Die Frauen der Familie Carbonaro

23.04.2024 | Historie, Rezension, Roman | 0 Kommentare

Die Frauen der Familie Carbonaro, ist der zweite Teil der Familien-Saga einer sizilianischen Familie. Pina, geboren 1884, ihre Schwiegertochter Anna (*1913) und die Enkelin Maria (*1933) treffen den Erzähler auf Sizilien in einer alten Villa mitten in Catania. Es ist staubig in dem alten Haus, die typische sizilianische Sonne scheint durch verschlissene Vorhänge und alles scheint sehr unwirklich. Doch die drei Frauen wollen dem Erzähle ihre Geschichten vortragen. Geschichten, die einem teilweise die Haare zu Berge stehen lassen.

Die Frauen der Familie Carbonaro

Pina ist die Tochter des Mafioso Dottore Passalacqua. Unter seiner Fuchtel hatte das Mädchen kein leichtes Leben. Abgesehen davon, dass das Land arm war, die Menschen vor Krankheit starben oder auswanderten, gab es noch Hierarchien, welche Frauen auf die niedrigste Stufe setzte. Gut genug dem Mann das Essen zu bereiten, sich um die Kinder zu kümmern, den Haushalt zu führen. Aber Rechte hatten sie keine. Sie wurden von den eigenen Vätern vergewaltigt, verscherbelt und ausgenutzt. Frauen mit Verstand, das gab es in den Männeraugen nicht. Aber Pina stammt von den Nymphen und Sirenen ab, sie hat einen zweiten Schatten, sie war etwas Besonderes, wie die meisten Frauen der Familie Carbonaro waren.

Anna heiratet den Sohn von Pina und Barnaba Carbonaro. Sie bringt Freude in den Haushalt der verbitterten Pina. Und doch wird sie nicht lange bleiben. Sie wird ihrem Mann und dem Schwiegervater nach München folgen. Mitten hinein in die Zeit, als die Nazis an der Macht waren, Bomben auf die Stadt fallen und Menschen einfach abgeholt werden und verschwinden. Auch Anna hat einen zweiten Schatten, der sich in der deutschen Stadt allerdings nicht zeigt. Dafür lernt Anna, dass sie sehr wohl eine Stimme hat und sich gegen die Gepflogenheiten der Männer auflehnen kann.
Und dann ist da noch Maria Pinas Enkelin, Annas Tochter. Sie wächst in München auf, ist mehr deutsch als Sizilianerin, muss aber auch feststellen, dass Frau nichts wert sind. Und doch setzt sie sich durch.

„Wer sind wir? Das sei die ewige Frage der Sizilianer, hat Barnaba immer gesagt, aber in Wahrheit ist es die Erzählung aller Männer. Männer verbringen ihr ganzes Leben damit, zu hadern, wer sie sind. Sie bekämpfen Windmühlen und halten sich für Ritter.  Wir Frauen sind die Sancho Panzas dieser Welt. Die den Laden am Laufen halten und das Gleichgewicht herstellen, immer und immer wieder“

Seite 436

Sizilien und die Frauen

Mich erschrecken solche Geschichten immer wieder. Wie konnten die Frauen das damals aushalte? Angefasst und benutzt werden, ohne dass man sich wehren durfte und konnte. Wer seine Unschuld verlor, war noch weniger wert. Die Väter bestimmten, was aus einer Tochter wurde, egal welche Wünsche das Mädchen selber hatte.
Mich hat dieses Buch gefesselt. Mario Giordano hat den Ton der Frauen recht gut getroffen, zeitweise hatte ich nicht das Gefühl, dass hier ein Mann den Roman geschrieben hätte. Die Kapitel sind nicht in der Reihenfolge. Sie springen zwischen den Frauen und Zeiten hin und her. Erst später kommt Marias Erzählung noch dazu.

In diesem Buch geht um Liebe, Hass und Eifersucht. Um Sizilien, Gespenster, Aberglaube und Sehnsüchte. Die Emanzipation und das freie Leben. 70 Jahre einer Familie, die sich leicht lesen lassen und auch einen angenehmen, feinen Spannungsbogen hat. Ich finde, dass Buch hat 🐭🐭🐭🐭 verdient.

Der Autor

Bisher habe ich von Mario Giordano nur einen Krimi gelesen. Tante Poldi und die Früchte des Herrn fand ich sehr witzig. Hier hat er aber auch bewiesen, dass er auch gute Romane schreiben kann. Die Frauen der Familie Carbonaro ist ja nicht der erste ernste Roman. Mario Giordano ist vielseitig, schreibt Drehbücher (unter anderem für den Tatort), Kinder- und Jugendbücher. 

 

Die Frauen der Familie Carbonaro

Ein Roman von Mario Giordano 
aus dem Goldmann Verlag
512 Seiten
ISBN: 978-3-442-31568-0

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