Das Wesen des Lebens

In dem Buch „Das Wesen des Lebens“ erzählt die finnische Autorin Iida Turpeinen über die Rastlosigkeit der Menschen. Wie sie ihre Welt erforschen, auseinandernehmen und zerstören. Und fast immer machen sie dies in bester Absicht, denn man will sich ja nur Wissen aneignen, oder sammeln oder vielleicht auch nur überleben. Iida Turpeinen beschreibt die Rastlosigkeit der (männlichen) Forscher und die Frauen, welche ihnen den Rücken frei halten und im Grunde auch zu den wichtigsten Entdeckungen beigetragen haben, aber ohne erwähnt zu werden.

Das Wesen des Lebens

1741 geht der Forscher Georg Wilhelm Steller als Schiffsarzt mit Vitus Bering auf Forschungsreise. Sie suchen nach einer Verbindung zwischen Asien und Amerika. Als ihr Schiff auf Shumagin Insel (Aleuten) strandet, verlieren viele Matrosen ihr Leben. Und auch Bering findet dort den Tod, während sich seine restliche Mannschaft von den dort friedlich lebenden Seekühen ernährt. Schmackhaft sollen die gewesen sein. Der Forscher Steller hat solche Tiere noch nie gesehen, so groß und so freundlich. Am Ende werden die Matrosen ein Schiff bauen können, aber die Knochen der Seekuh müssen auf der Insel bleiben. Zu groß sind sie und zu schwer und Steller bleibt nur, der Seekuh seinen Namen zu geben. Die Stellersche Seekuh!

Jahre später treffen auf der Insel Jäger ein, die von dem schmackhaften und wehrlosen Tier gehört haben. Nicht nur die Polarfüchse und die Alke werden zu Opfern, sondern auch die Seekühe. Sie werden einfach aufgegessen und vergessen. Niemand macht sich Gedanken darum, ob sich die Art erhalten kann, niemand bedenkt, dass sie nur dort leben können. Irgendwann erinnert sich ein Forscher und wünscht sich wenigstens die Knochen, um zu beweisen, dass es diese Seekühe wirklich gab.

So hat Gott es bezweckt, er hat die Welt und ihre Wesen geschaffen, damit der Mensch über sie herrscht. Das Tier erfüllt seinen Zweck am besten, indem es dem Menschen nützlich ist, … (Seite 67)

Es sind aber nicht nur die Tiere, die in diesem Buch ausgerottet werden. Auch die Abfälligkeit und die Überheblichkeit der weißen Menschen gegenüber den Ureinwohnern, die mit der Natur in guter Eintracht leben, ist nicht zu überlesen.

Sie werden die Kolonie in den Wirkungskreis der Menschengesetze führen, die Zivilisation mit sich bringen, Alaska ordnen und besänftigen … (Seite 100)

Die Stellersche Seekuh und andere Ausgerottete

Man muss einfach abtauchen, in das Buch „Das Wesen des Lebens“ und in die Schreiberei der Autorin Iida Turpeinen genießen. Sie switcht zwischen den Handlungsorten hin und her, gibt aber auch die Freude und den Enthusiasmus ihrer Figuren wieder. Es sind die Frauen, die in der echten Geschichte, wie auch im Buch, wie immer eine Nebenrolle haben und doch von der Autorin still und leise in den Vordergrund geschoben werden. Die Eine, die ihrem Mann den Rücken freihält und die Andere, die gefallen an den Sammlungen findet. Oder die Nächste, die eine wahre Künstlerin ist und niemals die Gelegenheit bekommen wird sich einen Namen zu machen und am Ende Tapeten malt. Und sie sind immer ein bisschen real (gewesen).

Das Buch ist ein Vorwurf, wie mit der Welt und seinen Schätzen umgegangen wird, verpackt in eine Reise in die Vergangenheit, auf der Suche nach ausgestorbenen Wesen, die der Mensch vernichtet hat, ohne nachzudenken. Ihr Roman ist unterhaltsam, sowie auch lehrreich und interessant geschrieben. Ich hätte mir mehr Verweise auf die Personen gewünscht und manches Mal ein passendes Bild.

Die Autorin und der Übersetzer

Iida Turpeinen wurde 1987 in Finnland geboren. Sie ist Literaturwissenschaftlerin und auch Schriftstellerin und interessiert sich für das literarische Potenzial der wissenschaftlichen Forschung sowie für schräge Anekdoten und Irrwege der Wissenschaftsgeschichte. Und das bringt sie hervorragend in ihrem Buch „Das Wesen des Lebens“ rüber.
Maximilian Murmann, geboren 1987, studierte in München, Helsinki und Budapest Finnougristik, Allgemeine Sprachwissenschaft und Germanistische Linguistik. Ich staune immer wieder, wie wichtig der Übersetzer ist!

Und vielleicht möchtest du ein Video zum Buch sehen … Außerdem hat dieses Buch von uns 🐭🐭🐭🐭 erhalten

 

Das Wesen des Lebens

Ein Roman von Iida Tupeinen
Übersetzt von Maximilian Murmann
aus dem S. FISCHER-Verlag
ISBN: 978-3-10-397630-4
320 Seiten

Frühjahrskollektion

Frühjahrskollektion ist der neue Roman von Christine Koschmieder. Sie beschreibt die Wirtschaftswunderzeit, als alle den vergangenen Krieg vergessen wollten, als alle nur noch nach vorne schauen wollten. Und doch war nicht alles vergessen, noch war nicht alles aufgearbeitet und wird es wohl auch niemals sein.

Frühjahrskollektion

Lilo Kowatz hat Bademoden für die reifen Frauen entworfen. Bademoden, die den älteren Damen Figur zurückgeben. Die auf Frauen zugeschnitten sind, mit kleinen Polstern, die nicht den Mannequinmaßen entsprechen. Und Lilo hat einen Traum: Sie hofft darauf, damit den großen Durchbruch zu haben. Ihr Mann Harry begleitet so lange Witwen zu den Kriegsgräbern nach Frankreich oder in den Osten. Gut geht es ihm nicht mit diesem Job, aber was macht es, er verdient gutes Geld. Ihre gemeinsame Tochter Reni hungert derweil für eine Mannequinfigur und lebt mit einem Mann zusammen, der sie nur benutzt.

Eine alte Freundin, Hertha, die mit Lilo zusammen in Litzmannstadt war, besucht Lilo in ihrem Laden und unterbreitet ihr einen Vorschlag, den Lilo kaum ausschlagen kann. Harry soll sich bei Herthas Mann vorstellen. Der arbeitet nämlich bei Neckermann, dem Versandhaus. Harry könnte dort sicherlich einen gut bezahlten Job bekommen. Das Ganze ist verbunden mit einer Verschwiegenheit, was damals in Litzmannstadt geschah.

„… Sie weiß nicht mehr, was Franz damals für einen Rang hatte. Ob er auch zu denen mit der eigenen Zyankalikapsel gehört hat. Aber einer wie Franz bringt sich nicht um, einer wie Franz ändert seinen Nachnamen und macht weiter Geschäfte … „ Seite 86

Damals war’s

Wirtschaftswunder, das ist die Zeit, in der ich geboren wurde. Von all den Prozessen, die noch wegen der Judenverfolgung stattfanden, bekam ich nichts mit. Und in meinem Kopf sind so weit wie möglich alle Bösen zur Rechenschaft gezogen worden, die man erwischt hatte. Dieser Roman hat mich aber eines Besseren belehrt. Nicht jeder kam vor den Kader, nicht jeder musste bei Null anfangen oder konnte sich so gut hinter einem neuen oder einem angesehenen Namen verstecken. Als ich noch in die Windeln gemacht habe, waren junge Menschen dabei, als die Prozesse gegen die Verbrecher geführt worden sind. Sie machten Krach und zeigten mit dem Finger auf die Schuldigen, forderten Gerechtigkeit.

“ … Und was die immerzu von Verantwortung faseln, der sich die Deutschen stellen sollen, diese jungen Idioten, keiner von denen war dabei, die tun gerade so, als wäre das alles eine Frage der persönlichen Integrität gewesen. … „ Seite 222

Christine Koschmieder erzählt eine Geschichte, die sich vielleicht in jeder „guten“ deutschen Familie hätte abspielen können. Reni weiß von all den Machenschaften ihre Eltern kaum etwas und sie sieht nur das Familienfoto, das eine heile Welt zeigt. Die junge Frau scheint tatsächlich fast weltfremd zu sein und nur die Modebranche zu kennen. Auch der Leser bekommt die ganze Geschichte nur häppchenweise serviert. Der Roman wird abwechselnd von den verschiedenen Familienmitgliedern erzählt. Ich fand es etwas schwierig, den Roman “ Frühjahrskollektion“,  zu lesen. Die Autorin macht oft nur Andeutungen, die sich der Leser erst zusammenreimen muss. Manchmal wiederholt sie Sätze. Vielleicht weil sie sich dann besser einprägen, vielleicht weil es das Geschehen aus verschiedene Perspektiven zeigte. Ich fand den Aspekt der Modeentwicklung sehr spannend. Aber auch die Entwicklung der Familie war interessant.

Schön finde ich das Cover. Ich mag die halben Buchumschläge, die das schöne Muster vom Einband zeigen. In diesem Fall ist es ein Fashionmuster, wie es die Kleider in den 1960 Jahren oft zeigten.
Die Bewertung ist mir nicht leicht gefallen. Die manchmal komplizierten Sätze haben den Lesefluß etwas unterbrochen. Rubi meinte, dass dieses Buch 🐭🐭🐭🐭 verdient hat. Der Geschichtliche Aspekt hat dann noch eine 🐭 herausgekitzelt.

 

Frühjahrskollektion

ein Roman von Christine Koschmieder
288 Seiten
aus dem Kanon Verlag
ISBN 978-3-98568-159-4

Ginsterburg

Ginsterburg, eine Kleinstadt in Deutschland. Eine Kleinstadt zwischen 1935 und 1945. Eigentlich geht hier alles überschaulich zu und doch liegt so einiges im Argen. Wir, die Leser, wissen, was kommen wird, aber die Menschen, die damals in dieser Stadt gelebt haben, konnten nicht ahnen, was auf sie zukam. Im Nachhinein, wissen wir es alle besser und doch kann es immer wieder passieren!

Ginsterburg

In dem neuen Roman von Arno Frank, Ginsterburg, geht es um eine fiktive Stadt. Irgendwo in Deutschland, als die Nationalsozialisten die Regierung übernahmen, die Kinder waren begeistert, als sie bei der Hitlerjugend mitmachen durften und leise schlichen sich die Ideologien ein. Lothar jedenfalls fand es toll, als seine Mutter Merle ihm es erlaubte bei der Fliegerjugend teilzunehmen. Dabei war Merle fast eine überzeugte Kommunistin, nur erwähnte sie es niemandem gegenüber, das könnte zu schlechten Situationen führen. Lothar war bisher immer ein stiller, naturverbundener Junge gewesen, das Fliegen begeisterte ihn so sehr, dass er zu einem der besten Piloten wurde. Während der Junge eine Laufbahn einschlug, die seiner Mutter nicht besonders gefiel, ging das Leben in der Kleinstadt weiter. Da verschwand eine ganze Familie, und woanders tauchte die verrückte Uta aus Berlin auf, die Schwägerin des Bürgermeisters, die einem Schloss und -Garten wieder zu voller Pracht verhelfen wollte.

Die Zwillinge, so alt wie Lothar, schlugen eine andere Karriere ein und es nahm kein gutes Ende. Der Leser weiß im Grunde schon, was kommen wird. Dann ist da noch die Nachbarin, die einen Sohn hat, der besser in eine Heilanstalt gehört. Welch Jubel, als das Kind endlich übernommen wurde … Wie gesagt, der Leser weiß was kommen wird. Jeder ahnt, was mit dem Jungen in der Heilanstalt passiert, welche Gräuel die „Jungen“ nach der HJ erleben werden, wohin die Menschen verschwanden, wie es ausgehen wird. Der Hass und die Wut wird nur langsam und tröpfchenweise verabreicht. Aber überall und stetig, damit am Ende ein unglaublicher Fluss, die Menschen verdirbt.

Ich habe das Gefühl, Teil von etwas…“ sie suchte nach dem richtigen Wort, „von etwas großem zu sein, von etwas wichtigem.  größer und wichtiger als ein Mensch alleine …“ Seite 162

Arno Frank hat einen unglaublichen Schreibstil. Er schreibt viel, sagt viel, aber eben nicht geradeheraus. Der Leser erliest sich die Geschichten in einem puzzelhaften Stil. Ich mag es, wenn Romane nicht immer geradeaus geschrieben sind. Vielleicht sogar einen prosaischen Stil haben. Poetische Texte, die bildgewaltig und sanft daher kommen. Arno Frank verbindet das Grausame mit dem Blick für das Schöne. Und verbindet alle seine Figuren miteinander zu einem dichten Geflecht.
Der Autor zwang mich mit seinen Worten zu vielen Pausen und stellte mein geschichtliches Wissen auf die Probe. Ich mag die meisten Figuren, auch wenn da einige dabei sind, die nicht zu meiner politischen Einstellung passen. Das Buch war zu keinem Augenblick langweilig und hat mich immer in Atem gehalten. Ich glaube aber auch, dass Ginsterburg wieder ein Buch ist, das man mit klarem Verstand und Zeit lesen muss. Nebenbei geht das nicht.
Zwischendrin liest man Briefe, Zeitungsausschnitte und die Geschichte von einem Mann, der sich aus einem Kampfflugzeug retten muss. Ein für mich gelungener Roman, der den Blick auf unsere Zeit schärft. Rubi und ich geben diesem Roman begeisterte 🐭🐭🐭🐭🐭

 

Ginsterburg

ein Roman von Arno Frank
aus dem Klett Cotta Verlag
432 Seiten
ISBN: 978-3-608-96648-0

Von hier aus weiter

In dem Roman „Von hier aus weiter“ geht es um Marlene, die gerade erst Witwe geworden ist. Marlene ist eigentlich sauer, denn ihr Mann hat sie einfach alleine gelassen. So war nicht der Plan! Denn sie wollten zusammen sterben.

Von hier aus weiter

Marlene fühlt sich nicht gut. Im Grunde ist sie sauer! Rolf und sie haben den gemeinsamen Freitod gewählt. Jetzt sitzt Marlene alleine in dem großen Haus und weiß nicht, wie sie um den Mann trauern soll. Dreißig Jahre haben sie zusammen verbracht. Seine Kinder sind längst ausgezogen und haben ihr eigenes Leben. Die Jungen bieten ihrer Stiefmutter immer wieder ihre Hilfe an. Marlene will aber keine Hilfe und igelt sich im Haus immer mehr ein. Doch dann taucht ihr ehemaliger Schüler Jack auf. Weil dieser zurzeit keine ordentliche Unterkunft hat, bietet Marlene ihm eine Übernachtungsmöglichkeit. Jack bedankt sich mit kleinen Gefälligkeiten, Reparaturen und gutem Essen, denn er kocht sehr gerne.

Mit einem offenen Ohr und gutem Essen kann Jack bald schon die spröde Marlene knacken. Und auch die Hausärztin von Marlene spielt eine große Rolle. Als dann auch noch bei Marlenes bester Freundin in Wien, ein Brief von ihrem verstorbenen Mann auftaucht, begeben sich die Drei auf eine Reise, bei der Marlene zu trauern lernt.

Trauerarbeit

Der Roman „von hier aus weiter“ liest sich flott und trotz der traurigen Begebenheit des Todes doch recht lustig. Trauerarbeit ist ein ernsthaftes Thema, über das man selten etwas liest. Dabei müssen wir uns damit beschäftigen. Trauer und Verlust kann böse Folgen haben und den Menschen Depressionen und ähnliches bescheren. Die Autorin verpackt dieses Thema in einem unterhaltsamen Roman. Auch wenn ich dieses Buch gerne gelesen habe, so muss ich aber sagen, dass mir der zweite Teil, als Marlene mit ihren Freundinnen unterwegs war, um den Brief ihres verstorbenen Mannes abzuholen, doch ein bisschen zu flapsig erschien. Ein „Roadmovie“- Verschnitt, der mir allzu absurd vorkam. Die Figuren waren mir aber alle höchst sympathisch und unterhaltsam. Marlenes Trauer war die ganze Zeit ein unterschwelliger Begleiter, bis sie es endlich geschafft hatte zu weinen, ihre Trauer zu begreifen und sich daran abzuarbeiten.

Ein unterhaltsamer Roman, bei dem man eigentlich nicht allzu viel Tiefgang erwartet, es sei denn, man schaut ein bisschen hinter die Vorhänge. In unserer Bewertung bekommt „Von hier aus weiter“ 🐭🐭🐭 für die gute Unterhaltung.

 

Von hier aus weiter

Roman
von Susann Pásztor
Kiepenheuer&Witsch Verlag
ISBN: 978-3-462-00568-4
256 Seiten

Der Schattengarten, wie ich mein Glück im Moos fand

Der Schattengarten. Christine von Brühl kennt die schönsten Gärten. Sie ist in dem Londoner Hyde Park schon als Kind herumgesprungen und hat gepflegte Gärten schon immer bewundert. Vor allem die Rhododendren haben es ihr angetan. Sie liebt diese üppigen Büsche mit ihren ausladenden Blüten. Christine von Brühl ist in Accra geboren, zog mit ihren Eltern, der Vater war Diplomat, durch die Welt und sah die schönsten Gärten. Nun lebt sie in Berlin, einer Stadt, die zwar grün ist, aber doch ziemlich eng, wenn man es nicht gewohnt ist. Ihr Mann kommt eines Tages auf die Idee, er möchte etwas Eigenes haben. Ein Stück Land, wo er niemandem Rechenschaft ablegen muss, was er da tut. Ein Stück Land wo er machen kann was er will. Und da zählt wohl auch nicht die Meinung seiner Frau, die keinen grünen Daumen hat. Er hat sich für ein Grundstück entschieden, zweieinhalb Stunden von Berlin entfernt und völlig verwildert. Einen „Schattengarten“.

Der Schattengarten

Der erste Eindruck, als Christine mit ihrem Mann dorthin fährt, ist ihr unheimlich. Die Bäume stehen hoch und man sieht die Sonne kaum. Alles ist voller Brennnesseln und anderem Gestrüpp. Es gibt kein Wasser oder Strom. Zwischen den Büschen tauchen plötzlich wilde Mufflons auf. Sie findet den Gedanken, dort ein Stück Land zu besitzen, nicht gerade attraktiv.

Jetzt musste ich mich damit arrangieren und einen Weg finden, damit zurecht zu kommen. Den Groll darüber trug ich jahrelang mit mir herum. Seite 14

Doch ihr Mann lässt ihr keine Wahl, denn das ist sein Projekt. Er will dort etwas schaffen, er will dort sein! Die Familie wird sich schon damit abfinden und so scheint es dann auch zu sein.

Franz lernte, mit der Natur zu leben, respektierte ihre Präsenz und verteidigte gleichzeitig den Raum, den er für seine Ansprüche an die Zivilisation benötigte. Es war ein Nehmen und Geben, ein Fragen und Antworten, Ein- und Ausatmen. Seite 80

Ein kleines Buch voller Erinnerungen

Es ist nur ein kleines Buch, dass Christine von Brühl geschrieben hat. Ein paar einfache Illustrationen/Cartoons in schwarzweiß, zieren einige Seiten. Die Autorin schreibt von ihrer anfänglichen Abneigung und ihren Problemen, den Schattengarten einzunehmen. Sie schreibt von Wühlmäusen und Borkenkäfern, von Klimawandel und Waldbrand. Und immer wieder erzählt sie aus ihren Erinnerungen an ihre Kindheit, während ihr Mann sich immer mehr verwirklicht, dem Wald einen Garten abzutrotzen, der sich lohnt und eine Idylle schafft, die auch irgendwann Christine eine Heimat bietet.

Ich habe das Buch als eine unterhaltsame Minibiografie empfunden. Eine kurzweilige und muntere Lektüre. Gerne vergeben Rubi und ich 🐭🐭🐭🐭 Ein hübsches kleines Buch, ein Mitbringsel an mutige Gartenbesitzer und solche, die es werden wollen.

 

Der Schattengarten

Wie ich mein Glück im Moos fand

geschrieben von Christine von Brühl
Mit Illustrationen von Teresa Habild
Aus dem Kanon Verlag
176 Seiten
ISBN 978-3-98568-173-0

Unmöglicher Abschied

Unmöglicher Abschied ist das neue Buch von Han Kang. Ich hatte mich schon an ihrem Buch „Die Vegetarierin“ versucht. Damals fiel es mir schwer, es zu lesen. Nun dachte ich, alle Welt feiert ihr neues Buch, da muss ich es noch einmal versuchen. Ich habe mir Zeit genommen. Zurückgezogen in meinem Lesesessel nahm ich das Buch „Unmöglicher Abschied“ vor die Nase und fing an, möglichst ohne Ablenkung, zu lesen.

Unmöglicher Abschied

Gyeongha ist die Erzählerin in dem Roman „Unmöglicher Abschied“. Die Hauptfigur in dem Roman „Unmöglicher Abschied“, ist Schriftstellerin und hat sich aus ihrem Familienleben zurückgezogen. Gyeongha hat sich eine winzige Wohnung genommen, die schlecht geheizt und im Sommer viel zu warm war. Und sie hatte einen Traum. Nachdem Gyeongha ihr erstes Buch veröffentlicht hatte, träumte sie diesen Traum immer wieder: Sie wandert zwischen schwarzen Baumstümpfe hindurch, die von Schneeflocken umwirbelt waren. Es kam ihr vor wie ein Friedhof, denn die Stämme sahen aus wie gebeugte Menschen, die an Grabhügeln stehen. Dieser Friedhof steht viel zu dicht an einem Wasser, das immer wieder ansteigt und die Hügel, sowie die Baumstümpfe überspült, so dachte die Schriftstellerin immer wieder.

Gyeongha erzählte ihrer Freundin Inseon von ihrem Traum. Und dass sie den Wunsch habe, ihn zu realisieren. Zusammen werden die Freundinnen es versuchen und schoben die Umsetzung Jahr für Jahr vor sich her. Doch dann geschah ein Unglück und Inseon musste operiert werden. Sie schrieb ihrer Freundin Gyeongha eine Nachricht und bat sie um einen schnellen Besuch. Sie sollte ihren Vogel retten, der in ihrem weit entfernten Zuhause ohne Futter und Wasser auf die Rückkehr seiner Besitzerin warten würde.

Gyeongha macht sich, ein wenig widerwillig, auf den Weg, fliegt auf die Insel Jeju-do. Ohne eine Vorbereitung, ohne großes Gepäck. Sie landet dort, während es schon ordentlich schneit. Das Haus ihrer Freundin liegt abgelegen und das Wetter entwickelt sich zu einem Schneesturm. Ob sie es noch rechtzeitig schaffen würde, den kleinen Vogel zu retten?

(Alb)Träume, Rückblicke und Erinnerungen

Der ganze Roman besteht aus Träumen, Erinnerungen und Rückblicken. Gyeongha ist redlich bemüht, sich um den kleinen Vogel zu kümmern. Sie findet einen Weg durch den Sturm und den vielen Schnee. Die Gedanken schweifen immer wieder in die Kurzfilme ab, die die Freundin gedreht hat. Und der Leser versteht langsam und sacht, was vor vielen Jahren auf der koreanischen Insel Jeju-do geschah. Welche Gräuel an den Einheimischen vollzogen wurden und mit welcher Angst die Bevölkerung lebte. Die Han Kang versteht es, ihre Sätze so zu formulieren, dass der Leser stets darauf wartet, wieder ein Bröckchen der Erinnerungen zu erhaschen. Es ist, als würde Han Kang eine Schublade aufziehen und dann schnell wieder zuwerfen, dass der Leser immer nur ein Stückchen vom Inneren wahrnehmen kann. Gespannt und fast ein bisschen nervös muss man immer weiter lesen.

Es ist eine Geschichte, die erschauern lässt. Die aber nicht nur an das Jeju-Massaker erinnert, sondern auch die Liebe zum Leben und den Menschen aufzeigt. Han Kang spricht hier in ihrem YouTube-Video darüber, wie sie zu diesem Roman gekommen ist. Ich habe für mich wieder einmal festgestellt, dass asiatische Schriftstellerinnen eine besondere Art haben zu schreiben. Ein bisschen mystisch, geheimnisvoll und für den europäischen Verstand vielleicht ein wenig anstrengend. Es sind meistens Geschichten, die nicht einfach gefällig daher kommen. In solchen Romanen kann man nicht einfach abdriften, hier muss der Kopf arbeiten.

Die Familiengeschichte und das Massaker haben mich zum Gruseln gebracht. Wieder habe ich ein Stück unserer Weltgeschichte gelesen und wieder verstehe ich nicht, wie Menschen zu solchen Gräueltaten fähig sind.
Ein tolles Buch, wenn man sich die Zeit dafür nimmt. Und, wenn man sich mit der Geschichte (nicht nur dem Roman) beschäftigen möchte. Zu Beginn des Buches hätte ich nicht gedacht, dass wir 🐭🐭🐭🐭🐭 vergeben werden. Aber das hat dieser Roman auf jeden Fall verdient!

 

Unmöglicher Abschied

Ein Roman von Han Kang
Übersetzt von Ki-Hyang Lee
aus dem Aufbau Verlag
ISBN 978-3-351-04184-7
315 Seiten