchel schon mal kochen um ihn dann über ziemlich lange Zeit warm zu stellen. Da der in Salzlake eingelegte Fisch über 45 Minuten ziehen muss. Und nachdem ich den Fisch zubereitet habe, musste ich lesen, dass ich die geschälten Kartoffeln schon 30 Minuten hätte wässern müssen. Hier hätte ich das Rezept aufmerksamer lesen sollen, bevor ich Hals über Kopf loskoche.
Viele Zutaten hat man nicht zu Hause, aber auch das schreibt sie in ihrem 6 Wochen Plan. Erst mal alles raus aus den Schränken, was nicht „gesund“ ist. Da bleibt so manch einem nichts anderes übrig, als in einem Biomarkt bzw Wochenmarkt seines Vertrauens, einkaufen zu gehen.
Mein Fazit : ein schönes Kochbuch mit tollen Tipps und Anregungen. Eine super Einleitung, aber die Rezepte müssen, bevor gekocht wird, aufmerksam gelesen werden.
Noch etwas über Susanne Vössing. Mit 27 hat sie ihren ersten Michelinstern erhalten, damit war sie die jüngste Köchin die einen Stern dieser Kategorie erhalten hat. Wen es interessiert der kann bei Wikipedia mehr über sie erfahren.
Und über Bettina Snowdon findet man etwas auf ihrer Homepage
Das Kochbuch ist beim Verlag :
Becker-Joest-Volk erschienen
304 Seiten auf Deutsch geschrieben.
Das Buch ist 287mm x 228mm x 27mm groß
und hat ein Gewicht von 1600g
ISBN-13: 9783954530373
ISBN-10: 3954530376
Danke an den Verlag, das ich es ausprobieren durfte!
von Andrea Karminrot | Sep. 14, 2014 | Rezension, Roman |
Gebete für die Vermissten handelt davon, wie immer mehr Mädchen in Mexiko verschleppt und zur Prostitution oder zum Drogenhandel gezwungen werden. Es handelt davon, wie die Mütter versuchen, ihre Kinder vor dem Bösen zu schützen.
In Mexiko verschwinden, Jahr für Jahr, viele tausend Mädchen. Sie werden zur Prostitution gezwungen oder als Drogenkuriere missbraucht. Sie leben auf der Straße, oder in ärmlichen Verhältnissen, rundum Acapulco und Mexiko-Stadt. Kleine Mädchen müssen sich verstecken, schmutzig machen, verkleiden, um nicht entführt zu werden. Seit vielen Jahren kämpft die Polizei gegen Korruption und Drogen. Irgendwie scheint jeder, in diesem Sumpf verstrickt.
*Wir waren nur zwei Buchseiten in der Geschichte dieses Kontinents.Man hätte uns genauso gut rausreißen, zusammenknüllen und in den Müll werfen können.* Seite 167
Gebete für die Vermissten
Dieses Buch handelt von einem Mädchen, Ladydi, die mit ihrer alkoholkranken Mutter, Vaterlos, in der Nähe von Acapulco auf einem Berg, zwischen Skorpionen, Schlangen und Mohnfeldern, aufwächst. Wenn gegenüber, auf den anderen Hügeln, schwarze SUVs, mit getönten Scheiben auftauchen, verstecken sich die Mädchen in Erdlöchern. Im Hochsommer sitzen sie vor den Kühlschränken, wie vor einer Klimaanlage. Den Strom aus den Straßenlaternen gestohlen. Und manchmal verschwindet ein Kind. Da redet dann keiner darüber, das ist eben so. Oder eine Leiche wird im Dschungel gefunden, die keiner vermisst, die dann einfach verscharrt wird, damit nicht die Geier kreisen.
Ladydi, erzählt ihre Kindheit. Sie springt in ihren Erzählungen ständig hin und her. Sie erzählt, wie ihr die Gedanken im Kopf schwirren. Eben spricht sie von ihrer Schule, dann über ihre Mutter, um direkt über ihre Freundinnen zu reden. Sie berichtet über Kinder, die nur operiert werden, wenn die fliegenden Ärzte, durch Soldaten bewacht, in die Dörfer kommen. Lehrer (mal mehr, mal weniger motiviert), die für ein Jahr, Unterricht an zusammengewürfelten Schulen machen.
Wie ich dieses Buch empfunden habe: Es ist schnell. Und etwas wirr. Die Gedanken und Erzählungen von Ladydi sind oft so durcheinander, als hätte sie keine Zeit gehabt alles aufzuschreiben. Nach einigen Seiten habe ich mich allerdings daran gewöhnt und kann mit den Gedankensprüngen besser umgehen. Es ist spannend! Es fließt Blut und ist manchmal „unappetitlich“. Aber es ist kein Thriller, es ist das echte Leben.
Die Autorin Jennifer Clement
Für Gebete für die Vermissten recherchierte sie über zehn Jahre lang in der mexikanischen Provinz und führte Hunderte Interviews mit vom Drogenkrieg betroffenen Mädchen und Frauen. 2009-2012 war sie Präsidentin des Mexikanischen PEN.
(Autorenvereinigung Pen tritt für die Freiheit der Sprache ein. Freies Wort Pen steht für poets, essayists, novelists (zu Deutsch etwa: Poeten, Essayisten, Romanciers). Von ihrer Gründung im Jahre 1921 an setzte sich die Schriftstellervereinigung für die Freiheit der Meinungsäußerung und für Völkerverständigung ein. Weltweit sind bei Pen mehr als 140 Schriftstellerorganisationen aus 101 Nationen vereinigt.)
Wer noch mehr schöne Bücher sehen will, der schaut bei Nicole vorbei.
Nicole sammelt dort die Bücher des Monats September!
Gebete für die Vermissten
Ein Roman von Jennifer Clement
Suhrkamp Verlag
Seiten: 229
ISBN: 978-3-518-42452-0
Erscheinungsdatum: 15.09.2014