Die Toten von Marnow, von Holger Karsten Schmidt

Die Toten von Marnow

Mit diesem Krimi habe ich wohl meine Abneigung gegen Krimi, Thriller und Co überwunden. Die Toten von Marnow haben mir einen schnellen und unterhaltsamen Lesegenuss verschafft.

Lona Mendt und Frank Elling sind polizeiliche Ermittler in Rostock. Sie werden zu einem Mord gerufen, der ziemlich klar scheint. Elling bekommt von einer fremden Frau das Angebot, die Ermittlungen fallen zu lassen. Die Frau würde ihm sogar eine beträchtliche Summe zahlen, damit er den Mörder nicht mehr verfolgt. Der Rostocker Ermittler lebt über seine Verhältnisse hinaus, da wäre so ein Geldsegen schon recht verlockend.

Lona Mendt kommt aus dem „Westen“. Was sie nach Rostock verschlagen hat, ist nicht sofort ersichtlich. Die freiheitsliebende, attraktive Frau gondelt mit ihrem Wohnmobil ohne festen Wohnsitz durch die Gegend. Als die Ermittlungen sich an die Mecklenburgische Seenplatte verlegen, stellt sie ihr mobiles zu Hause auf dem Campingplatz in Marnow ab. Keine gute Idee, wie sich später heraus stellt.

Was ich gelesen habe

Das Ermittlerduo kommt total sympathisch rüber und man kann Elling tatsächlich verstehen, dass es ihn kribbelt, das viele Geld zu nehmen. Seine ganze heile Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein. Ich mochte den Kerl sofort. Auch Lona gefiel mir von Anfang an. So unabhängig möchte wohl jeder von uns gerne sein. Der Autor hat eine so leichte Schreibweise, lässt kaum Raum, das Buch weg zu legen. Manchmal flaut der Spannungsbogen kurz ab, dennoch wird es nicht langweilig, weil Holger Karsten Schmidt sofort wieder anzieht. Brutale Momente lösen sozialkritische ab. Welche Abgründe sich am Ende des Buches auftun, möchte ich doch lieber verschweigen. Nur eins, das wussten bestimmt nicht viele Menschen, hüben wie drüben!

Ich freue mich schon darauf, dass es wohl mehrere Bände mit diesem Polizistenpaar geben wird.

Der Autor

Holger Karsten Schmidt hat mit sechs Jahren schon seine erste Kurzgeschichte geschrieben. Seitdem scheint ihn das Schreiben nicht mehr los gelassen zu haben. Abgesehen davon das er so einiges studiert hat, kam er dazu Drehbuchautor zu werden. Filme wie Blade Runner inspirierten ihn. 2011 wurde sein Buch Isenhardt veröffentlicht und mit Die Toten von Marnow, schrieb er einen weiteren sehr gut lesbaren und unterhaltsamen Krimi. Dieses Buch wird auch verfilmt und soll im Frühjahr 2021 zu sehen sein.

Verlag KiWi-Paperback
480 Seiten
ISBN: 978-3-462-04794-3

Dieses Buch verlinke ich gerne bei den Bücher für den Februar und bei Monerl

Kein Teil der Welt, Ein Roman

Kein Teil der Welt

Wenn man kein Teil der Welt ist, dann gehört man wohl nicht zu unserem normalen Leben dazu. In diesem Buch von Stefanie De Valesco geht es um zwei pubertierende Mädchen, die in einer besonderen Gemeinschaft groß werden. Die der Zeugen Jehovas. Und da gehört man eben nicht zu der normalen Bevölkerung. Die Menschen in dieser Glaubensgemeinschaft grenzen sich selber aus und warten auf Harmagedon, auf das Ende der Welt und nur eine geringe Anzahl Gläubiger werden im Paradies leben. So lange glaubt man an das, was in ihrer Bibel steht.

Soweit so gut.

Unsere Mädchen werden also bei den Zeugen Jehova groß, halten artig ihre Bibelstunden und Treffen im Königreichssaal ab. Sie befolgen die Gesetze, die die Gemeinschaft festgelegt hat und glauben an Jehova. Satan ist in fast allem Weltlichen. Geburtstage, Weihnachten und co werden nicht gefeiert. Aber die Mädchen werden erwachsen und gehen zudem in eine weltliche Schule, treffen dort andere Jugendliche, die sie wegen ihrem Glauben zeitweise sogar aufziehen. Und dann passiert es, dass sich eines der Mädchen auch noch in einen Weltlichen verliebt. Plötzlich fangen die Freundinnen an zu hinterfragen. Stimmt denn das alles was die Brüder und Schwestern ihnen da die ganze Zeit erzählen? All das hat am Ende fatale Folgen.

Die Erzählerin,

ist Esther, eine der beiden Mädchen. Sie erzählt in einer recht bildhafter Weise von ihrem Leben und ihrer Freundschaft mit Sulamith. Sulamith ist diejenige, die sich besonders von der Glaubensgemeinschaft abkehrt. Lidia, Sulamiths Mutter, kommt damit gar nicht klar und hat Angst, dass ihre Tochter aus der Vereinigung ausgeschlossen würde. Was heißen würde, dass keiner mehr mit dem Mädchen redet, sie förmlich unsichtbar wäre. Esther ist hin und her gerissen. Einerseits bemerkt sie auch Unstimmigkeiten in ihrem Leben, trotzdem weiß sie nicht, wie sie sich daraus befreien könnte. Die große Gemeinschaft ist gleichzeitig eine Familie, die füreinander da ist. Erst als Sulamith aktiv wird, fängt auch Esther an „aufmüpfig“ zu werden.

Was mich bewegt hat

Die beiden Mädchen leben in einer Welt, die ich so nicht kenne. Welche Gesetze die Glaubensschwestern und -brüder befolgen müssen, musste ich erst einmal erforschen. Kritisch las ich, was ich im Internet über die Zeugen Jehova fand. Ein Glauben, den ich nur von den Hausierern und Zeitungsverteilern in meiner Stadt kenne. Einerseits sah ich tatsächlich Positives in der Glaubensgemeinschaft. Aber immer wieder stieß ich auf Dinge, die ich nicht gutheißen mag. Am Ende ist aber jeder für sich selbst verantwortlich. Nur sind es wieder die Kinder, die in den Glauben gepresst werden. Eine eigene Entscheidung ist nur möglich, wenn sie sich von ihrer Familie abkehren. Und wer hat schon die Stärke auf seine Lieben gänzlich zu verzichten? Mich hat das Buch sehr bewegt.

Eine kurze Lesung von der Autorin selber findest du hier

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Verlag Kiepenheuer&Witsch
ISBN: 978-3-462-05043-1
432 Seiten

Der neue Roman von Mick Kitson, Sal

Sal, ein Roman von Mick Kitson

Sal ist ein Dreizehnjähriges Mädchen aus Schottland. Sie kümmert sich schon immer um ihre drei Jahre jüngere Schwester, weil ihre Mutter Alkoholikerin ist. Sal ist intelligent, aber in der Schule auffällig. Sie hat Sonderunterricht und wird von einer Schulpsychologin betreut. Aber was alle nicht merken ist, dass das Mädchen von dem Freund der Mutter missbraucht wird. Als der Freund Sal erklärt, dass ihre Schwester demnächst auch fällig sei, beschließt das Mädchen mit ihrer Schwester abzuhauen. Sie plant in die Highlands zu verschwinden. Sal kümmert sich um alles, sie staffiert ihre Schwester mit warmen Sachen aus, besorgt Waffen zum Jagen und sieht sich Filme über Überleben in Wäldern an. Eines Tages ist es dann soweit. Die Mädchen flüchten…

Mick Kitsone schreibt seinen Roman aus der Sicht des Mädchen Sal. Er lässt sie ihre Geschichte so nach und nach erzählen, dass man nicht sofort weiß, wie es in der misshandelten Kinderseele aussieht. Der Autor zieht den Leser so sehr in seinen Bann, dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte.

Seite 91 „Und da musste ich lachen. Manchmal schaffte sie, dass ich so lache. Das ist wie explodieren und nicht wissen, wo es herkommt.“

Wie mutig die beiden kleinen Mädchen sind und wie sie sich am Leben erhalten. Töten scheint dem 12 jährigen Mädchen im „Blut“ zu liegen. Ihr macht es nichts aus, dem Kaninchen den Hals umzudrehen oder dem Hecht mächtig auf den Kopf zu schlagen. Doch welche Not in der Kinderseele von Sal herrscht, das erschreckt beim Lesen der 352 Seiten doch sehr. Zum Glück werden die Mädchen es nicht alleine schaffen müssen. Aber das soll doch der Leser selber heraus bekommen.

Nebenher möchte man sofort die Koffer packen und zu den beiden Mädchen nach Schottland reisen. Der Autor beschreibt die Landschaft so wunderbar und idyllisch.

Für mich…

…blieb nach den letzten Seiten, die ich gelesen habe, noch eine Weile die Geschichte von Sal im Hinterkopf. Wie viele Kinder misshandelt, missbraucht oder missachtet werden, dass kann man sicherlich an einer Statistik nachlesen. Wenn aber in der tatsächlichen Nachbarschaft ein solches Kind wohnt, erkennt man es oft gar nicht. Oft sind es die Kinder selber, die sich für diese Misshandlungen schämen. So bleibt uns Erwachsenen einfach nur, immer hübsch die Augen aufhalten und versuchen, gerade für diese Kinder eine Freundin zu sein. Vielleicht öffnen sie sich und man kann sie unterstützen, sich gegen die Misshandlungen zu wehren.

Der Autor: Mick Kitson wurde in South Wales geboren und wuchs in London auf. Nach dem Studium arbeitete er als Journalist und wurde dann Englischlehrer. Heute lebt er in Fife, Schottland, und liebt das Fliegenfischen. »Sal« ist sein erster Roman.

Die Übersetzerin: Maria Hummitzsch. Sie hat schon viel aus dem englischen und Portugiesischen übersetzt. Wer mehr über sie wissen möchte klickt vielleicht einfach mal hier

ISBN 9783462051407
Fester Einband
352 Seiten
Verlag Kiwi

 

Der goldene Sohn

Im Westen Indiens, in einem kleinen Dorf, wächst Anil als das Älteste, von fünf Kindern auf. Er wird in der Schule wegen seines Stottern gehänselt und hat keine Freunde. Nur ein Mädchen, aus der ärmeren Nachbarschaft, Leena, hält zu ihm. Anil lernt schnell und ist intelligent. Er hilft Leena in der Schule besser mitzukommen. Die beiden Kinder verbindet eine besondere Freundschaft. Nachdem Anil die Schule beendet hat, darf er Medizin studieren und als Assistenzarzt nach Dallas, in Amerika. Er arbeitet dort sehr hart und versucht sich in das fremde Leben einzugliedern.
Leena, wird von ihren Eltern, der Sitte nach, mit einem Mann verheiratet, der eine beträchtliche Mitgift für die Hochzeit erhält. So hat sich Leena ihr Leben nicht vorgestellt, denn sie muss schwer im Haushalt ihres Mannes arbeiten und erfährt nur Ungerechtigkeiten und niemals Lob. Als es zu erheblichen Handgreiflichkeiten kommt, läuft sie weg….
Indien ist ein Land voller Brauchtümer. Alte Sitten bestimmen nach wie vor das Leben dort. Anli und Leena stecken in diesen Riten fest und nur weil Anil nach Amerika ging, kann er sich daraus befreien, ist aber weder hier noch dort zu Hause. Der Vater hat ihn zum Schiedsmann seines Dorfes bestimmt, eine Aufgabe die der junge gestresste Arzt sich gerne widmen möchte. Außerdem möchte er ein guter Arzt werden und arbeitet Tag und Nacht. Er hat es nicht leicht, sich in dem riesigen Krankenhaus in Dallas durchzusetzen und weiter zu kommen.
Leena möchte es ihren Eltern recht machen und gibt sich große Mühe in dieser verzwickten Ehe. Auch sie ist zwischen ihrem eigenen Wohlergehen und dem Leben, das sich die Eltern für sie vorgestellt und arrangiert haben, zerrissen. Sie möchte eine gute Tochter sein und den Eltern keine Schande machen.
Shilpi Somaya Gowda wechselt in ihrer Geschichte immer wieder zwischen dem Leben Leenas und Anils hin und her. Ich habe dieses Buch verschlungen und konnte es kaum aus der Hand legen. Es ist flott geschrieben und langweilige Szenen habe ich keine gefunden. Ab und zu, fand ich die Situationen etwas überzogen. Und das Ende kam ziemlich abrupt. Sie beschreibt die Situationen der Protagonisten neutral und lässt Raum zum nachdenken, den man auch unbedingt braucht.

Seite 203: …”Ich habe mir solche Mühe gegeben…und trotzdem… Ich habe alle enttäuscht. Meine Eltern, meinen Mann, meine Schwiegereltern. Ich kann doch nie wieder mein Gesicht zeigen. Was sollen die Leute von mir denken?” …

Indien ist vielfältig in seinen Bräuchen, Menschen und Regionen. Gelernt habe ich, dass in Gujarat, wo diese Geschichte spielt, nur vegetarisch gegessen wird (große Ausnahme ist Huhn), wie man einen guten Chai kocht und welche Gepflogenheiten gewahrt werden, wenn der Schiedsmann die Streitigkeiten der Dorfgemeinschaft schlichtet. Anils Leben in Amerika macht deutlich, unter welchem Druck dort die angehenden Ärzte stehen. Und, dass Amerika nicht unbedingt besser als Indien ist.
Der Goldene Sohn, ist das zweite Buch, das Shilpi Somaya Gowda geschrieben hat. Ihr Erstes war “Geheime Tochter”. Ebenfalls ein Roman, der zwischen Indien und Amerika spielt. Dieser Roman war schon ein Erfolg und wurde in 20 Sprachen übersetzt. Ich zweifle nicht, dass “Der goldene Sohn” ebenso ein Erfolg wird.

Verlag : Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 9783462047745

Verlinkt mit Nicoles Buch und mehr

Sei mir ein Vater

Lilie überrascht in ihrer Pariser Wohnung Einbrecher, die als sie flüchten, der jungen Frau ein Gemälde über den Schädel schlagen und dabei das Bild zerreißen. Als Lilie wieder zu sich kommt, findet sie in dem Rahmen des demolierten Bilde einen Brief von einem Mädchen an ihren verstorbenen Vater, der dieses Bild scheinbar gemalt hatte. Das Mädchen ist eine Urahnin der Überfallenen, eine damals bekannte Malerin der Belle Époque, Georgette Agutte. Kurzentschlossen nimmt Lilie das Bild mit auf ihre Reise nach Deutschland, zu ihrer Wahlfamilie, die sie noch aus Kindertagen kennt. Der Vater, den Lilie sich immer als den eigenen gewünscht hatte, würde an Krebs sterben. Der Brief bringt die Familie noch einmal zu einer Reise, vom Niederrhein bis in die Karibik, zusammen. Auf der Suche nach der Malerin Georgette Agutte und einem versteckten, wertvollen Bild.
Anne Gesthuysen entführt uns in ihrem zweiten Roman, nach “Wir sind doch Schwester”, in die Welt der Künstler und Maler der Belle Époque. Ihre Hauptfigur, Georgette Agutte ist eine Malerin, deren Bilder scheinbar in Vergessenheit geraten sind. Georgette trifft auf bekannte Maler, wie Renoir, Matisse und Pissarro. Einige Andere säumen ebenfalls ihren Weg durch die Zeit.
Lilie, die nie einen guten Draht zu ihrem eigenen Vater hatte, findet bei ihrer Gastfamilie in Deutschland einen Vater der ihr stets zur Seite stand. Auch Hanna, die Tochter der Deutschen, ist Lilie eine wahre Schwester. Gemeinsam stehen sie die schwere Zeit des Abschieds durch und erleben den Vater noch einmal lustig und von seiner Krankheit abgelenkt. 
Auch die Geschichte um die Malerin gefiel mir. Interessante Persönlichkeiten, gehen in dem Hause Agutte-Sembat ein und aus.( Mit ein paar Klicks, durch das Internet, findet man die beschriebenen Bilder der Künstler) Es wird gemalt, gefachsimpelt und diskutiert. Frankreich kurz vor dem ersten Weltkrieg, in den Zeiten des Fauvismus, als die Künstler geschmäht und angegriffen wurde, für ihre Werke zu den Weltausstellungen. 
Anne Gesthuysen, schrieb eine interessante Geschichte zwischen den Jahrhunderten. Hat Fiktion mit Realität zu einem spannenden, kurzweiligen Roman verwoben. Es hat Spaß gemacht dieses Buch zu lesen und hat mir einige schöne Stunden beschert. 
432 Seiten, 
gebunden