von Andrea Karminrot | Aug. 15, 2017 | Nachdenklich, Rezension, Roman |
Wie weit kann man sich ignorieren?
Das wollen die doch gar nicht hören! Wem sollte ich es überhaupt erzählen? Wie soll ich es sagen? Das will doch keiner wissen! Ich werde das schon alleine auf die Reihe bekommen, so wie es in allem ist… So denkt Katharina, die Hauptdarstellerin in dem Buch:
ein Roman von
Mareike Krügel
Einfach eine Liste schreiben, was ich noch zu erledigen habe und dann den normalen Wahnsinn weiter spielen. Nicht darüber nachdenken, dass dort in meiner Brust ein “Etwas” ist.
Wie würde ich wohl reagieren, wenn ich einen Knoten in der Brust entdecken würde, mit dem Wissen, dass meine Mutter, als ich 17 war, elendig an solch einem Gewächs gestorben ist? Wäre ich wie Katharina in dem Buch von Mareike Krügel? Würde ich es für mich behalten wollen und es “schon alleine schaffen“. Vielleicht auch selber nachhelfen, bevor der Krebs mich auffrisst? Ich finde, es ein schwieriges Thema, vor allem, wenn man mit 40 noch zu jung zum sterben ist.
Katharina steckt in dem “normalen“ Wahnsinn einer Mutter. Als sie einen Knoten in ihrer Brust entdeckt. Ihr Vertrauen zu den Ärzten, ist nicht besonders groß, nachdem ihre Mutter schon an einem solchen Gewächs gestorben ist, als Katharina gerade in der Pubertät war. Katharinas Leben steht auf dem Kopf. Ihre Familie und ihr Umfeld machen es ihr auch nicht besonders leicht, über dieses Etwas zu reden. Immer wieder treten Situationen auf, die ihre Misere in den Hintergrund rücken. Katharina hat ein kleines Buch. Dort schreibt sie Listen über Dinge, die ihr wichtig sind, die sie noch erledigen möchte. Oder was sie liebt und was sie erfreut, alles was sie nicht vergessen möchte. Unter anderem, hat sie dort eine Liste angelegt, wie man sich am Besten aus dem Leben stiehlt…
Katharina ist die Erzählerin. Sie ist Musiklehrerin in einem Kindergarten aber eigentlich ist sie studierte Musikwissenschaftlerin und liebt klassische Musik. Sie hat eine 11 jährige Tochter mit ADHS und einen 17 jährigen Sohn, der Musicalsänger werden möchte. Ihr Mann kommt nur an den Wochenenden aus Berlin an die Küste. Er arbeitet dort in einem Architekturbüro. Aber damit nicht genug, kümmert Katharina sich auch noch um die seltsamen und einnehmenden Nachbarn. Somit steht sie mit ihrem Problem komplett alleine da. Wem sollte sie also von ihrer Entdeckung erzählen?
Mareike Krügel hat einen Roman geschrieben, der so voller schöner, lustiger und nachdenklicher Momente ist. Sie hat eine Art zu schreiben, die einem die Luft nimmt. So mitreißend und klar. Mit sehr viel Humor, einiger Bestürzung und Angst vor dem “Etwas”. Die Autorin verzaubert durch Sätze, die man am liebsten ständig unterstreichen möchte.
Ich kann nur empfehlen, dieses Buch zu lesen, ein wirklich geniales Buch.
Verlag Piper
256 Seiten,
Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-492-05855-1
von Andrea Karminrot | Aug. 10, 2017 | Nachdenklich, Rezension, Roman |
Ein Roman von José Eduardo Agualusa
aus dem C. H. Beck Verlag
übersetzt von Michael Kegler
Ludovica bringt versehentlich einen Menschen um und verscharrt ihn auf ihrer Terrasse. Aus Angst, geht und ging sie nicht mehr auf die Straße und mauert sich in ihrer Wohnung ein. 30 Jahre lang, bekommt sie nichts von ihrer Umwelt mit. Manchmal nur, wenn es Strom gibt, hört sie Radio. Ihre Wohnung ist im elften Stock eines Hochhauses in Luanda, Angola. Während draußen, vor ihrem Fenster, die Menschen um Unabhängigkeit von Portugal kämpfen, versucht sie möglichst unsichtbar zu bleiben. Ernährt sich von dem was sie in ihrer Wohnung findet und was sie auf ihrer Dachterrasse anbauen kann.
Der Autor José Eduardo Agualusa erzählt eine Geschichte, die wahr sein könnte. Er verstrickt viele kleine Geschichten zu einer Großen. Geschickt, verknüpft er die Personen miteinander, so daß doch wieder alles zu der Wohnung im elften Stock führt. Wie viel davon fiktiv ist und was aus dem wahren Leben stammt, das verrät uns der Autor nicht. Nur soviel, daß die Zeitungen ihm genügend Material lieferten.
Wie immer, wenn es um Ungerechtigkeit geht, vergessen viele Menschen, was sie für schlechte Dinge getan haben. Und darauf scheint Agualusa abzuzielen. Vergessen, was schlecht war, vergessen werden, vergessen, woher man stammt und wohin man gegangen ist.
Wenn man versucht die Geschichte ohne Hintergründe zu lesen, dann findet man eine außerordentlich lustige Geschichte und spaßige Figuren. Mit Tragik, Gerechtigkeit und Groteske gewürzt. Ein Roman, der sich schnell wegliest und doch tiefgründig ist. Figuren, die interessant sind und viel Raum zum Hineindeuten lassen. Ein klasse Buch und eine seltsame Geschichte.
Ich habe es gleich zweimal gelesen. Es hat mich amüsiert, erinnert, nachdenklich gemacht und auf die Suche nach Wissen geschickt. Ich kann es nur empfehlen zu lesen.
C.H.Beck Verlag
Gebunden, 197 Seiten
ISBN 978-3-406-71340-8
von Andrea Karminrot | Juni 28, 2017 | Rezension, Roman |
von Stephanie Danler
In vollen Zügen und mit absolutem Genuss
Tess stammt aus der Provinz und beschließt, nach dem Abschluss ihres College nach New York abzuhauen. Ihr Eigenes, langweiliges Leben und den Vater hinter sich zu lassen. Sie will sich auf die eigenen Füße stellen, etwas Neues für sich. Eigentlich, hat sie keinen Plan was sie dort, in dieser riesigen Stadt, eigentlich werden will. Zur Überbrückung stellt sie sich in einem schicken Edelrestaurant vor. Sie bekommt eine Stelle als Hilfskellnerin, darf Teller schleppen und Getränke aus dem Keller holen. Damit hat sie den Einstieg in eine völlig fremde Welt. Eine Welt voller Gerüche, Geschmäcker und wilden Partys nach der Arbeit. Sie lernt die unterschiedlichsten Menschen, Weine und Speisen kennen. Süßes, Bitteres, Salziges… alles ist so intensiv, so spannend. Die Kollegen nehmen sie nur vorsichtig in ihrer Mitte auf, nehmen sie aber trotzdem zu ihren Afterworkpartys mit. Alkohol-, Drogenexzessen und Affären spielen während dieser Ausflüge eine große Rolle. Ein Leben in vollen Zügen und Genüssen…
Stephanie Danler
schreibt sehr schnell und unterhaltsam. Sie weiß, von was sie schreibt, denn sie hat selber in einem New Yorker Edelrestaurant gearbeitet, bekam selber einen Einblick in die Welt der Gastronomie. Ihren Roman hatte sie damals schon geschrieben und einem ihrer Gäste, einem Verleger, angeboten.
Die schnelle kurze Sprache und die flotte Wechsel auf die Darsteller, machen das Buch etwas verwirrend, aber auch interessant. Tess, ihre Hauptfigur hat Spaß an diesem wilden Leben, und scheint damit einen Blick auf die junge Generation freizugeben. Einer Generation, die nicht weiß was sie will, aber das was sie hat, in vollen Zügen genießt.
Ziellos, zügellos nie gelangweilt
Mir persönlich hat dieses Buch Spaß gemacht, war nie langweilig und hat mir Appetit gemacht. Das Buch verdeutlichte aber auch, in welchen Situationen unsere Jugend steckt, ziellos, zügellos, gelangweilt und doch motiviert, Neues zu entdecken.
Verlag : Aufbau Verlag
Übersetzt von Sabine Kray
Gebunden mit Schutzumschlag,
416 Seiten
ISBN
978-3-351-03672-0
Verlinkt bei
Danke an NetGalley und den Verlag,
dass ich dieses Buch lesen durfte
von Andrea Karminrot | Juni 22, 2017 | Rezension, Roman |
von Megan Hunter
Naturkatastrophen können unser Leben komplett verändern
England wird vom Wasser größtenteils überschwemmt. Die Menschen versuchen, sich hilflos und verzweifelt in Sicherheit zu bringen. Eine junge Frau bekommt, kurz bevor das Wasser auch die Kliniken in London überschwemmt, dort ihr erstes Kind. Ihr Gefährte versucht mit seiner kleinen Familie eine Zuflucht zu finden, die sicher ist. Aber am Ende, verschwindet auch der Vater und Mutter und Kind müssen sich alleine durchschlagen. Allein diese innige Beziehung hält die Frau über “Wasser”
Megan Hunter hat einen gewaltigen und doch poetischen Debütroman geschrieben. Roman ist hier vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Ihr Text ist in kurzen Zitaten, fast Verse, zu lesen. Durchsetzt mit Textpassagen aus mythologischen und religiösen Texten wirkt es wie ein Blick in das Tagebuch einer Mutter, die die Entwicklung ihres Kindes und die Zustände ihrer Umwelt festhalten möchte. Fast emotionslos werden einem die Umstände hingeworfen und doch spürt man gewaltig die Liebe und die Angst um das Kind. Hinter jedem Abschnitt kann man in seinen eigenen Gedanken die Geschichte weiterspinnen und hat Spielraum sich Szenarien vorzustellen. Megan Hunter gibt nur Bruchstücke der Geschichte frei und lässt uns die Freiheit, zu Ende zu denken. Damit wird dieses Buch zu einem Mammutwerk. Erschütternd, ohne viele Worte und doch zart und liebevoll.
Mich hat dieses 160 Seiten starke Büchlein sehr beschäftigt. Wie gesagt, es sind nicht viele Worte in dem Buch zu finden und doch habe ich über eine Woche gebraucht, um es zu lesen. Spannend war es auch, dass die Autorin keine Namen in dem Werk verteilte, sondern nur Buchstaben.
Was macht es mit einem, wenn man sich nicht an einem Namen festhalten kann ?….
Wie einfach man sich dann von der Figur verabschieden kann, wenn sie verloren geht, ist mir damit erst bewusst geworden. Bindungslos.
Ich kann es absolut empfehlen!
Verlag : C. H. Beck
160 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag
von Andrea Karminrot | Apr. 24, 2017 | Rezension, Roman |
Dies ist die Geschichte einer jungen Frau, die 1920 in Mainz zur Welt kam und die das “Pech” hatte, die Tochter eines jüdischen Schuhhändler zu sein. Gudrun ist eine lebenslustige und mutige junge Frau, die durch den Fluss schwimmt, um sich an den Schleppkähnen hoch zu ziehen und sich zu sonnen. Natürlich bekommt sie für solche Eskapaden Ärger. Das macht ihr aber nichts und sie lässt sich bald andere Dummheiten einfallen. Als Hitler an die Macht kommt und Deutschland seine Juden einsperrt und vertreibt, flüchtet Gudrun, nachdem sie mehrere Haftstrafen verbüßt hat und sich mit der SS auseinander setze, nach Shanghai.
Das Buch erzählt Gudruns Lebensgeschichte, die immer wieder “glückliche Fügungen” nahm. Gudrun scheint immer an die richtigen Menschen zu geraten zu sein. Stets war einer dabei, der das Mädchen durch Widrigkeiten schiebt und es ihr verhältnismäßig leicht macht. Nicht, daß es wirklich leicht war! Denn auch sie macht die Erfahrung, in einem Gefängnis zu sitzen oder in den Elendsvierteln von Shanghai.
Egal, sie war 21 Jahre alt, das richtige Alter, um endlich die Freiheit zu genießen, in Shanghai oder anderswo! Wenn schon kein sicheres Leben, dann wenigstens ein Aufregendes…
Seite 120
Was ich gut fand: Etwas über das Leben der Geflüchteten zu erfahren. Wie es Ihnen in den fremden Ländern, zwischen all den abweisenden Einwohnern, erging. Welche Erfahrungen die Menschen auf der Flucht vor den Nazis machten und welches Elend sie erlebten..
Außerdem gefiel mir, dass Gudrun eine beste Freundin hatte, die etwas mehr “Glück” hatte und nach Amerika ausgewandert ist. Die beiden Frauen schrieben sich über die gesamte Zeit ihres Lebens Briefe, die wir mitlesen durften.
Was mir an dem Buch nicht gefallen hat: Wie die Geschichte erzählt wird. Irgendwie liest es sich wie eine Zusammenfassung, weniger als ein Roman. Ich fand die Story gut, aber die Umsetzung doch sehr abgehackt und ruppig. Irgendwie unrund. Gespräche der Protagonisten lesen sich, wie mitgeschnitten und wahllos zusammengesetzt. Manchmal wusste ich nicht, welche Figur gerade diesen einen Satz gesagt hatte und versuchte es mir zusammen zu reimen. Das störte den Lesefluss doch sehr.
Fast emotionslos wird die Geschichte herunter gerattert, als blieben Gudruns Gefühle völlig auf der Strecke, als wäre Gudrun eine dumme Pute, die einfach nur Glück hatte. Schade, mit ein wenig mehr Gefühl, wäre es ein gutes Buch geworden. Am Ende, auf den letzten Seiten, durfte man dann endlich einen Blick in das Gefühlsleben der Protagonistin wagen. Erst auf den letzten 50 Seiten, habe ich mich mit dem Schreibstil angefreundet. Dann freundete ich mich mit dem Charakter der Hauptdarstellerin an und verstand die ruppige Art, in der Sabine Bode, die Autorin, das Buch verfasst hat. Nach dem Klappentext habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut und war dann etwas ernüchtert, als ich dieses Buch las.
Sabine Bode hat schon einige Bücher über seelischen Kriegsfolgen geschrieben. Ihre Bücher waren allesamt Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Verlag Klett-Cotta
350 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-608-96200-0
Danke an Netgalley und den Klett-Cotta Verlag für dieses Leseexemplar
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