Der Distelfink

Theo und seine Mutter sind in einem New Yorker Museum für Kunst, als eine Bombe explodiert. Auf dem Weg nach draußen “findet” der traumatisierte Junge das Bild von Carel Fabritius *Der Distelfink* und nimmt es mit. Erst nach einiger Zeit realisiert der Dreizehnjährige, das seine Mutter bei diesem Attentat ums Leben gekommen ist. Theos Vater ist seit einem Jahr nicht auffindbar, somit steht der Junge allein im Leben. Damit beginnt eine Odyssee, die den Jungen auf schiefe Bahnen lenkt. Mit einigen Menschen die einen Anker in seinem Leben darstellen, schafft er sich doch ein angenehmes Leben und lernt stets dazu. Er “überlebt”, indem er sich in die Welt der Drogen flüchtet und trotz allem, zu einem angesehenen Menschen wird. 
Es ist unglaublich, wie sehr mich dieses Buch mitgerissen hat. Auch wenn das Buch zugeklappt auf meinem Nachttisch lag, musste ich oftmals an Theo, den Hauptdarsteller, denken. Das Schicksal dieses jungen Mannes ist so liebevoll,  auch detailreich erzählt , dass man das Gefühl hat, mitten in der Geschichte zu sein. Ich glaubte oft, in den Kopf des Jungen blicken zu  können, der uns seine Geschichte erzählt. Es wurde mir nicht langweilig, all die vielen Beschreibungen zu lesen. Eher im Gegenteil, es hilft ungemein den Jungen zu verstehen und zu begreifen, aus welchem Blickwinkel er sein Leben und die Menschen sieht, die ihn umgeben. Theo lässt sich so häufig von Freunden und Angehörigen blenden. Läuft den Falschen hinterher und glaubt was man ihm sagt. Manchmal hätte ich ihn gerne angeschrien, endlich die Augen zu öffnen…
Donna Tartt beschreibt das quirlige New York, das trostlose Las Vegas, als wäre man selber dort. Sie nimmt uns mit, in die Werkstatt eines Möbeltischlers. Und bringt es fertig, uns den Duft des Holzes, den Wachs zum polieren, das Terpentin riechen zu lassen. Sie nimmt uns mit, auf die Drogenreisen ihres Hauptdarstellers. Lässt uns mit ihm Liebe finden und zusehen wie sie ihm wieder zwischen den Fingern zerrinnt. Das “gefundene” Gemälde trägt den Jungen, ist der Halt, der dem Kind fehlt.
Zum Ende des Buches wird ihre Geschichte zu einem Thriller, der ziemlich an den Nerven zerrt. Blutig und verrückt, drogenlastig und im Fieberwahn.
Allerdings verheddert sie sich, ganz am Ende, für meinen Geschmack, zu sehr in ihren Beschreibungen und zieht es zu sehr in die Länge.

Der Einband des Buches zeigt einen Teil von dem Bild *Der Distelfink* von Carel Fabritius aus dem Jahr 1654. Als wäre ein Stück des Umschlags aufgerissen und das Bild leuchtet darunter hervor. Wenn man über den Einband streicht fühlt man das aufgerissene Papier. 
Ein Lieblingssatz: Seite 129

„Aber manchmal, ganz unerwartet, brandete der Schmerz in Wellen über mich hinweg, die mir den Atem verschlugen, und wenn sie zurückwichen, schaute ich unversehens hinaus auf ein salzfeuchtes Wrack, beleuchtet von einem Licht so hell, so herzversehrt und leer, dass es schwerfiel, mich daran zu erinnern, dass die Welt jemals etwas anderes als tot gewesen war.“

Goldmann Verlag 
1024 Seiten, gebunden

Dieses Buch möchte ich euch ganz besonders ans Herz legen. Weshalb ich es auch bei Nicole als Buch des Monats März verlinke.

Gebete für die Vermissten

Gebete für die Vermissten handelt davon, wie immer mehr Mädchen in Mexiko verschleppt und zur Prostitution oder zum Drogenhandel gezwungen werden. Es handelt davon, wie die Mütter versuchen, ihre Kinder vor dem Bösen zu schützen.

Das Buch Gebete für die Vermissten

In Mexiko verschwinden, Jahr für Jahr, viele tausend Mädchen. Sie werden zur Prostitution gezwungen oder als Drogenkuriere missbraucht. Sie leben auf der Straße, oder in ärmlichen Verhältnissen, rundum Acapulco und Mexiko-Stadt. Kleine Mädchen müssen sich verstecken, schmutzig machen, verkleiden, um nicht entführt zu werden. Seit vielen Jahren kämpft die Polizei gegen Korruption und Drogen. Irgendwie scheint jeder, in diesem Sumpf verstrickt.

*Wir waren nur zwei Buchseiten in der Geschichte dieses Kontinents.Man hätte uns genauso gut rausreißen, zusammenknüllen und in den Müll werfen können.* Seite 167

Gebete für die Vermissten

Dieses Buch handelt von einem Mädchen, Ladydi, die mit ihrer alkoholkranken Mutter, Vaterlos, in der Nähe von Acapulco auf einem Berg, zwischen Skorpionen, Schlangen und Mohnfeldern, aufwächst. Wenn gegenüber, auf den anderen Hügeln, schwarze SUVs, mit getönten Scheiben auftauchen, verstecken sich die Mädchen in Erdlöchern. Im Hochsommer sitzen sie vor den Kühlschränken, wie vor einer Klimaanlage. Den Strom aus den Straßenlaternen gestohlen. Und manchmal verschwindet ein Kind. Da redet dann keiner darüber, das ist eben so. Oder eine Leiche wird im Dschungel gefunden, die keiner vermisst, die dann einfach verscharrt wird, damit nicht die Geier kreisen.

Ladydi, erzählt ihre Kindheit. Sie springt in ihren Erzählungen ständig hin und her. Sie erzählt, wie ihr die Gedanken im Kopf schwirren. Eben spricht sie von ihrer Schule, dann über ihre Mutter, um direkt über ihre Freundinnen zu reden. Sie berichtet über Kinder, die nur operiert werden, wenn die fliegenden Ärzte, durch Soldaten bewacht, in die Dörfer kommen. Lehrer (mal mehr, mal weniger motiviert), die für ein Jahr, Unterricht an zusammengewürfelten Schulen machen.

Wie ich dieses Buch empfunden habe: Es ist schnell. Und etwas wirr. Die Gedanken und Erzählungen von Ladydi sind oft so durcheinander, als hätte sie keine Zeit gehabt alles aufzuschreiben. Nach einigen Seiten habe ich mich allerdings daran gewöhnt und kann mit den Gedankensprüngen besser umgehen. Es ist spannend! Es fließt Blut und ist manchmal „unappetitlich“. Aber es ist kein Thriller, es ist das echte Leben.

Die Autorin Jennifer Clement

Für Gebete für die Vermissten recherchierte sie über zehn Jahre lang in der mexikanischen Provinz und führte Hunderte Interviews mit vom Drogenkrieg betroffenen Mädchen und Frauen. 2009-2012 war sie Präsidentin des Mexikanischen PEN.
(Autorenvereinigung Pen tritt für die Freiheit der Sprache ein. Freies Wort Pen steht für poets, essayists, novelists (zu Deutsch etwa: Poeten, Essayisten, Romanciers). Von ihrer Gründung im Jahre 1921 an setzte sich die Schriftstellervereinigung für die Freiheit der Meinungsäußerung und für Völkerverständigung ein. Weltweit sind bei Pen mehr als 140 Schriftstellerorganisationen aus 101 Nationen vereinigt.)

Wer noch mehr schöne Bücher sehen will, der schaut bei Nicole vorbei.
Nicole sammelt dort die Bücher des Monats September!

Gebete für die Vermissten

Ein Roman von Jennifer Clement
Suhrkamp Verlag
Seiten: 229
ISBN: 978-3-518-42452-0
Erscheinungsdatum: 15.09.2014