Winterkinder

ein Roman von

Owen Matthews

 die Geschichte seiner Familie.

Owen Matthews erzählt die Geschichte seiner Familie. Er hat sich auf die Spuren seiner Vorfahren gemacht und alles aufgeschrieben, was ihm seine Mutter und Tante aus den Erinnerungen berichteten. Er reiste nach Russland um die Spuren seiner Familie abzugehen und daraus eine interessante Zusammenfassung zu schreiben:

Russland zu Zeiten Stalin. Boris Bibikow wird trotz seiner Parteitreue verhaftet. Seine Frau und die große Tochter Lenina, damals 12 und Ljudmila 3, warten unter widrigen Umständen auf seine Rückkehr. Als dann auch noch Martha, die Mutter abgeführt wird, kommen die Kinder in eine Jugendstrafanstalt und später in ein Waisenhaus. (Die Stalinsche Säuberung forderte in dieser Zeit täglich 1000 Tote.) Die Kinder wurden durch den Krieg getrennt und nur durch Zufälle kamen sie nach Jahren wieder zusammen .

Die Geschichte Mervyns Matthews, beginnt in Südwales. Auch da herrschen nicht die besten Voraussetzungen. Mervyn lernt aus langeweile heraus, Russisch, was ihm später die Möglichkeit bringt, in Oxford zu studieren. 1958 fanden in Moskau die Weltfestspiele der Jugend statt und eine Möglichkeit für Mervyn nach Russland zu reisen.

Ljudmila und Mervyn treffen einander in Moskau Anfang der ‘60ger. Sie beginnen eine Beziehung, durch den „eisernen Vorhang“…

O. Matthews berichtet, in Romanform. Er beschreibt mit Worten, die ohne weiteres „Kopfkino“ präsentieren. Das liegt wohl daran, das er Journalist ist und als freier Korrespondenten für englische Zeitungen schrieb und schreibt.

Das Buch ist sehr flüssig geschrieben und hält ständig einen Spannungsbogen. Ich hatte manchmal das Gefühl, mitten in seiner Geschichte zu stehen und ein Beobachter zu sein. Der Schriftsteller springt oft auch in seine eigene Zeit und erzählt, wie er „sein“ Russland heute sieht.

Eine wunderbare Geschichtsstunde!

Ich hätte mir gewünscht, einen Anhang zu finden um die erwähnten russischen „Prominenten“ nach zu lesen.

Auch eine Landkarte von dem ehemaligen Russland wäre schön, so könnte man viel besser nachvollziehen wohin es die Familie zerschlagen hat.

Schöne Sätze:

S.180 “ Menschen, die ihre Heimat verlassen und hinaus in die Welt ziehen, treiben so lange herum, bis sie den Platz finden, der zu ihnen passt.“

S. 216 “ Irgendwo in dieser unermesslichen Weite Russlands liegt ein Schlüssel zum Verständnis Russlands: die Unbestimmtheit und der Fatalismus, in einem Land geboren zu sein, das zu durchqueren einst ein halbes Jahr dauerte; eine chronische Resignation gegenüber den Launen der Behörden, die der historischen Unmöglichkeit entspringt, mit den Außenposten eines so unregierbar riesigen Reiches zu kommunizieren.“

Von Owen Matthews Winterkinder cover

Graf Verlag

ISBN 978 3 86220 045 0

391 Seiten

Bäume reisen Nachts

Von Aude Le Corff

(Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Nach : „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry)

Unter einer Birke, sitzt die kleine Manon und trauert ihrer Mutter Anaïs hinterher, die ihre kleine Familie zurück gelassen hat. Allein gelassen erfindet Manon Rituale, die die Mutter zurück bringen sollen. Der Vater hat sich in seine Depression zurück gezogen und merkt nicht, wie sehr das Kind leidet!

Anatole, pensionierter Lehrer beobachtet Manon im Garten und fängt eines Tages an ihr den „kleinen Prinzen“ vorzulesen. Er gewinnt die Freundschaft der 8jährigen.

Die Schwester der Weggelaufenen, macht sich auch ihre Gedanken über Manon und Pierre dem Vater. Als eines Tages Post aus Marokko von der Mutter kommt, beschließen die Vier sie nach Hause zurück zu holen. Eine Reise mit Erkenntnissen und Überraschungen.

Die Geschichte wird meist aus der Sicht von Anatole erzählt. Er ist eine außenstehende Figur und kann sich Kritik leisten. Manon ist für den Alten ein Jungbrunnen, er überwindet Hindernisse leichter und lernt auch mit Vorurteilen umzugehen.

Ich fand die Sätze häufig zum „nochmal lesen“, da man vieles aus verschiedenen Perspektiven sehen und verstehen kann.

S.196 aus dem kleinen Prinzen: “ Aber die Augen sind blind. Suchen muss man mit dem Herzen.“

In diesem Buch werden immer wieder Passagen oder einzelne Sätze aus „Klassikern“ zitiert, die mich sehr neugierig gemacht haben, so das ich mich danach umgesehen habe und noch einige Bücher auf meine „Willhabenliste“ setzen musste.

Für mich ein wunderbares Buch, wenn man traurig ist zum trösten, wenn man enttäuscht ist zum wieder auf den Boden kommen…

Das Buch ist sehr „schnell“ geschrieben, was vielleicht ein wenig irritiert.

Ein Lieblingsabschnitt (Seite 188) : „Die Kleine schließt die Augen, um das Gefühl von Leichtigkeit, den Kokon, der sie umhüllt, festzuhalten. Sie würde sich gern tausendmal das Knie aufschlagen, um die Fürsorge der Mutter zu genießen, ihren Honig- und Mandelatem zu riechen, ihre Küsse auf der Haut, ihr Haar an ihrem Arm spüren, ihre Stimme wie ein Wiegenlied aus uralten Zeiten zu vernehmen.“

Erscheinungsdatum 10.3.2014Bäume reisen Nachts.jpg

Insel Verlag

ISBN 9783458360193

201 Seiten