von Andrea Karminrot | Apr. 8, 2021 | Historie, Rezension, Roman |
Griet muss ein Glückskind sein! Sie hatte einen langen Weg hinter sich. Eigentlich stammt Griet aus den Niederlande, war eine politisch Gefangene im KZ Außenlager Giesing und musste in der Munitionsfabrik AGFA arbeiten. Als die Alliierten den Krieg beendeten, wurden die Frauen des Lagers von den Deutschen in das Umland getrieben. Der lange Marsch endete in der Nähe von Wolfratshausen. Griet und die vielen Gefangenen kamen, dicht gedrängt, in den Scheunen der Bauern unter. Die Amerikaner nahmen sich den verwahrlosten Frauen an.

Im Laufe der Zeit kamen immer mehr befreite Menschen in den Lagern zusammen und die Amerikaner sorgten dafür, dass die befreiten Menschen wieder in ihre Heimat zurück gebracht wurden. Griet schlug das Angebot aus, nach Haarlem zurück zukehren. Sie wollte lieber in der Nähe des Amerikaners Captain Dan bleiben, in den sie sich während ihrer Befreiung verliebt hatte. So bekam sie die Möglichkeit nach München zu ziehen.
Toni Brandel (Antonia) ist Anfang Zwanzig, als der Krieg zu Ende war. Zusammen mit ihrer Mutter, Tante, Cousin Benno und der Großtante Vev, bewohnt sie eine große Wohnung mitten in München. Alles ist knapp. Nahrungsmittel, Heizmaterial und Kleidung. Aber Toni scheint ein wahres Improvisationstalent zu sein. Immer wieder hat sie das Glück an Lebensmittel oder Tauschwaren zu kommen. Dabei stolpert sie über Louis, einen Mann der zu schön ist, um ihn sich als Partner vorzustellen. Doch sie kann es nicht lassen. Immer wieder an den Filou zu denken oder ihm aus dem Weg zu gehen. Louis hat es auf die hübsche Toni abgesehen und hilft ihr immer wieder an Schwarzmarktware heran zu kommen.

Griet und Toni treffen sich das erste Mal in der Wohnung in München, in die der Amerikanische Captain, Griet’s Freund sie einquartiert hat. Griet ist Scheu und spürt die Abneigung der Münchner Frauen gegen sich. Aber Wohnraum in der Stadt ist nun mal knapp und so bleibt sie. Die beiden jungen Frauen werden sich im Laufe der Zeit anfreunden. Überleben, Nahrungssuche und Herzensdinge wirken fast wie ein Krimi.
Die Glückskinder Griet und Toni
Schon auf den ersten Seiten von Glückskinder hatte mich die Autorin abgeholt. Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg oder die Nachkriegszeit, ziehen mich immer wieder magisch an. Die Teresa Simon schreibt unkompliziert und macht ihre Figuren sehr sympathisch. Schufte, Diebe und brutale Nazis sind genauso gut beschrieben, wie die Glückskinder Griet, Toni, Dan, und die vielen andere. Man findet sich in dem schwer zerstörten München wieder und empfindet mit den Figuren die Hungersnöte und leidet den eisigen Winter 1946/47 mit. Doch es ist noch mehr, es ist ein Neuanfang. Die Menschen lernen sich zu arrangieren und versuchen das Beste aus dem Wenigen zu machen, was vorhanden ist. Ich hatte sehr viel Freude am lesen.

Die Autorin
Brigitte Riebe schreibt unter dem Pseudonym Teresa Simon. Sie ist promovierte Historikerin, ist selber in München aufgewachsen und hat dadurch einen besonderen Bezug zu den Schauplätzen in diesem Roman. Sie hat ein klein wenig die Erfahrungen aus der Nachkriegszeit ihrer Familie einfließen lassen. Die Autorin hatte die damalige Zeit nicht selber erlebt, ist sie doch erst 1953 geboren. Aber viele ihrer Schauplätze sind leider viel zu real.
Noch mehr Glück findet man hier. Außerdem stelle ich dieses Buch gerne in die Reihe der April-Bücher
Ein Roman von Teresa Simon
Heyne Verlag
512 Seiten
ISBN: 978-3-453-42406-7
von Andrea Karminrot | Feb. 22, 2021 | Historie, Roman |
Erinnerungen aus Glas beginnt mit einem Prolog. Eine Frau streicht mit den Fingern über ein Regal mit achtundsechzig Flaschen aus buntem Glas. Nur eine einzige ist Rot. Die eine nimmt die alte Frau mit gekrümmten und nicht mehr ganz kraftvollen Fingern aus dem Regal. Sie kann nicht vergessen und diese Flasche lässt sie sich erinnern. Es sind Erinnerungen, die nicht immer gut sind und in diesem Fall würde sie gerne die Erinnerungen aus einem Keller an die Hollandsche Schouwburg in Amsterdam oder die vielen Kinder wegsperren…

Es sind drei Figuren, die in diesem Roman die Hauptrollen spielen.
Josie, eine forsche junge Frau, die sich schon immer mutig und vielleicht ein wenig zu blauäugig gegen den Abtransport der jüdischen Kinder in Amsterdam auflehnt.
Dann Eliese, die jüdische Frau, die hofft, nur weil sie auf der Puttkammer Liste steht, würde sie einen Vorteil haben, nicht auf den Zügen nach Westerbork oder nach Auschwitz einfach zu verschwinden. Stattdessen findet sie einen Weg, ihrer Freundin Josie die Kinder der jüdischen Familien zuzuspielen.
Und zu guter Letzt ist da Ava, die in der heutigen Zeit auf der Suche nach ihren Vorfahren ist und dabei über Geschichten stolpert, die ihr Angst machen.
Erinnerungen aus Glas
Der Roman ist in zwei Zeitebenen geschrieben. Ava reist im Auftrag ihrer Großmutter nach Uganda und trifft dort auf einen jungen Landon, der eine Kaffeeplantage leitet und dabei Kindern eine Schulbildung und ein gutes Leben ermöglicht. Ava ist im Auftrag einer Stiftung ihrer Familie unterwegs. Ganz nebenbei scheint die Familie des jungen Mannes auch etwas mit ihrer eigenen zu tun zu haben. Das löst sich erst sehr zögerlich im Roman auf.
Der andere Erzählstrang ist die Geschichte von Eliese und Jossie, die gemeinsam Kinder vor der Deportation aus Amsterdam während der Nazibesatzung retten wollen.

Die Autorin schreibt sehr aufwühlend. Ihre Protagonistinnen kämpfen mit ihren Gefühlen, während die eine das eigene Kind verstecken muss und viele jüdischen Kinder mit den Zügen nach Westerbork verschwinden. Welche Möglichkeiten haben die Frauen denn schon, Menschen zu retten? Zu sehen, wie immer mehr Sterne in Amsterdam verlöschen!
Teilweise habe ich den Faden bei der Suche von Ava verloren. Es ist schon sehr verwirrend ein Buch zu lesen, in dem so viele Personen vorkommen und dabei eigentlich keine Rolle spielen. Ein Stammbaum wäre vielleicht hilfreich gewesen, aber das hätte auch während Ava’s Familienforschung die Spannung genommen. Die Teile, in denen es um die Judenverfolgung ging, haben mich da weitaus mehr gefesselt. Wegen mir hätte es die Jetztebene nicht geben müssen. Zumal dieser Strang der Erzählung, teilweise sehr verwirrend war. Am Ende sind alle mit einander mehr oder weniger verwandt und eine (winzig) kleine Liebesgeschichte hat sich auch noch entwickelt.
Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt und habe ganz nebenbei auch noch einiges gelernt. Ich fand zeitweise, dass die Autorin einfach zu viel wollte und nicht genug Seiten übrig hatte.

Über die Autorin
Melanie Dobson hat Journalismus und Kommunikation studiert und war als Werbeleiterin tätig, bevor sie sich mehr und mehr dem Schreiben widmete. Eine besondere Vorliebe hat sie für Bücher, in denen Geschichte und Gegenwart miteinander verknüpft werden. Mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern lebt sie in der Nähe von Portland, Oregon.
Ein Roman von Melanie Dobson
Aus dem Englischen von Silvia Lutz übersetzt
ISBN 9783963621895
368 Seiten
Verlag:Francke-Buch
von Andrea Karminrot | Feb. 8, 2021 | Historie, Rezension, Roman |
Was der Fluss erzählt… er plätschert leise vor sich hin. Er brodelt und tritt über die Ufer, holt sich das Land und spuckt es wieder aus. Hohe Wellen oder stilles dahinplätschern lässt ihn lebendig erscheinen. Die Menschen rund um die Themse haben ihn schon immer erzählen hören. Den Fluss. Geister, wie der stille Fährmann, befahren die Themse und holen die Menschen, die gestorben sind auf die andere Seite. Oder es kommt vor, dass ein Flusswesen an die Gestade der Themse gespült wird und dann das Leben der Erdbewohner durcheinander bringen. Es ranken sich merkwürdige Geschichten. Geschichten die gerne des Abends in einem Pub, dem Swan in Radcot nahe der Themse, erzählt werden. Und ein guter Erzähler, lockt viele Zuhörer an…

Was der Fluss erzählt
An einem stürmischen Winterabend des Jahres 1887 steht plötzlich ein wilder Mann in der Tür des Swan’s. Er hält in seinen Armen eine kleine Puppe. Selber ist er vollkommen entstellt, scheint mit dem Gesicht irgendwo so heftig aufgeschlagen zu sein, dass man ihn kaum noch erkennt. Die Puppe flog in die Arme des Wirtsjungen. Selbst noch ein Kind, fängt er das leblose Bündel auf. Doch die Puppe ist ein vierjähriges Kind, das tot in den Armen des Jungen liegt.
Der Mann wird von einer schnell herbei gerufenen Krankenschwester versorgt und das Kind im Kühlhaus aufgebahrt. Doch als die Krankenschwester Zeit hat, sich das Kind anzuschauen, stellt sie erst den Tod des kleinen Mädchens fest und im selben Moment schlägt das Kind die Augen auf. Die Schwester zweifelt an sich und bringt das Mädchen zu dem Mann, der noch immer nicht ansprechbar ist.
Alles wird gut. Der Mann überlebt. Eine reiche Familie, denen ihre Tochter vor zwei Jahren entführt wurde, erhebt Anspruch auf des kleine Mädchen. Aber ist das wirklich deren Tochter? Da ist noch der Sohn eines Farmers, der ebenfalls meint, das Kind wäre seines. Und dann ist da noch die Frau, die einsam, ganz dicht am Fluss wohnt, die der Meinung ist, das Kind wäre ihre Schwester.

Jeder, der das Mädchen ansieht, ist von ihr bezaubert. Findet eine Ähnlichkeit oder Verbindung. Doch man könnte meinen, das Kind wäre ein Geist. Es redet nicht und scheint wenig Emotionen zu zeigen.
Was ich gelesen habe
Was der Fluss erzählt, klingt wie ein Märchen. Diane Setterfield schrieb ein Roman der bezaubert. Woher kommt das Mädchen? Wie gelangte es in die Arme des Mannes. Sie spinnt eine spannende und märchenhafte Geschichte. Welche Menschen trugen dazu bei, dass das Kind im Gasthaus die Augen aufschlug. Mich zog das Buch sofort in seinen Bann. Man muss sich aber darauf einlassen, eine Mär erzählt zu bekommen. Der Fluss ist es, auf den man ständig wieder zurück kommt. Wie er über die Ufer tritt, wie er schneller oder langsamer strömt und welche Geschichten sich um ihn ranken. Durch welche Landstriche er zieht und wie die Menschen mit ihm zurecht kommen.
Vielleicht ist es auch das kleine Mädchen, dass alle an die Hand nimmt und mit ihnen in ihr Innerstes blickt. Für mich war dieses Buch eine Bereicherung. Diane Seterfield hat in ihrem Roman Mythen und Leben rund um die Themse zu einem interessanten und unterhaltenden Roman verwoben.

Diane Setterfield ist promovierte Romanistin und lebte viele Jahre in Frankreich. Bevor sie sich Vollzeit der Schriftstellerei widmete, arbeitete sie als Lehrerin. Ihr Debüt, »Die dreizehnte Geschichte« (Blessing, 2007), war ein internationaler Bestseller und wurde mit Vanessa Redgrave in der Hauptrolle von der BBC verfilmt. Diane Setterfield lebt in Oxford.
Dieses Buch habe ich schon im Januar kurz vorgestellt. Es gehörte zu den Januar-Lesezeit-Büchern
Ein Roman von Diane Setterfield
Übersetzt wurde der Roman von Anke & Eberhard Kreutzer
Originaltitel: Once upon a River
576 Seiten
ISBN: 978-3-89667-329-9
von Andrea Karminrot | Dez. 17, 2020 | Historie, Rezension, Roman |
… nach der unsterblichen Seele
Dieser Roman entführt uns nach Basel im Spätmittelalter. Der junge Paracelsus und sein Freund und Kommilitone Caspar dürfen während ihrer Medizinischen Studien Leichen öffnen. Damals wohl eher eine Seltenheit, da es von der Kirche als Frevel angesehen wurde. Als aber der Bischof von seinem Amt zurücktrat, mussten die jungen Männer ihre Studien aufgeben, denn sonst würden sie auf dem Scheiterhaufen landen. Doch Paracelsus will nicht aufgeben die Seele der Menschen zu finden und begibt sich auf mystische Spuren, immer gefährdet von den Söldnern des neuen Fürstbischofs aufgespürt und dem Henker ausgeliefert zu werden.

Eva-Isabel Schmid beschreibt das mittelalterliche Basel in sehr schönen Worten, so dass man sich die Stadt und das Leben zu dieser Zeit sehr gut vorstellen kann. Fast kann man die schlechten Gerüche der Straßen wahrnehmen. Sie schreibt in farbenfrohen Worten, wie es damals zugegangen sein mag. Ihre Figuren wirken allesamt sehr sympathisch, auch wenn es manchmal um Bösewichte und Magier geht.
Doch ist ihre Geschichte nicht unbedingt wirklichkeitsnah, denn die Autorin benutzt Wörter, die damals bestimmt nicht genutzt worden sind. Allerdings tut es der eigentlichen Geschichte damit keinen Abbruch. Der Roman liest sich sehr flott und unterhält.

Paracelsus
Der junge Paracelsus, der mit vollem Namen Theophrastus Bombast von Hohenheim heißt, ist ein sympathischer Bursche, der stets in Frage stellt, was ihm die damaligen „Ärzte“ als Medizin vermitteln wollen. Paracelsus lehnte die Viersäfte-Lehre ab und eckte mit seinen Behandlungsmethoden, die näher an dem Menschen, als an dem Glauben sind, bei seinen Mitstreitern oft an. Doch lässt ihm die Suche nach der Seele einfach keine Ruhe und so kontaktiert er einen Hexer, der ihm den Kontakt zu Astarte herstellen möchte. Allerdings geht das nur, wenn man Heidenkult betreibt…
In dem Roman hat Paracelsus drei gute Freunde, die sich immer wieder Sorgen um sein Seelenheil machen. Diese Freunde versuchen Paracelsus auf dem rechten Weg zu halten. Am meisten sein bester Freund Caspar, mit dem er sich auch ein Zimmer teilt.

Die Autorin bringt recht glaubhaft rüber, welch irrwitzige Gebräuche damals ausgeübt wurden. Die Kirche hatte eine unglaubliche Macht. Die Bevölkerung aber ist gerade im Umbruch und ziemlich uneins, denn Martin Luther ist mit seinen Thesen unterwegs. Ablässe entlasten die Verbrecher, soweit sie es sich leisten können sich ihrer Sünden frei zu kaufen. Bischöfe entledigen sich ihrer ungläubigen und widerborstigen Untertanen. Alles ohne Konsequenzen. Ich glaube, ich bin froh in der heutigen Zeit zu leben.
Der Roman ist, wie gesagt, sehr unterhaltsam und ich freue mich schon auf den Nachfolgeband der 2021 erscheinen soll. Dieses Buch steht bei den Dezember Büchern Dezember Büchern
Die Autorin
Dr. med. Eva-Isabel Schmid wurde 1983 in Regensburg geboren. Nach dem Studium der Humanmedizin in München, London und Sydney arbeitete sie als Ärztin in Oberbayern und Zürich. Die Paracelsus-Dilogie ist ihr Debüt als Romanautorin. Zusammen mit ihrem Ehemann lebt sie aktuell in der Nähe von Zürich und ist in ihrer Wahlheimat als Hausärztin tätig. (Autoren Seite des Piper-Verlags)
Paracelsus auf der Suche nach der unsterblichen Seele
Ein historischer Roman von Eva-Isabel Schmid
440 Seiten
EAN 978-3-492-50400-3
Verlag: Piper
von Andrea Karminrot | Nov. 25, 2020 | Historie, Rezension, Roman |
Der Fremde aus Paris ist die Geschichte des jungen Mannes Midhat Kamal, der von seinem Vater 1914 aus Palästina nach Frankreich geschickt wird. Der Vater möchte ihn davor schützen in den Dienst der osmanischen Armee eingezogen zu werden. Midhat ist ein intelligenter Junge, der das Glück hat in dem Haus eines Anthropologen, Professor Molineu und seiner Tochter Jeanette unterzukommen. Die Kultur und Sprache der Franzosen ist ihm noch nicht ganz begreiflich. Aber das ändert sich schnell und Midhat verliebt sich in die hübsche Tochter seines Gastgebers, während er Medizin in Montpellier studiert.

Doch eines Tages findet Midhat heraus, dass er selber zu einem Studienobjekt geworden ist und verlässt die Molineu’s Hals über Kopf. Er geht nach Paris und genießt die weltoffene Stadt in vollen Zügen. Seinem Vater erzählt er nicht, dass er nun Geschichte studiert. Und nicht nur Geschichte, sondern auch die Freizügigkeit der Frauen. Er debattiert mit arabischen Nationalisten, die er seine Freunde nennt.
Im Oktober 1919 kehrt Midhat in seine Heimat Nablus zurück. In eine Welt, die sich kaum verändert hat.

Das Buch Der Fremde aus Paris wurde schon in 16 Sprachen übersetzt und viele loben das Debüt der 28 jährigen Schriftstellerin über die Maßen. Ich empfinde den Roman allerdings etwas zu verworren. Ich war mit französischen Sätzen konfrontiert und all die vielen (für mich seltsam klingenden arabischen und französischen Namen) verwirrten mich. Noch dazu fehlten mir die geschichtlichen Grundlagen aus dem arabischen Raum. Freundlicher Weise gibt es eine Zeittafel hinten im Buch und nachdem ich mich durch die Geschichtstafeln palästinensischer und syrischer Nationalbewegungen gelesen habe, fing ich an, das Buch zu verstehen.

Midhat ist hin und her gerissen zwischen dem freien Leben in Europa und der Enge seiner Heimat. Im Grunde passt er, nachdem er aus Europa zurück gekehrt ist, nicht mehr in die Familie. Sein Vater zwingt ihn in eine Ehe, wobei Midaht sich dazu allerdings eine Frau aussuchen kann. In seiner Heimatstadt Nablus bleibt er immer der Sonderling, der Fremde aus Paris.
Für mich sehr interessant war die Entwicklung und das Wirken der Besatzermächte Frankreich und England. Welche Auswirkungen das Einmischen in die Grenzziehung, bzw. das Erlauben von enormen Mengen von jüdischen Einwanderern nach Palästina nach sich zog. Da wird begreiflich, wieso es nie zu Frieden in diesem umtosten Land kommen wird. Die Palästinenser wollten sich selbst bestimmen und taten alles, um sich zu befreien. Ganz nebenbei wabert auch noch die Frauenbewegung durch den Roman. Die arabischen Frauen werden schleierfrei, doch nicht lange und sie verschleierten sich wieder, um sich von den jüdischen Frauen im nahen Jerusalem und den jüdischen Siedlungen rund um Nablus zu unterscheiden.
Für mich war dieses Buch zwar spannend, hatte aber auch seine Längen. Die Hauptfigur Midhat ist der Urgroßvater der Autorin, den man in sein Herz schließen möchte.

Die Autorin
ISABELLA HAMMAD wuchs in London auf, lebt in London und New York. Ihre Erzählungen erschienen u.a. in The Paris Review und wurden mit dem Plimpton Prize for Fiction ausgezeichnet. Ihr Debütroman »Der Fremde aus Paris« ist angelehnt an die Geschichte ihres eigenen Urgroßvaters. Er wurde weltweit in 16 Länder verkauft und ist für den Observer eines der wichtigsten Debüts sowie für die New York Times einer der wichtigsten Romane 2019.
(von der Verlagsseite kopiert)
Aus dem Englischen von Henning Ahrens
Originaltitel: The Parisian
736 Seiten
farbige Landkarten
ISBN: 978-3-630-87617-7
von Andrea Karminrot | Nov. 23, 2020 | Biografie, Historie, Rezension, Sachbuch |
Selma Lagerlöf (1858-1940) kennen alle. Sie schrieb Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Doch Selma war noch mehr als nur die Schriftstellerin. Wusstest du, dass sie als erste Frau den Nobelpreis für Literatur bekam, dass sie sich sehr für die Frauenrechte einsetzte?

In der Romanbiografie können wir einen Blick in das Leben Selma Lagerlöf werfen. Maria Regina Kaiser macht es uns einfach, diese Frau, über ihr schriftstellerisches Können hinaus, zu lieben.
Selma wuchs als Vaters Liebling, in Strömstad, Schweden auf. Als Selma drei Jahre alt war konnte sie sich nach einem Bad in einer Quelle nicht mehr alleine bewegen. Der Vater fuhr mit dem Kind sogar zum vornehmsten Doktor in Karlstad, damit seine kleine Selma wieder die Alte wurde (obwohl er es sich eigentlich nicht leisten konnte!). Aber nichts half. Selma wurde besonders umsorgt, bekam alles was sie sich wünschte. Als die Familie dann einige Jahre später eine Reise unternahm, fing die Fünfjährige ganz unbewusst wieder zu laufen an. Etwas hinkend, aber es ging.

Damit sich das Kind besser entwickeln kann, wurde sie dann zu den reicheren Verwandten nach Stockholm geschickt. Sie bekam dort Gymnastik verordnet, die ihr gut half. Und ganz nebenher, lernte sie dort Englisch und Klavierspielen. Alles andere, wie schreiben, lesen und das nötigste der Mathematik, lernten die Mädchen der Familie Lagerlöf von ihrer Kinderfrau. In die Schule gingen sie nicht. Das hielt Selma aber nicht davon ab, später Gedichte, Reden und Poeme für die Nachbarschaft zu schreiben. Jeder, der ihre Worte las oder hörte, war begeistert.
Aber das schreiben und dichten war nicht ihre einzige Leidenschaft. Sie wollte eigentlich Flugapparate entwickeln und bauen. Doch dann kam einiges anders.
Selma durfte auf die Lehrerinnen-Schule gehen und bestand die Aufnahmeprüfung. Als Lehrerin, verdiente sie sich ihr erstes Geld und dann schrieb sie Prosa…
Jeder kennt die Reise des Gänsehüters Nils Holgerson. Doch wusstest du, dass dieses Buch eigens für die Schüler Schwedens geschrieben wurde? Selma saß sehr lange an diesem Roman, bis sie endlich die Eingebung hatte. Lagerlöf schrieb viel. Einige Bücher entstanden nach ihrer Reise nach Afrika, die sie mit Sophie Elkan unternahm. Sie wurde immer wieder inspiriert und schuf ein gutes Buch nach dem anderen, dass sie (einigermaßen) reicher machte.
Die Schriftstellerin verliebte sich in eine Sophie Elkan, die sie aber niemals anfassen durfte und gleichzeitig hatte die Autorin eine Liebesbeziehung zu Valborg Olander, die sie immer auf Händen trug und Selma jeden Wunsch von den Augen ablas. Selma Lagerlöf sprach vor Frauenversammlungen und im Radio. Das Frauenwahlrecht gab es zu ihrer Zeit noch nicht und wie fast überall in Europa, bekamen Frauen weniger für ihre Arbeit als Männer.
„Warum wir das Stimmrecht fordern? Weil wir glauben, dass unsere Hilfe bei der Lösung der großen Aufgabendes Staates gebraucht wird.“ 1911 Selma Lagerlöf auf dem Weltkongress für das Frauenstimmrecht in Stockholm
All das und noch mehr beschreibt Maria Regina Kaiser in ihrer bezaubernden Romanbiografie über Selma Lagerlöf. Aber das ist noch nicht alles. Ein Drittel des Buches, ist eine leicht zu lesende Zusammenfassung vom Leben Selma Lagerlöf’s. Welche Menschen in ihrem Leben eine besondere Rolle spielten, mit wem sie einen regen Briefwechsel führte, Selma und das Wahlrecht in Schweden, über ihre Reisen… und noch so vieles mehr. Ich war so hingerissen von diesem Buch, dass ich nicht aufhören konnte alles zu lesen.

Ganz am Ende des Buches findet man dann noch ein paar Bilder von der schwedischen Autorin. In meinen Augen eine ganz besondere Frau! So dass ich mich nun genötigt fühle, eines ihrer Bücher zu lesen, dass über Nils Holgerson hinaus geht… Ein November-Buch
Selma Lagerlöf
Die Liebe und der Traum vom Fliegen
Eine Romanbiografie von Maria Regina Kaiser
256 Seiten
ca. 15 Abbildungen
ISBN 978-3-87800-135-5