Die Frauen der Familie Carbonaro

Die Frauen der Familie Carbonaro, ist der zweite Teil der Familien-Saga einer sizilianischen Familie. Pina, geboren 1884, ihre Schwiegertochter Anna (*1913) und die Enkelin Maria (*1933) treffen den Erzähler auf Sizilien in einer alten Villa mitten in Catania. Es ist staubig in dem alten Haus, die typische sizilianische Sonne scheint durch verschlissene Vorhänge und alles scheint sehr unwirklich. Doch die drei Frauen wollen dem Erzähle ihre Geschichten vortragen. Geschichten, die einem teilweise die Haare zu Berge stehen lassen.

Die Frauen der Familie Carbonaro

Pina ist die Tochter des Mafioso Dottore Passalacqua. Unter seiner Fuchtel hatte das Mädchen kein leichtes Leben. Abgesehen davon, dass das Land arm war, die Menschen vor Krankheit starben oder auswanderten, gab es noch Hierarchien, welche Frauen auf die niedrigste Stufe setzte. Gut genug dem Mann das Essen zu bereiten, sich um die Kinder zu kümmern, den Haushalt zu führen. Aber Rechte hatten sie keine. Sie wurden von den eigenen Vätern vergewaltigt, verscherbelt und ausgenutzt. Frauen mit Verstand, das gab es in den Männeraugen nicht. Aber Pina stammt von den Nymphen und Sirenen ab, sie hat einen zweiten Schatten, sie war etwas Besonderes, wie die meisten Frauen der Familie Carbonaro waren.

Anna heiratet den Sohn von Pina und Barnaba Carbonaro. Sie bringt Freude in den Haushalt der verbitterten Pina. Und doch wird sie nicht lange bleiben. Sie wird ihrem Mann und dem Schwiegervater nach München folgen. Mitten hinein in die Zeit, als die Nazis an der Macht waren, Bomben auf die Stadt fallen und Menschen einfach abgeholt werden und verschwinden. Auch Anna hat einen zweiten Schatten, der sich in der deutschen Stadt allerdings nicht zeigt. Dafür lernt Anna, dass sie sehr wohl eine Stimme hat und sich gegen die Gepflogenheiten der Männer auflehnen kann.
Und dann ist da noch Maria Pinas Enkelin, Annas Tochter. Sie wächst in München auf, ist mehr deutsch als Sizilianerin, muss aber auch feststellen, dass Frau nichts wert sind. Und doch setzt sie sich durch.

„Wer sind wir? Das sei die ewige Frage der Sizilianer, hat Barnaba immer gesagt, aber in Wahrheit ist es die Erzählung aller Männer. Männer verbringen ihr ganzes Leben damit, zu hadern, wer sie sind. Sie bekämpfen Windmühlen und halten sich für Ritter.  Wir Frauen sind die Sancho Panzas dieser Welt. Die den Laden am Laufen halten und das Gleichgewicht herstellen, immer und immer wieder“

Seite 436

Sizilien und die Frauen

Mich erschrecken solche Geschichten immer wieder. Wie konnten die Frauen das damals aushalte? Angefasst und benutzt werden, ohne dass man sich wehren durfte und konnte. Wer seine Unschuld verlor, war noch weniger wert. Die Väter bestimmten, was aus einer Tochter wurde, egal welche Wünsche das Mädchen selber hatte.
Mich hat dieses Buch gefesselt. Mario Giordano hat den Ton der Frauen recht gut getroffen, zeitweise hatte ich nicht das Gefühl, dass hier ein Mann den Roman geschrieben hätte. Die Kapitel sind nicht in der Reihenfolge. Sie springen zwischen den Frauen und Zeiten hin und her. Erst später kommt Marias Erzählung noch dazu.

In diesem Buch geht um Liebe, Hass und Eifersucht. Um Sizilien, Gespenster, Aberglaube und Sehnsüchte. Die Emanzipation und das freie Leben. 70 Jahre einer Familie, die sich leicht lesen lassen und auch einen angenehmen, feinen Spannungsbogen hat. Ich finde, dass Buch hat 🐭🐭🐭🐭 verdient.

Der Autor

Bisher habe ich von Mario Giordano nur einen Krimi gelesen. Tante Poldi und die Früchte des Herrn fand ich sehr witzig. Hier hat er aber auch bewiesen, dass er auch gute Romane schreiben kann. Die Frauen der Familie Carbonaro ist ja nicht der erste ernste Roman. Mario Giordano ist vielseitig, schreibt Drehbücher (unter anderem für den Tatort), Kinder- und Jugendbücher. 

 

Die Frauen der Familie Carbonaro

Ein Roman von Mario Giordano 
aus dem Goldmann Verlag
512 Seiten
ISBN: 978-3-442-31568-0

Die Champagner Fürstin

Magst du auch gerne Champagner trinken? Ist ja auch nicht jedermanns Sache. Ich mag es! Champagner ist aber auch nicht einfach nur ein Schaumwein. Nur der prickelnde Genuss aus der Champagne darf sich so nennen. Nun habe ich ein Buch über die Anfänge der Champagnerproduktion gelesen. Die Champagner Fürstin erzählt die Geschichte zweier Frauen, die sich einen Namen damit gemacht haben, den besten Champagner Welt zu vertreiben. Und das zu einer Zeit, als Frauen noch mit Häubchen und gesittet gesenkten Blick, hinter ihrem Mann standen. Barbe-Nicole Clicquot und die frisch verwitwete Jeanne Pommery erzählen sich gegenseitig ihre Lebensgeschichten.

Die Champagner Fürstin

Wie gesagt, recht ungewöhnlich für ihre Zeit. Denn Barbe-Nicole Ponsardin (Clicquot) ist 1778 in Reimes, Frankreich geboren. Sie war 11 Jahre alt, als sich das gemeine Volk gegen den Adel und die Kirche erhob. Sie hatte Glück, dass eine loyale Schneiderin sie aus dem Kloster holte, bevor der Pöbel den Nonnen zeigte, was der Pöbel von ihnen hält.

Barbe-Nicole Clicquot hatte aber auch das Glück, einen Vater zu haben, der ihr Talente unterstützte. Sie war so gut in der Buchhaltung, dass ihr Vater, der Tuchhändler war, sie gerne im Büro mitarbeiten ließ. Als sie den Weinhändler François Clicquot heiratete, konnte sie ihre Fertigkeiten unter Beweis stellen. Denn ihr Mann vertraute ihr, fragte sie nach ihrer Meinung und machte große Pläne.

Champagner und Geschichte

Es hat mich gleich zwischen die Seiten gezogen, die Geschichten um die beiden Champagnerfürstinnen. Spannend erzählt und unglaublich informativ. So viel habe ich noch gar nicht gewusst, wo ich doch das teure Getränk gerne trinke. Jetzt sehe ich jedes Glas mit anderen Augen. Schade war nur, dass man nicht so viel über Jeanne Pommery erfährt. Was allerdings auch kein Wunder ist, da über diese Frau nicht sehr viel in den Geschichtsbüchern steht.

Die Autorin hat viele Fakten zusammen getragen. Daraus dann eine angenehme Geschichte gesponnen, die es mir nicht leicht gemacht hat, das Buch aus der Hand zu legen. Manchmal hatte ich das Bedürfnis ein Glas des prickelnden Weines zu trinken. Mir war die Figur der Barbe-Nicole, und ohne ein Geheimnis zu verraten, ihres treuen Freundes Maurice sehr sympathisch. Aber auch Jeanne Pommery hatte ihre kleinen Auftritte. Alles in allem ein gelungenes Buch, das nicht nur aus Fakten besteht und sich obendrein sehr unterhaltsam lesen lässt.

 

 

Die Champagner Fürstin

Annette Fabiani
Aus dem Goldmann Verlag
528 Seiten
ISBN 978-3-442-4926

Der Weg nach Hause

Der Weg nach Hause ist der dritte Roman, den Sofia Lundberg geschrieben hat. Ich bereue es, dass ich die anderen Bücher noch nicht gelesen habe. Sofia Lundberg schreibt magische Worte, die ihre Leser in ihre Bücher zu saugen scheinen. Kaum, dass man die ersten Worte gelesen hat, befindet man sich direkt mitten in Schweden und liebt die erdachten Figuren. Diese sind so lebendig und liebevoll gezeichnet, dass man glaubt, sie schon ewig zu kennen. Bücher mit Sogwirkung!

Der Weg nach Hause

Der 12. August. So lautet jede Überschrift in diesem Buch. Nur die Jahreszahlen und Uhrzeiten ändern sich. Schweden 2019. Viola ist in ihrem Haus in Visby auf Gotland, in Strandnähe. Ihre Familie macht gerade wieder einmal Urlaub in dem alten, schönen und großen Haus. Sie sind gerade alle an den Strand gegangen, nur Viola ist lieber im Schatten geblieben. Das Telefon klingelt. Am anderen Ende ist Lilly, die beste Freundin aus Kindertagen. Sie ruft aus Paris an und es ist das erste Lebenszeichen seit Jahren, das Viola von Lilly erhält. Allerdings ist es auch ein seltsamer Anruf. Lilly erklärt Viola das sie heute am 12. August in Paris sterben wird. Damit endet der Anruf auch schon. Viola ist völlig durcheinander. Sie sitzt in ihrem Sessel und die Erinnerungen an die Freundin steigen in ihren Gedanken hoch…

Der 12. August 1949, ist ein wunderschöner Sommertag auf der schwedischen Insel. Die Kinder, Viola und Lilly und Lillys zahlreichen Geschwister, spielen Verstecken. Kichernd und lachend, voller Lebenslust sind die Kinder, als der Vater von Lilly mit einem Bündel Mensch aus dem Haus kommt. Irgendwie scheint plötzlich alles falsch zu sein scheint. Die Mutter ist gerade eben unter der Geburt von dem jüngsten Geschwisterchen gestorben. Damit ändert sich das fröhliche Leben Lillys und deren Geschwister.

Alle müssen mit anpacken. Die lebenslustige Lilly kann sich aber manchmal einen Freiraum schaffen und ihre beste Freundin auf dem Nachbargrundstück besuchen. Während die eigene Familie auf jede Öre achten muss, gibt es bei Viola so viel, dass Lilly sich dort satt essen kann. Aber nicht nur das, Lilly singt engelsgleich, was ihr auch durch manches hindurch hilft.

Das Leben geht weiter…

… und immer am 12. August, geschieht wieder etwas, dass das Leben der Mädchen verändert.
Und nun, 2019, dieser Anruf, dass Lilly heute sterben wird. Viola wandert durch ihr eigenes Haus und denkt über die Vergangenheit nach. Sie geht auf den Dachboden und sucht nach Dingen, die sie an die Freundin erinnern. Dabei wandern ihre Gedanken. Es ist der 12. August, als sie auf einer Tanzveranstaltung waren. Der 12. August, als Lilly’s Arbeitgeber verhaftet wurde, weil er einen Mord begangen haben soll und der 12. August, als Lilly mit ihrem Bruder nach Paris verschwand.

Dieses Buch ist es wert gelesen zu werden. Diese Geschichte ist einfach unglaublich mitreißend und macht, das man sich auf der schwedischen Insel einfach glücklich fühlt. Gleichzeitig baut die Autorin einen Spannungsbogen auf, der es unmöglich macht, das Buch aus den Händen zu legen! Es wird auf jeden Fall eines meiner Lieblingsbücher bleiben und steht nun in den Viel zu viele Bücher im September. Eine andere schöne Rezension zu Der Weg nach Hause, habe ich bei Yvonne (Buchbahnhof) gefunden

 

Der Weg nach Hause

Ein Roman von Sofia Lundberg
Aus dem Schwedischen von Kerstin Schöps
Goldmann Verlag
368 Seiten
ISBN: 978-3-442-31643-4

Das Leben ist zu kurz für Irgendwann

Das Leben ist zu kurz für irgendwann, das muss auch die irische Terry feststellen. Als sie ihre beste Freundin Iris besuchen möchte, findet sie das Haus aufgeräumt und verlassen vor. Sehr seltsam, weil doch Iris nicht zu den besonders ordentlichen Menschen gehört. Und dann findet sie im Arbeitszimmer zwei Umschläge. Einen an sie selber adressiert und einen an Iris Mutter. Sie reißt den Umschlag auf und findet eine Art Abschiedsbrief. Herrjeh, was hatte denn nur ihre Freundin vor? Aus Versehen leuchtete dann der Laptop auf und Terry erkannte, dass ihre Freundin heute mit der Fähre nach London übersetzen wollte. Terry ist fest entschlossen Iris von ihrem Vorhaben abzubringen. Sie fährt so schnell sie kann in den Hafen, um ihre Freundin dort abzufangen. Mit im Auto sitzt der demente Vater von Terry, den sie kurz bevor sie Iris besuchen wollte aus dem Pflegeheim abgeholt hatte.

Das Leben ist zu kurz für Irgendwann das Cover

Iris hat MS. Eine schleichende Krankheit, die ihr jeden Lebenskomfort so nach und nach abspricht. Vor einem Jahr noch, konnte sie ohne Hilfe laufen. Heute geht sie mühsam an Krücken. Iris weiß was sie noch erwarten wird und so will sie dem Ganzen ein Ende machen, bevor sie hilflos zur Last wird. Sie hat sich dazu entschlossen, in die Schweiz zu reisen und sich dort das Leben zu nehmen.

Terry ist eine pedantische Person. Iris und sie sind seit einigen Jahren dicke Freundinnen und könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Iris das Leben liebt und es in vollen Zügen genießt, ist Terry ständig damit beschäftigt sich Gedanken um die Folgen jedes Handgriffes zu machen. Selbst wenn sie sich Kleidung kauft, überlegt sie wie sie die am Ende waschen und bügeln muss. Immer macht sie sich um ihre erwachsenen Töchter Gedanken und ihr Leben ist absolut durchorganisiert. Im Grunde lebt sie freudlos vor sich hin ohne es zu merken. Auch die Beziehung zu ihrem Mann scheint in einer Sackgasse zu stecken

Das leben: Zwei kleine Schattenfrauen mit einem Rollkoffer vor einem blauen mit Blumen geschmückten Hintergrund

Iris lässt sich dazu überreden, dass sie ihre Freundin Terry nebst dem dementen Vater bis zur Schweizer Grenze begleiten dürfen. Aber nur bis dahin und über ihr Vorhaben wird nicht geredet. Die Reise wird zu einer persönlichen Entdeckung für Terry. Sie lernt das Leben zu genießen. Sie reflektiert sich, verändert sich mit jedem Kilometer, den die Drei sich der Schweizer Grenze nähern.

Mein Eindruck

Ich habe das Buch innerhalb kurzer Zeit verschlungen. Das lag wohl einerseits daran, dass der Text keine großen Ansprüche stellt. Der Roman liest sich so herrlich schnell und unterhaltend. Ist an vielen Stellen sehr lustig und doch immer wieder sehr tiefgründig.

Was aber noch mehr überzeugt hat, war das Thema. Eine Frau die schwer genug erkrankt ist und sich zum Suizid entschließt. Eine wirklich mutige Entscheidung, die immer noch nicht gut geheißen wird. Aber wer will schon vor sich hin vegetieren, abhängig von dem Goodwill der Pflegenden. So lange man sich noch entscheiden kann und es äußern kann, sollte es doch jedem offen stehen! Daneben die Gefühle der Freundin, die mit ansehen muss, wie eben diese in den Tod gehen will. Als liebender Mensch daneben zu stehen und Händchen zu halten, während man doch noch den so agilen Körper der Person wahrnimmt. Schwer los zu lassen und Abschied in Frieden zu nehmen.

 

 

Ein Roman von Ciara Geraghty
Übersetzt von Sibylle Schmidt
ISBN: 9783442315550
384 Seiten
Goldmann Verlag

Ein anderes Buch vom Leben und dem Tog ist Lebensgeister von Banana Yoshimoto