Insel am Rand der Welt

Auf der Insel am Rand der Welt leben im Frühling unendlich viele Eiderdaunenenten. Eine Insel, die aus der Zeit geschnitten zu sein scheint. Ohne Strom ohne Kanalisation. James Rebanks ist ein englischer Schafzüchter. Er lebt auf einer Farm, die seine Familie schon seit 600 Jahren bewirtschaftet und er ist Autor. Rebanks bekommt die Chance, auf einer der entlegensten norwegischen Inseln einen kompletten Frühling zu verbringen. Seine Reise führt ihn zunächst nach Vega, um dort auf Anna zu treffen, die mit ihm das nächste viertel Jahr verbringen wird. Zusammen mit vielen Eider-Enten und einer gewaltigen Natur.

Vega ist einer der größeren Orte auf den Inseln des Vega – Archipel. Einer der letzten größeren Orte am Rand der Welt. Rebanks hatte keine Ahnung, was ihn dort erwarten würde. Während einer Präsentation wurde der Autor auf die entlegensten Inseln aufmerksam gemacht. Inseln, auf denen meistens Frauen leben. Diese Frauen sind dort im Frühling, ohne Strom, ohne jeglichen Komfort. Sie bauen die Behausungen und die Nester für die Enten. Sie passen darauf auf, dass die Enten in Ruhe brüten, vor Fressfeinden geschützt sind und ihre Küken am Ende sicher ins Meer führen können. Der Lohn sind dann die feinen Eiderdaunen, die sich die Enten aus der Brust zupfen. Die in den Nestern eingesammelt werden und dann gesäubert werden müssen. Fluffige Federn, die in der Welt einen hohen Preis erzielen.

Insel am Rand der Welt

James Rebanks wird nach einer Präsentation in Vega mit einem Fischerboot zu einer der entlegenen Inseln gefahren und sieht dabei eine alte, abweisende Frau, die mit wehenden Haaren auf einem von Seetang bedeckten Felsplateau steht. Unwirklich, unnahbar und irgendwie verwunschen. Rebanks konnte diesen Anblick und die Inseln nicht mehr aus seinen Gedanken streichen. Sieben Jahre später schrieb er Anna, der Frau auf der Insel, einen Brief und bat sie darum, dass er sie auf ihre Insel begleiten darf. Er würde für seinen Unterhalt arbeiten und sich ganz zurücknehmen, er würde gerne über ihre Arbeit dort einen Bericht schreiben. Wochen später traf die Antwort ein: Er müsse Arbeitszeug und feste Stiefel mitnehmen.

Nach meiner Ankunft auf der Insel hatte ich rasch gespürt, dass ich mich zurücknehmen und bei der Arbeit ihre Anweisung befolgen, mich also unterordnen musste, um die Dynamik nicht zu stören, die sich zwischen beiden entfaltete. Ich hatte mich noch nie so klein gemacht.

Seite 232

Einheit mit der Natur

James Rebanks beschreibt die Inseln und ihre Natur mit einer solchen Farbvielfalt, dass man sofort seinen Koffer packen möchte und auf die Inseln des Vega-Archipels reisen möchte. Sein Text ist unaufgeregt, so wie die Tage auf der Insel, zwischen den alten Frauen. Jeden Tag wird ein bisschen mehr an den Nestern gebaut und eines Tages sind die wunderschönen Wildvögel endlich da, um dort erst zögerlich die Nester zu beziehen. Rebanks schreibt fast sensibel, deutet aber auch auf die Veränderungen in der Natur hin. Das Leben mit den Frauen auf der Insel wirkt beruhigend. Es passiert wirklich nicht viel und doch mag man immer weiter lesen. Es tut irgendwie gut, die Natur zu erlesen.
Für Anna wird es der letzte Aufenthalt auf der Insel sein. Ihr Bedauern darüber, sowie die Selbstreflexion des Autors über sein eigenes Leben geben dem Roman eine besondere Würze. Es ist ein sanftes, leises Buch mit einem Hauch Melancholie. Ich mochte den Schreibstil des Autors.

 

Insel am Rand der Welt

Ein Roman von James Rebanks
Originaltitel The Place of Tides
Übersetzt von Henning Ahrens
304 Seiten
ISBN 978-3-328-60419-8
aus dem Penguin – Verlag

Lina Morgenstern

Lina Morgenstern war die Erfinderin der Suppenküchen, eine Urheberin der Kindergärten und eine der ersten Frauenrechtlerinnen in Berlin. Der Autor und Filmemacher Gerhard J. Rekel hat eine lesenswerte Biografie über die kleine, quirlige Frau geschrieben. 

 … Wir Frauen brauchen nicht Gnade, sondern Gerechtigkeit! …

Seite 197

Lina Morgenstern

Sie wurde 1830 als Lina Bauer in Breslau geboren. Lina heiratete 1854 Theodor Morgenstern und zog mit ihm nach Berlin. Nachdem Theodor als Kaufmann sein Betrieb in den Sand gesetzt hatte, musste Lina einen Weg finden, die größer gewordenen Familie satt zu bekommen. Sie war schon immer ein Mensch, der mit offenen Augen durch die Welt lief und Ungerechtigkeiten sah. Dazu hatte sie ein Talent. Und sie konnte Geschichten schreiben. Dieses Talent nutzte sie erst einmal Bücher zu schreiben, um die Familie zu unterstützen. Lina sah außerdem, wie schlecht sich die Menschen der aufblühenden Stadt Berlin sich ernährten. Die Frauen hatten weder die Zeit noch das nötige Geld, um die Familien satt zu bekommen. Da hatte Lina Morgenstern die Idee, eine Suppenküche ins Leben zu rufen. Gemeinnützig sollte sie sein und eine warme ausgewogenen Mahlzeit, nur mit kleinen Groschen zu bezahlen. Aber eine Frau als Vorsitzende, das ging in dieser Zeit schon gar nicht! Die kleine Frau stieß immer wieder auf Widerstände. Nur Männer dürfen Vorsitzende oder Betreiber sein. Frau ist für eine solche Verantwortung gar nicht geschaffen!  

Sie fand einen Weg und überwand die Hindernisse. Sie ignorierte den aufflammenden Antisemitismus. Genauso fand sie Wege, um die ersten Kindergärten ins Leben zu rufen. Gärten, in denen Kinder wie Pflanzen erwachsen können. Sie gründete eine Lehranstalt für Kindergärtnerinnen nach dem Vorbild von Fröbel. Lina kämpfte nebenbei um das Leben der Soldaten, die aus dem Deutsch-Französischen Krieg, 1870 zurückkamen, … Zudem war Lina Morgenstern die Herausgeberin einer Hausfrauenzeitung und hat unglaublich viele Bücher veröffentlicht. Neben all diesen Tätigkeiten hatte sie fünf Kinder großzuziehen. Hätte sie einen anderen Mann als Theodor an ihrer Seite gehabt, der sie in allem sehr unterstützt haben muss, dann wäre sie nicht so erfolgreich gewesen.

Linas Geschichte

Linas Geschichte wird von dem Autor Gerhard J. Rekel sachlich und doch spannend erzählt. Die Seiten lesen sich schnell und immer wieder staune ich wie viel, die kleine Frau alles geleistet hat und welche Anfeindungen sie aushalten musste, um immer wieder noch mehr zu leisten. Ich wusste gar nicht, dass es 1898 einen internationalen Kongress für Frauenwerke und Frauenbestrebungen im Roten Rathaus in Berlin gab. Clara Zetkin war nicht gerade begeistert über Lina Morgenstern und immer wieder hat sie mit Lina gestritten. Rekel beschreibt das Leben von Lina Morgenstern sehr angenehm und man liest gerne über die Erfolge dieser ungewöhnlichen Frau.

In dem Buch findet man auch einige von Lina veröffentlichten Rezepte aus ihrer Suppenküche und eine Liste ihrer veröffentlichten Bücher. Lina ist in einer turbulenten Zeit groß und bekannt geworden. Berlin und Deutschland kann stolz sein, eine solche patente Frau gehabt zu haben. Schade, dass man so wenig von ihr in unserer Stadt findet. Immerhin betrieb sie 17 Suppenküchen in unserer Stadt Berlin, die in vielen anderen Städten sogar kopiert wurden. 

Dieses Buch bekommt von Rubi und mir 🐭🐭🐭🐭 Eine spannende Biografie über eine ungewöhnliche Frau. Einer Vorreiterin der Emanzipation, sozial und unerschrocken. Besonders schön fand ich, dass man im ganzen Buch Bilder mit und um Lina Morgenstern finden kann. So bekommt diese Biografie etwas Besonderes. 
Der Autor Gerhard J. Rekel hat Spaß an präzisen Recherchen. Es ist wohl die Freude am Finden und Erfinden von ambivalenten Charakteren und dramatischen Konstellationen, die seine Bücher lesenswert machen oder seine Filme und Dokumentationen sehenswert.

 

Lina Morgenstern

Geschichte einer Rebellin
eine Biografie geschrieben von Gerhard J. Rekel
264 Seiten 
Kremayr & Scheriau Verlag
ISBN: 978-3-218-01466-3

Skizzen und Lerntagebuch

Ich suche immer wieder nach Möglichkeiten, mir einfache Notizen zu machen. Da ist mir das Buch „Skizzen und Lerntagebuch“ in die Hände gefallen. Ist doch klar, mit kleinen einfachen Bildchen prägt sich ein Text oder ein Gedanke viel einfacher in den Kopf ein.

Skizzen und Lerntagebuch

Mägi Brändle, die Autorin sagt: „Alles ist visualisierbar“ Bilder bleiben einfach länger im Kopf haften als Worte. Sie erklärt es auf den ersten Seiten gleich mal ganz genau. Allerdings in Worten. Aber das macht nichts, denn schon auf den nächsten Seiten geht es gleich voll zu Sache. Mit kleinen Bildern unterstützt, erklärt sie wie es geht, lässt den Leser kleine Übungen machen, damit er die Angst vor Fehlern verliert und sich mutig an das Papier macht. Kleine Einsteigerübungen machen es dem Neuling leicht, drauflos zu skizzieren.

Übungen mit Strichmännchen

Was mir auch gefällt ist, dass man an sich selber denken soll. Kleine Strichmännchen zeigen kleine Übungen, die man ganz gut ohne die Worte versteht. Ein paar Entspannungsübungen und schon kann man wieder entspannter weiterlernen. Ich werde es mal versuchen, wenn ich das nächste Buch rezensiere. Die Notizen werde ich mir als Skizzen in ein besonderes Buch notieren. Dann flutscht es vielleicht mit den Rezensionen wieder etwas besser. Ziele stecken, Pläne für den nächsten Tag (Woche, Monat) setzen, alles das wäre eine Möglichkeit um sich mit kleinen Bildern das daran denken zu erleichtern. Ich über noch ein bisschen ….

Ich habe es auch gleich versucht. Klappt! Na dann blättere ich gleich mal weiter. … Die Autorin spielt mit kleinen Bildchen, mit Schriften und Sprechblasen. Lässt den Neuling mit Formen und Symbolen spielen malen. Schon immer hatte ich Schwierigkeiten, ein Fahrrad zu skizzieren. Aber auch wenn man ein „Fehler“ macht, ist das gar nicht schlimm, denn mit Sternenstaub oder Glanzstriche wird wieder alles gut. Damit will sie einfach sagen, dass kein Meister vom Himmel gefallen ist und es auch gar nicht auf Schönheit ankommt.

In dem Buch gibt es viel Freiraum um zu üben. Um das Skizzieren immer besser zu beherrschen. Ich habe es als eine Bereicherung empfunden, mich durch das Buch zu arbeiten. Alles auf einmal kann man sich gar nicht merken. Aber immer wieder wiederholen, dann wird man bestimmt ein kleiner Meister.

Zum Ende des Buches empfiehlt Mägi Brändle noch ein paar Bücher und in dem hinteren Umschlag findet man noch einige Symbolvorschläge. Die Autorin selber hat immer zwei Skizzenbücher in verschiedenen Größen dabei. Darin skizziert sie immer alles, was sie berührt oder was ihr wichtig erscheint. Sie gibt auch Workshops.

Ich bin längst nicht fertig mit den Übungen. Aber immer öfter finde ich Zettelchen auf denen ich mir etwas „notiert“ habe, was ein Bildchen darstellt. Vielleicht sollte ich mir auch ein kleines Notizbuch in die Tasche stecken, mal sehen was dabei herauskommt. Rubi und mir macht das Buch jedenfalls mächtig Laune und wir zeichnen um die Wette.

Dieses Buch bekommt von uns 🐭🐭🐭🐭 Hier kann man wirklich, was Gutes lernen und hat auch noch Spaß daran.

 

Mein Skizzen- und Lerntagebuch

 
Autorin Mägi Brändle
Taschenbuch
96 Seiten
aus dem Hep Verlag

Menschen am Kaiserdamm

Der Kaiserdamm in Berlin, du suchst ihn in den Reiseführern Berlins vergeblich. Dabei ist er fast einzigartig, auf der Welt, der breite Damm und doch wird er fast nicht erwähnt, wenn man Berlin besucht.

Menschen am Kaiserdamm

Er ist eindrucksvoll, der Kaiserdamm. 1680 Meter ist er lang und war vor 1904 nur ein Weg aus Sand. Kaiser Wilhelm II. wollte eine Prachtstraße haben, also wurde ein breiter Damm geplant und planiert. Und schon 1906 wurde die „Prachtstraße“ für den Verkehr freigegeben. Als Verlängerung der Bismarkstraße ist der Damm heute, mit 50 Meter Breite, eine der meist befahrenen Straßen in Berlin. Oliver Ohmann , der Autor des Buches „Menschen am Kaiserdamm“, ist an dieser Straße aufgewachsen. Er hat in einer großen „Prachtwohnung“ gewohnt. Eine Wohnung, wie sie fast überall an dem Kaiserdamm zu finden waren. Riesig groß, mit vielen Zimmern und zwei Eingängen, üppigen Treppenhäusern, Fahrstühlen und Portierslogen. Pompös eben und doch wollte die High Society Berlins lieber nicht an dieser großen Straße wohnen. Der Grunewald oder andere Randbezirke waren ihnen lieber.

Oliver Ohmann ist der Autor dieses Buches. Er liebt den Kaiserdamm, das merkt man. Er hat sich mit den verschiedensten Anwohnern getroffen und unterhalten. Dabei hat er allerlei interessante Orte beschrieben, an denen ich auch schon vorbeigekommen bin. Spannende Menschen haben hier gelebt und die Geschichten der Häuser sind auch interessant. Doch denke ich, wer diese Straße nicht kennt, wer die Orte nie gesehen hat, wird keinen Bezug zu dem Geschriebenen finden. Für mich als Berlinerin wecken sie Erinnerungen und ich konnte nur staunen, was sich hinter so mancher Fassade wohl einst abgespielt haben mag.

Vielleicht nur was für den Berliner?

Der Text hat sich gut gelesen und wie gesagt, ich habe einiges dazu gelernt und musste die entsprechenden Häuser auch unbedingt noch einmal in echt besuchen gehen. Ich stand vor dem Haus, in dem es einst ein Kino gab und versuchte zu rekonstruieren, wie es ausgesehen haben mag, als die Menschen nach dem Film herausströmten. Gestaunt habe ich über die Geschichte des Hauses, an dem ich schon oft vorbeigefahren bin und nicht wusste, dass es fast noch im Original erhalten ist und der Eigentümer alles daran setzt, es so zu belassen.

Ich kann das Buch jedem Berliner nur empfehlen. Wer Stadtfern aufgewachsen ist oder lebt, kann mit dem Buch vermutlich kaum etwas anfangen, es sei denn, er interessiert sich für die Menschen, die dort gelebt haben oder ist in unsere Stadt vernarrt. Immerhin waren dort viele Prominente ansässig. Viele Menschen haben dort ihr Leben gelebt und auch sehr viele sind dort einfach verschwunden, abgeholt oder vertrieben worden. Die vielen Stolpersteine vor den Häusern sprechen Bände. Der Journalist und Autor Oliver Ohmann hat sich mit vielen Menschen unterhalten. Judy Winter und Ulli Zelle haben gerne mit dem Autor gesprochen und aus dem Nähkästchen geplaudert. Ohmann schien am Ende seiner Recherchen mit dem Team der historischen Charlottenburger Magistratsbibliothek auf „Du“ zu sein.

Schwer zu sagen, wie viele Mäuse das Buch verdient hat. Ich fand es unterhaltsam und interessant. 🐭🐭🐭 ist für ein Sachbuch nicht so schlecht, finde ich. Rubi hätte gerne noch eine Maus dazugegeben. Aber halbe Mäuse haben wir nicht.

 

 

Menschen am Kaiserdamm

geschrieben von Oliver Ohmann
aus dem BeBra Verlag
272 Seiten, mit 48 Abbildungen
ISBN 9783814802817

Reichskanzlerplatz

Seit 1963 trägt der Reichskanzlerplatz in Berlin einen neuen Namen, den des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss. Es gibt noch einige Bilder aus der Zeit als der Platz 1907 fertiggestellt wurde, mitten in einer unbebauten Gegend, am Rande Charlottenburgs, mit Springbrunnen und Bänken zum Ausruhen. Die U-Bahn hatte dort eine Haltestelle. Und einige Jahre später entstanden dort schöne, elegante Häuser und die Highsociety Berlins zog dort ein. Unter anderem Magda, die man später als Frau Goebbels ansprach. In dem Buch „Reichskanzlerplatz“ von Nora Bossong spielt der Platz ebenso wie die „erste Frau der Nation“ eigentlich nur eine Nebenrolle.

Der Reichskanzlerplatz

In dem Roman „Reichskanzlerplatz“ erzählt Hans Kesselbach aus seinem Leben. Er ist der Sohn wohlhabender Eltern. Der Vater war  in einer führenden Position im Ersten Weltkrieg. Er kam, wie viele der Männer, versehrt aus dem Krieg zurück, seiner Position enthoben, wurde er für Hans zu einer verstaubten, altmodischen Person. Die Mutter, immer um den Vater bemüht, redete dem Jungen Hans gut zu, eine gute Schulbildung und eine ordentliche Ausbildung zu machen. Die Eltern hatten keine Ahnung, dass der Junge sich zu Jungen hingezogen fühlte. Hans lernte schnell, dass man sich bedeckt halten muss, wenn man nicht ausgegrenzt werden möchte. Er verliebt sich in den Klassenkameraden Hellmut Quandt. Als Hans seinen besten Freund zu Hause besuchte, traf er auch auf Magda, wenig älter als die Jungen und schön anzusehen. Magda, (unehelich) geborene Behrend, adoptiert von Richard Friedländer, und nun verheiratet mit Günther Quandt. Bevor Magda den Großindustriellen heiratete, hatte die hübsche junge Frau eine Beziehung zu Chaim Arlosoroff, für den sie fast zum jüdischen Glauben konvertiert wäre.

Hans beging einen Fehler und verlor fast den besten Freund. Und dann geschieht doch noch ein Unglück und der junge Quandt verschwindet aus dem Leben Hans Kesselbachs. Hans leidet sehr unter dem Tod seines besten Freundes und er besucht oft Magda und beginnt eine Affäre mit der Frau, die bald an den Reichskanzlerplatz ziehen wird.
Die Menschen wenden sich immer mehr den Nationalsozialisten zu und Magda findet einen neuen Spielgefährten, der ganz oben in der neuen Rangordnung steht. Joseph Goebbels. Hans hat nur noch selten Kontakt zu Magda und erzählt, wie er sich durchschlägt, wie verborgen er seine Lust auslebt, sich verstecken muss, dass man seine homosexuelle Neigung nicht gegen ihn verwenden kann. …

Vorhang auf

Es war mir ein großes Vergnügen, die Sätze von Nora Bossong zu lesen. Sie hat eine tolle Art, die Dinge zu beschreiben, sie nicht direkt auszusprechen und doch versteht man sehr genau, was sie dem Leser sagen möchte. Sie schreibt Sätze wie Vorhänge, die man beiseiteschieben und sich seine eigene Wahrheit vorstellen kann. Nur ganz selten wird erwähnt, dass Hans schwul ist und was er dort im Tiergarten zur nächtlichen Stunde treibt. Zwischen den Zeilen wird es aber deutlich und man hat Bilder im Kopf, die unmissverständlich sind. Aber auch andere Situation werden so beschrieben und regen gnadenlos die Fantasie an. Die Gedanken schreiben im Kopf sozusagen die Geschichten weiter, ohne dass Nora Bossong sie niederschreiben musste.

Ich mag auch ihre Art, wie sie den Roman aufgebaut hat. Sie verarbeitet auf 296 Seiten zwanzig Jahre im Leben eines jungen Mannes, der unter Lebensgefahr im Nationalsozialismus lebt. Magda spielt sicherlich eine Rolle, aber Hans finde ich in diesem Moment auch viel spannender. Was mir nicht gefallen hat, ist der Klappentext, denn der suggeriert, dass es in diesem Roman um Frau Goebbels geht. Doch sie hat eigentlich nur eine Nebenrolle, ist der rote Faden, der sich durch die Geschichte zieht. Auch der Reichskanzlerplatz hat eine Nebenrolle, nur weil die ehemalige Frau Quandt einige Zeit dort exklusiv gewohnt hat. Es ist Hans, der seine Geschichte erzählt. Eine fiktive Geschichte. Denn niemand weiß, wer der Student war, der Magdas Liebhaber gewesen sein mag.

Nora Bossong hat für mich einen besonderen Roman geschrieben. Sie steht mit „Reichskanzlerplatz“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises, der am 14. Oktober 2024 verliehen wird. Ich finde, sie hat einen Preis mit diesem Buch verdient. Rubi und ich sind uns einig, das waren 🐭🐭🐭🐭🐭!

 

Reichskanzlerplatz

Ein Roman von Nora Bossong
aus dem Suhrkamp-Verlag
296 Seiten
ISBN 978-3-518-43190-0

Man lebt sein Leben nur einmal

Man lebt sein Leben nur einmal, ist ein Buch über Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque. Eine Geschichte über eine grenzenlose Leidenschaft. Eine Biografie zweier Menschen, deren Leben sich mehr als einmal kreuzte.

Man lebt sein Leben nur einmal

Ich habe es mal wieder geschafft, mir eine Biografie anzueignen. Eine Biografie über Erich Maria Remarque und Marlene Dietrich. Beides Künstler einer Zeit, in der es drunter und drüber ging.

Erich Maria Remarque hatte einen Bestseller geschrieben: „Im Westen nichts Neues“ Es beschreibt die Schrecken des Krieges und die Sprachlosigkeit eines Soldaten. Ich habe dieses Buch selber gelesen und war danach vollkommen aufgewühlt. Es verkaufte sich 1928 wie geschnitten Brot und brachte dem Autor anfangs Ansehen, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, eher Probleme.

Marlene Dietrich hatte es nicht leicht, eine Schauspielerin zu werden. Ihr Weg war steinig, aber sie hatte es geschafft. Sie hatte Mentoren, die wussten, wie man Ihr Gesicht am besten ausleuchtet. Aber nicht immer ist das Leben einer Schauspielerin goldig. Marlene saß mehrere Male da und wusste nicht, wie sie ihre Schulden begleichen soll. Zum Glück hatte sie einen Ehemann an ihrer Seite, der sich um alles kümmerte. Meistens aus Deutschland, wenn Marlene in Hollywood einen Film drehte oder auf der Suche nach neuen Rollen war. Er kümmerte sich auch darum, die verschiedenen Liebhaber seiner Frau zu organisieren, ihre Post zu sortieren und ihr nur das Wichtigste zukommen ließ. Nicht dass er eifersüchtig gewesen wäre, denn die beiden hatten eine besondere Übereinkunft getroffen.

Remarque sah in der Dietrich seine große Liebe. Er vergötterte sie geradezu. Sie hatten eine kurze Affäre. Sie bleiben in Kontakt und Remarque verlor nie die Hoffnung, dass sie eine zweite Chance haben werden. Obwohl sie kein Paar mehr waren, hielt Remarque an seiner Liebe fest. Er unterstütze die Schauspielerin und half, wo es ging.

Mag ich Biografien?

Tatsache ist, ich tu‘ mich immer sehr schwer Biografien zu lesen. Auch diese Biografie konnte mich wieder nicht abholen. Dabei begann dieses Buch doch sehr unterhaltsam, spannend und ließ die Erwartungen entsprechen in die Höhe schnellen. Und dann … Ich habe mich doch etwas gequält, die Seiten zu lesen. Der Autor Thomas Hüelin schreibt nicht schlecht und es fühlt sich auch irgendwie gut an. Aber alleine, dass Remarque seinen Frauen männliche Spitznamen gab, und der Autor diese dann auch verwendete, brachte mich aus dem Gleichgewicht. Auch fand ich, dass die Geschichten der beiden Künstler teilweise so verwirrend aufgelistet waren, dass ich Schwierigkeiten hatte dem zu folgen.

Dabei ist das Leben der Beiden (meistens) chronologisch aufgeschrieben. Thomas Hüelin hatte einige Briefe und Notizen Remarques verwendet, die sind dann aber sehr kryptisch gehalten und brachten, für mich, nur noch mehr Verwirrungen. Wahrscheinlich war das auch die Art, wie Remarque seine Briefe verfasst hat. Auch Marlene hat mich geärgert. Sie kam mir vor wie eine Liebhaberfressende Person. Heute den morgen die. Klar, das ist das Leben der beiden Personen gewesen. Doch vieles war spannend und ich war sehr erstaunt, wie das Leben der Beiden verlaufen ist.
Vielleicht hätte es mir besser gefallen, wenn Man lebt sein Leben nur einmal in Romanform geschrieben worden wäre. So hat es mich nicht abgeholt. Und trotzdem möchten wir dem Buch gerne 🐭🐭🐭🐭 geben, denn es war sehr informativ.

 

 

Man lebt sein Leben nur einmal

Eine Biografie von Thomas Hüetli
aus dem Kiepenheuer&Witsch Verlag
ISBN: 978-3-462-00589-9
352 Seiten
oder als E-Book