Der große Nordwesten

Der große Nordwesten beginnt im schönen Kalifornien, Ende der 1930 Jahre, an einem Strand. Dort wird nach einem ausgelassenen Fest ein Mann aus dem Wasser gezogen. Ein Anblick, der sich der kleinen Jessie einprägt. Sie ist die Sechsjährige Tochter dieses Mannes.
Doch lange kann das Mädchen nicht zusehen, wie „der Wal“ aus den Fluten geborgen wird. Ihre Mutter packt kurzerhand nur Kleinigkeiten zusammen und flüchtet mit dem Kind. Sie tauschen ihr teures Auto gegen ein Schlechteres. Die Beider schlafen in kleinen Pensionen und ziehen immer weiter Richtung Kanada. Lorna und Jessie sind auf der Flucht. Die Reise geht über das eisige Wasser an der Küste Alaskas entlang, bis sie wieder auf dem Festland weiter in die Wildnis hinein fahren.

Seite 50: Wie durch Zauberhand erstreckte sich das ruhige Meer unter einem wolkenlosen Himmel: Azurblau, Kobaltblau, Silberblau, Türkisblau, Opalblau – die gesamte Blaupalette des Universums war vertreten, unendlich nuancenreich, und von der strahlenden Sonne mit glitzernden Goldpailletten versehe…

Mut zur Wildnis

Der große Nordwesten ist wunderschön und gefährlich. Aber das hält die hübsche Lorna nicht auf. Sie besorgt sich einen Pickup und fährt mit dem Mädchen über einen Trampelpfad, der in späteren Jahren einmal zu einer Landstraße ausgebaut würde, durch die Berge. Lorna hat eine Winchester, eine gezeichnete Karte dabei und genügend Mut sich allen Widrigkeiten zu stellen. Mutter und Tochter treffen mitten in der Wildnis auf Kaska einer Gwich’in, die sie retten und die ihnen eine Unterkunft und Versteck bietet.

Der große Nordwesten ist eines der Bücher, in die man sich erst hinein lesen muss. Es braucht seine Zeit, bis man sich in dem Roman wohl fühlt. Aber dann ist man gefangen, wenn die kleine Jessie die Flucht mit ihrer Mutter dem Mann erzählt, der die Geschichte aus seiner eigenen Erinnerung aufschreibt. Es ist ein Roadmovie, eine Gangstergeschichte oder auch eine Eroberung. Es ist eine Reise durch das ungestüme, noch ungezähmte Kanada, voller Geister und wilden Tieren. Der große Nordwesten in seiner vollen Schönheit.

Jessie, die von den Gwich’in Fuchsnase genannt wird, beschreibt ihre Flucht mit dem Wissen einer Sechsjährigen und dem Unwissen eines Kindes. Fantasie und Wirklichkeit vermischen sich. Heraus kommt eine unglaubliche Geschichte, in der sich die Wirklichkeit sacht heraus schält und den Leser immer wieder mit neuen, erstaunlichen Eindrücken überrascht.
Auf die poetischen Sätze muss man sich einlassen. Dann findet man sich in einer entsetzlich, zauberhaften Welt einer intelligenten Sechsjährigen wieder, erzählt von einer Erwachsenen.

Seite 261: Meine kurze Vergangenheit als unwissendes Kind war angefüllt von eingebildeten und gewinnbringenden Erlebnissen.

Rubi und ich geben diesem Buch gerne 🐭🐭🐭🐭 Es war eine wunderbare Reise. Dieser Roman steht natürlich auch in dem Januar-Regal

Der große Nordwesten

Ein Roman von Anne-Marie Garat
aus dem Goya Verlag
ISBN: 9783833742811
432 Seiten

„Niemals ohne sie“ ein Roman {Rezension}

„Niemals ohne sie“

Ein Roman von Jocelyne Saucier


Jocelyne Saucier schrieb eine Geschichte, die einem den Atem raubt. Inmitten einer Kleinstadt steht ein baufälliges Haus, in dem es vor Kindern nur so wimmelt. 21 Kinder umfasst die Familie Cardinal. Die Kinder umsorgen und bekämpfen sich. Sie sind ein Clan, eine Gemeinschaft und etwas Besonderes. Die Mutter spielt eine leise Rolle, während der Vater, der Erzsucher sich um die Kinderflut gar nicht kümmert.

Die Kleinsten werden von den Größeren erzogen, die ihnen die Welt erklären. Sie sind wild, sind anders, sind Helden. Die Familie fällt einfach auf und ist arm, aber das stört sie nicht, denn sie sind Außergewöhnlich. Der Vater entdeckte ein riesiges Zinkvorkommen und verkaufte sein Wissen an eine Minengesellschaft. Als dann nach Jahren die Mine geschlossen wurde, verwahrlost die Kleinstadt. Viele der Bewohner, die etwas mit der Mine zu tun hatten, zogen weg. Die Cardinals waren die Aufmüpfigen zwischen den „Landeiern“, den Landarbeitern. Sie ärgerten, zerstörten und quälten die restliche Bevölkerung. Sie waren wild und unberechenbar.

Nach und nach zog es die Cardinalskinder in die Welt. Sie wurden Ärzte, Bänker, Kaufleute, Trinker und Loser. Jeder suchte sich seine Nische und hielt, mehr oder weniger den Kontakt. Als der Vater, nach Jahren, eine Auszeichnung erhalten soll, tauchen die Geschwister zu der Verleihung auf. Doch nie stehen sie, wie zu einem Familienfoto, beisammen. Denn dann, würde ein Geheimnis auffliegen, über das die Familie nicht redet.

Dieser Roman handelt von einer Familie mit Geheimnissen. Schon wieder könnte man denken. Doch ist er sehr mitreißend, witzig, traurig und erschreckend erzählt. Ich konnte das Buch kaum weglegen. Die Geschwister bezauberten mich, trotz all der Hässlichkeit, die an das Licht gezogen wird. Aus der Sicht der verschiedener Geschwister erzählt, bekommt die Story einen besonderen Klang.

Nicht ohne sie, …ohne die Geschwister? Ohne die Schwester? Ohne Bruder? Ohne die Familie? Lies es selber …

Die Autorin…

1948 geboren. lebt in einem abgeschiedenen Ort im nördlichen Quebec. Ihren letzten Roman von 2015 (Insel Verlag) Ein Leben mehr, wird derzeit verfilmt.

Die Übersetzer…

Sonja Finck übersetzt aus dem Französischen und Englischen und lebt in Berlin. Frank Weigand lebt ebenfalls als Übersetzer und Kulturjournalist in Berlin.

Dieses Buch gehört auf jeden Fall zu meinen Lieblingsbüchern und Leseempfehlungen.