von Andrea Karminrot | Mai 22, 2020 | Kinderbuch, Rezension |
Kleiner Löwe, großer Mut
Der kleine Löwe Tobe hat mit acht Jahren ein Vorderbein durch ein Krokodil verloren. Aber das macht dem mutigen Kerl gar nichts, denn er geht damit völlig gelassen um. Es sind die Anderen, die Angst haben, dass der kleine Löwe es nicht ertragen könnte zu verlieren oder etwas nicht zu können. Tobe geht zu den anderen Löwen und brüllt mit ihnen um die Wette. Die brüllen besser nicht so laut, denn sie wollen Tobe nicht verlieren lassen. Doch der kleine Löwe findet das echt blöd und schimpft mit seinen Freunden, dass er ein Löwe sei und einen ordentlichen Brüllwettkampf wünscht. Und dann brüllt er wie noch nie. Seine Freunde fallen ebenfalls in das Brüllen ein und Tobe schnauft am Ende „geht doch“!
Und so geht es dem Löwen bei dem Nashorn, den Affen (die ihm eigentlich nur etwas Gutes tun wollten), bei den Geparden, beim schwimmen mit den Nilpferden… Alle wollen nur sein Bestes und schonen ihn. Auch wenn der kleine Löwe nur noch drei Beine hat, ist er doch immer noch ein prima Kumpel.
Das Buch macht kleinen Kindern wirklich Mut, sich in der Welt umzuschauen und sich auszuprobieren. Auch wenn sie vielleicht ein Handicap haben, das sollte sie nicht aufhalten. Irgendwie geht es doch. Der kleine Löwe macht es vor! Dann taucht er eben im Wasser unter, am Ende aber auch wieder auf. Die Geschichte rund um den kleinen Löwen ist wirklich sehr schön erzählt. Die Bilder sind nicht überladen und doch kann man eine Menge Extras darauf entdecken. Fast hätte ich es übersehen, dass der kleine Löwe „nur“ drei Beine hat.
Die Geschichte ist von Tom Belz. Sie ist sehr ansprechend zu lesen. (übrigens Tobe setzt sich aus Tom‘s Namen zusammen. Und warum ein Löwe? Das liegt wohl an der Löwenmähne, die der Autor selber hat!) Auch für einen Erwachsenen ein kleiner Hinweis darauf, dass Behinderungen kein Grund sind, jemanden wie ein rohes Ei zu behandeln. Jedermann ist eine Chance einzuräumen, sich zu beweisen. Tom Belz erzählt aus seinen eigenen Erfahrungen. Er hat mit acht Jahren selber ein Bein durch Knochenkrebs verloren. Fahrradfahren, Fußballspielen, waren aber nie ein Problem für den Offenbacher. 2018 bestieg er auf Krücken sogar den Kilimandscharo! Er ist ein Mutmachermensch, der auf öffentlichen Veranstaltungen auftritt. Auf Instagram und Co findet man ihn unter @tomnative Ein lustiger, motivationsgeladener Typ, der uns an seinem Leben teilhaben lässt.
Tom und die Illustratorinnen Caroline und Alexandra Helm, kennen sich schon lange. Sie sind sich einig, dass sie die Geschichte von Tom unbedingt Kindern zugänglich machen wollen, die in der selben Situation (Nöten) wie Tom stecken. Man traut ihnen nichts mehr zu! Nö, sie können alles, was sie wollen…
Ein Kinderbuch ab 4 Jahren
von Tom Belz
Illustriert von Caroline Helm und Alexandra Helm
32 Seiten
Verlag arsEdition
ISBN: 978-3-8458-3759-8
von Andrea Karminrot | Okt. 22, 2019 | Buch des Monats, Linkparty, Nachdenklich, Roman |
Sal, ein Roman von Mick Kitson
Sal ist ein Dreizehnjähriges Mädchen aus Schottland. Sie kümmert sich schon immer um ihre drei Jahre jüngere Schwester, weil ihre Mutter Alkoholikerin ist. Sal ist intelligent, aber in der Schule auffällig. Sie hat Sonderunterricht und wird von einer Schulpsychologin betreut. Aber was alle nicht merken ist, dass das Mädchen von dem Freund der Mutter missbraucht wird. Als der Freund Sal erklärt, dass ihre Schwester demnächst auch fällig sei, beschließt das Mädchen mit ihrer Schwester abzuhauen. Sie plant in die Highlands zu verschwinden. Sal kümmert sich um alles, sie staffiert ihre Schwester mit warmen Sachen aus, besorgt Waffen zum Jagen und sieht sich Filme über Überleben in Wäldern an. Eines Tages ist es dann soweit. Die Mädchen flüchten…
Mick Kitsone schreibt seinen Roman aus der Sicht des Mädchen Sal. Er lässt sie ihre Geschichte so nach und nach erzählen, dass man nicht sofort weiß, wie es in der misshandelten Kinderseele aussieht. Der Autor zieht den Leser so sehr in seinen Bann, dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte.
Seite 91 „Und da musste ich lachen. Manchmal schaffte sie, dass ich so lache. Das ist wie explodieren und nicht wissen, wo es herkommt.“
Wie mutig die beiden kleinen Mädchen sind und wie sie sich am Leben erhalten. Töten scheint dem 12 jährigen Mädchen im „Blut“ zu liegen. Ihr macht es nichts aus, dem Kaninchen den Hals umzudrehen oder dem Hecht mächtig auf den Kopf zu schlagen. Doch welche Not in der Kinderseele von Sal herrscht, das erschreckt beim Lesen der 352 Seiten doch sehr. Zum Glück werden die Mädchen es nicht alleine schaffen müssen. Aber das soll doch der Leser selber heraus bekommen.
Nebenher möchte man sofort die Koffer packen und zu den beiden Mädchen nach Schottland reisen. Der Autor beschreibt die Landschaft so wunderbar und idyllisch.
Für mich…
…blieb nach den letzten Seiten, die ich gelesen habe, noch eine Weile die Geschichte von Sal im Hinterkopf. Wie viele Kinder misshandelt, missbraucht oder missachtet werden, dass kann man sicherlich an einer Statistik nachlesen. Wenn aber in der tatsächlichen Nachbarschaft ein solches Kind wohnt, erkennt man es oft gar nicht. Oft sind es die Kinder selber, die sich für diese Misshandlungen schämen. So bleibt uns Erwachsenen einfach nur, immer hübsch die Augen aufhalten und versuchen, gerade für diese Kinder eine Freundin zu sein. Vielleicht öffnen sie sich und man kann sie unterstützen, sich gegen die Misshandlungen zu wehren.
Der Autor: Mick Kitson wurde in South Wales geboren und wuchs in London auf. Nach dem Studium arbeitete er als Journalist und wurde dann Englischlehrer. Heute lebt er in Fife, Schottland, und liebt das Fliegenfischen. »Sal« ist sein erster Roman.
Die Übersetzerin: Maria Hummitzsch. Sie hat schon viel aus dem englischen und Portugiesischen übersetzt. Wer mehr über sie wissen möchte klickt vielleicht einfach mal hier…
ISBN 9783462051407
Fester Einband
352 Seiten
Verlag Kiwi
von Andrea Karminrot | Feb. 21, 2019 | Jugendbuch, Kinderbuch, Linkparty |
Märchenbücher
Ich liebe Märchenbücher! Habe ich dir das schon mal erzählt? Als frisch geschlüpfte Leseratte, habe ich alles, was sich nach Märchen anhörte verschlungen. Die Bücherei war mein zweites Zuhause. Als mein Großvater mitbekam, wie ich die Märchenbücher verschlungen habe, ging er auf den Dachboden und kam nach einer sehr langen Weile, mit einem großen „Taschenbuch“ zurück. „Das war 1933 ein Sammelalbum. Nicht so welche Klebedinger, wie ihr sie heute kennt. Da sammelte man die Bilder um die Märchen, die darin stehen zu vervollständigen.“ Ich nahm dieses Buch und fing an darin zu lesen.
Sindbad der Seefahrer, Die chinesische Nachtigall, Don Quixote und noch so manches Märchen fand ich auf den Seiten, die auch schon mein Vater durchgeblättert hatte. Für mich waren das fantastische Märchen. Durch die Zigarettenbilder, war es ein besonderes Buch.
Als ich letztens die „Märchen der Völker“ wieder aus meine Bücherregal zog und in den Märchen zu lesen begann, schüttelte es mich etwas. In unserer heutigen Zeit, werden Menschen aus anderen Ländern, mit anderen Hautfarben und Aussehen, nicht mehr so beschrieben, wie es in diesem Buch zu finden ist. Wenn man das mal ausblendet und einfach nur das Märchen liest, sind es doch ganz spannende Geschichten.
Ein anderes Buch, das ich sehr mag, ist aus dem Beltz-Verlag. Mit zauberhafen Bildern von Helga Gebert. Ein ziemlich kleines Büchlein, das vollgestopft ist mit Hauff-Märchen. Ich mag diese Märchen besonders. Der kleine Muck und Zwerg Nase. Als Kinder hatten wir eine Schallplatte, mit dem Kalif Storch… „Mutabor“ war das Zauberwort, das der Kalif und sein Wesir wieder in Menschen zurückverwandeln könnte. Hätten sie es doch bloß nicht vergessen. Das kommt davon, wenn man sich über Andere lustig macht. So beugten sie sich immer wieder nach Osten und riefen „Mu…Mu…Mu…“ aber das Wort war verloren. Kennst du dieses Märchen auch?
Immer noch bleibe ich in den Büchereien lange an den Märchenregalen stehen. Immer wieder faszinieren mich die schönen Bücher. Ich kann mich nicht an den Bildern satt sehen und freue mich daran, wenn ich einen kleinen Kerl erwische, dem ich meine Märchen erzählen kann. Manchmal etwas zusammengewürfelt und vermischt. Aber wen stört es, wenn man die glänzenden Kinderaugen sieht.
Magst du auch Märchenhaftes? Schau bei der Zitronenfalterin vorbei, da findest du noch mehr Inspiration. Würdest du jedes Märchen Kindern vorlesen?
von Andrea Karminrot | Okt. 7, 2018 | Nachdenklich, Rezension, Roman |
Die Zurückgekehrte
Ich habe gerade das Buch Arminuta [die Zurückgekehrte] zu Ende gelesen, das mich sehr begeistert hat. Kaum mochte ich es aus der Hand legen. Die wunderschöne Sprache von Donatella Di Pietrantonio verzauberte mich vollkommen. Sätze ließen Bilder im Kopf entstehen, die zart, poetisch und schön waren, gleichzeitig Wut und Hilflosigkeit vermittelten.
Arminuta
ist die Zurückgekehrte. Sie wurde als Baby an ein Pärchen weitergegeben. Aber die rechten Eltern wollten das Kind zurück, als das Mädchen Dreizehn Jahre zählte.
Arminuta kannte ihre echten Eltern nicht und fand es furchtbar, ihre Familie der letzten Jahre verlassen zu müssen. Für das Mädchen wurde vieles anders. Die Jahre in dem gut situierten Haus sind vorbei und das Mädchen muss sich völlig umstellen. Sie teilt sich ein Bett mit ihrer kleineren Schwester und die Brüder schlafen in dem selben Zimmer wie die Mädchen. Alles ist so viel primitiver als in ihrer geschenkten Familie. Aminuta vermisst das alte Leben, die Eltern und ihre beste Freundin. Das Dorf in dem sie nun leben muss, ist so einfach und hat mit der Stadt am Meer kaum etwas gemein. Aber noch mehr als über die Verwahrlosung, in der sie jetzt leben muss, kommt die Zurückgekehrte mit der Zurückgezogenheit ihrer Leihmutter zurecht. An die gegebenen Umstände kann sie sich anpassen, aber was ist mit der „Mutter“?
„Ich kannte keinen Hunger und lebte wie eine Fremde unter Hungernden…“ Seite 128
Zusammenhalt
Arminuta findet eine besondere Freundin in ihrer kleinen Schwester Adriana, die so viel mutiger scheint als die große Schwester. Erst nach einiger Zeit begreift Arminuta, wie verschieden Liebe und Zusammenhalt aussehen kann. Sie bleibt immer unter einem Schutzmantel ihrer Leihmutter, die dafür sorgt, dass es dem Mädchen an nichts mangeln soll. Doch Wut über das Verlassenwordensein, lässt das große Mädchen ungerecht werden.
„…was für ein Ort eine Mutter ist! …eine Zuflucht, Gewissheit..“
Unglücklich, wusste das pubertierende Mädchen nicht mehr woher sie stammte.
Schwierig ist es nicht das Mädchen sympatisch zu finden. Donatella Di Pietrantonio gibt einem die Möglichkeit zu träumen und durch die zarten Sätze Gefühle zu entwickeln, die es schwer machen, das Buch auch nur eine Minute aus der Hand zu legen. Ich habe die 224 Seiten an einem Tag gelesen.
Die Autorin und ihre Übersetzerin
Die Autorin stammt aus den Abruzzen und lebt heute in der Nähe von Pescara. Sie hat mit ihren Romanen einige Literaturpreise gewonnen. Perfekt ist die Übersetzerin Maja Pflug. Sie wurde schon sehr oft gelobt, „Maja Pflug ist eine der verdientesten Übersetzerinnen aus dem Italienischen. Als deutsche Stimme von Natalia Ginzburg, Cesare Pavese und Fabrizia Ramondino hat sie große literarische Vielfalt und stilistisches Können bewiesen …“(Autorenprofil Kunstmann-Verlag) Seit Dreißig Jahren übersetzt sie italienische Literatur.
Arminuta
von Donatella Di Pietrantonio
Kunstmann-Verlag
ISBN: 978-3-95614-253-6
224 Seiten
Hier kann ich noch ein Buch aus Italien empfehlen.
von Andrea Karminrot | Mrz. 22, 2018 | Rezension, Roman |
Ein Roman
von Nickolas Butler
Nelson ist ein 13 jähriger Junge, der einfach zu schlau, zu sensibel, für seine Mitschüler ist. In seiner näheren Umgebung hat Nelson keine Freunde. Nur ein einziger Junge kommt, viel zu spät, zu seinem Geburtstag und bleibt auch nur aus Anstand. Im Pfadfinderlager bewohnt Nelson ein Zelt alleine. Keiner möchte mit ihm etwas zu tun haben. Er ist ein einsames Kind, das von den Anderen geärgert und gehänselt wird. Nur Jonathan, der ihn an seinem Geburtstag besucht hat, scheint zu ihm zu halten. Aber eines Tages nimmt sich Nelson ein Herz, und beweist sich und den anderen Jungen, dass er ein tougher Kerl ist.
Auch zu Hause, wird Einiges anders. Der Vater wird, von der sonst so stillen Mutter, aus dem Haus gejagt und Nelson bekommt die Chance, auf eine Militärschule zu gehen.
Das Buch ist in drei Kapitel unterteilt (1962, 1996,2019) . 60 Jahre lang, werden Nelson und Jonathan begleitet. Eine seltsame und tiefe Freundschaft.
In diesem Buch anzukommen, braucht es höchstens 3 Seiten. Nickolas Butler schreibt so wunderbar, dass man sich innerhalb kürzester Zeit mit seinen Charakteren identifizieren kann. Seine Schreibweise, ist einfühlsam und direkt. Vielleicht liegt es auch daran, dass Nickolas Butler aus seinem eigenen Leben erzählt. So enthält das zweite Kapitel einige Episoden aus dem Leben des Autors. Butler war mit seinem Vater als Fünfzehjähriger unterwegs, als der Vater ihm seine neue Lebensgefährtin vorstellte.
Butlers Männer zeigen sich mit angeblicher Stärke, sie zeigen Muskeln und wollen nicht weich sein. Doch hinter den Figuren stecken empfindliche und verletzliche Helden, die in den Kriegen dieser Zeit, viele Blessuren (körperlich, wie seelische) davontragen.
Das Pfadfinderlagersteht als Metapher zur amerikanischen Gesellschaft. Welche Werte sind heute noch wichtig, die damals unerlässlich schienen. Gemeinschaft, Würde, Miteinander und Füreinander, waren 1960 noch vorrangig. Aus den „gestählten“ Pfadfindern, gingen wichtige Persönlichkeiten hervor. Heute, steht jeder für sich alleine, ist mit seinem Handy oder Computer in der Welt unterwegs und übersieht seinen Nachbarn.
Die Pfadfinderlager verkommen zu Witzveranstaltungen, die nicht mehr ernst genommen werden, obwohl sie doch genau für die guten Werte stehen und geschulte, selbstbewusste Männer hervorbringen sollten. Kritisch beschreibt Butler die selbstsüchtige (amerikanische) Gesellschaft.
Eine wunderbare Geschichte. Ich kann es nur empfehlen. Ein interessantes Interview zu diesem Buch, findest du auch HIER
übersetzt von Dorothee Merkel
(Orig.: The Hearts of Men)
477 Seiten
ISBN: 978-3-608-98313-5