von Andrea Karminrot | Mrz 8, 2022 | Rezension, Roman |
Jeden Tag geht die kleine Lalita an den Strand und lässt ihren, zu oft geflickten, bunten Drache in den Himmel steigen. Léna die Lehrerin aus Frankreich, sieht den Drachen öfter seitdem sie in Indien am Meer angekommen ist. Léna kam nach Indien, in dem Versuch, ihre schlechten Gedanken an zu Hause zu verdrängen. Ihre Flucht in dieses fremde Land ist ihr wohl ziemlich missglückt. Denn den Gedanken und Erinnerungen kann man so kaum entfliehen.
Die Unberührbaren
Als sie eines Tages im Meer schwimmen geht zieht die Strömung die Lehrerin aufs Meer hinaus und nur das kleine Mädchen mit dem Drachen nimmt es wahr. Sie ruft Hilfe und Léna wird gerettet. In dem Versuch sich erkenntlich zu zeigen, stellt Léna fest, dass die Gepflogenheiten der Inder sehr speziell sind. Menschen der niederen Kasten sind in dieser Gesellschaft nichts wert, man darf sie nicht mal berühren. Und genau zu diesen Menschen, den Dalits, gehört das kleine Mädchen Lalita. Und dann kommt noch erschwerend hinzu, dass Lalita ein Mädchen ist. Ein Mensch ohne Rechte, mit sehr vielen Pflichten. Geschenke annehmen, dass ist gegen die Sitten.
Den Mädchen nichts beizubringen ist der sicherste Weg, sie zu unterjochen, ihre Gedanken und Wünsche zum verstummen zu bringen“ Seite 60
Aber Léna hat eine Idee. Sie möchte den Kindern und Frauen des Dorfes die Möglichkeit geben, lesen und schreiben zu lernen. Viele Dorfbewohner können weder schreiben noch lesen. Geschweige denn, die englischen Sprache, die neben Hindi, immer noch Amtssprache in Indien ist. Léna gründet zusammen mit einer radikalen jungen Frau eine kleine Schule.
Lalita, das Mädchen mit dem Drachen
Das Mädchen mit dem Drachen, ist fast eine Fortsetzung des Romans „Der Zopf“. Die kleine Lalita ist in dem vorangegangenen Roman von Laetitia Colombani mit ihrer Mutter aus ihrem Dorf in Mittelindien geflohen. Schon in dem Roman „Der Zopf“ hatte die Mutter es im Sinn, dass das kleine Mädchen eine ordentliche Schulbildung bekommen soll. Die Autorin hat den Faden aufgenommen und weist dabei auf die unglaublichen Zustände in Indien hin. Die Missverhältnisse kommen nicht von der Regierung, die längst Gesetze erlassen hat, die den niederen Kasten zugute kommen. Die Bewohner selber stecken in ihren Gepflogenheiten fest und wollen daran nichts ändern. Es ist der Glaube, die Familie, die Nachbarn, die unterschwellig die Gesellschaft an einer Reformation hindern. Laetitia Colombani schreibt ganz wunderbar. Ich mochte die Bücher „Der Zopf“ und „Das Haus der Frauen“ sehr. Doch bei diesem Buch hier, habe ich mich schwergetan. In den anderen Büchern zeigte die Autorin auch schon Missstände auf. Die Geschichten der vorangegangenen Bücher waren irgendwie mitreißender. Dabei handelt es sich bei Das Mädchen mit dem Drachen um eine wahre Geschichte.
Weil Rubi und mir irgendetwas an diesem Buch gefehlt hat, es uns nicht wie die anderen Bücher vom Hocker gerissen hat, geben wir diesem Buch 🐭🐭🐭🐭 und stellen es zu unseren Märzbüchern. Es ist zwar kein historisches Buch, aber im März rezensiert.
Das Mädchen mit dem Drachen
Ein Roman von Laetitia Colombani
Übersetzt von: Claudia Marquardt
Verlag: S. FISCHER
272 Seiten
ISBN: 978-3-10-397490-4
von Andrea Karminrot | Apr 27, 2018 | Geplauder, Krimi, Roman |
Ein Krimi von
Abir Mukherjee
Ein Mann wird ermordet, in einer Gasse neben einem Bordell in Kalkutta gefunden. Bei dem Ermordeten, handelt es sich um einen politischen Berater des britischen Lieutenant-Governors, des höchsten und mächtigsten Mannes in ganz Bengalen. Sam Wyndham soll den Mord aufklären. Selber ein Opfer des vergangenen, ersten Weltkrieges. Opiumabhängig, und erst vor kurzem in Kalkutta gelandet, schlägt er sich durch eine, von Hitze und Dreck starrende Stadt. Was hatte der Berater in diesem, für Weiße, ungewöhnlichen Ort zu suchen. Was hat das Mädchen am Fenster gesehen? Ob er den Mord aufklären kann?
Sam Wyndham muss sich erst in dieser Stadt zurecht finden. Die Gepflogenheiten der Inder, und der dort ansässigen Engländer, scheinen ihm etwas verwirrend. Aber mit diesem Fall, fängt er an zu verstehen. Der Leser sucht mit dem Engländer in einer undurchsichtigen Stadt nach einem Mörder. Die Bevölkerung drängt nach Aufklärung.
Der Autor schreibt in einem lockeren Stil. Sein Held muss sich mit Situationen auseinander setzen, mit denen er nicht gerechnet hat. Abir Mukherjee, hat eine spannende Geschichte um den ehemaligen Scotland-Yard-Ermittler gestrickt. Manchmal, hatte ich allerdings das Gefühl, dass die Geschichte Hopser macht, so dass ich vorübergehend nicht wusste, was da jetzt geschehen sein mag. Aber, recht schnell, war man auch schon wieder in den Roman hineingesogen. Spannend fand ich die Beschreibungen des alten Kalkuttas. Die flirrende Hitze, die Gerüche und das menschliche Miteinander, machte fast den Eindruck, aus den Seiten zu wabern.
Ich empfand den Krimi als leicht zu lesen und recht unterhaltend, wenn auch nicht fesselnd. Ein angesehener Mann, ist der erste Band zu einer Serie um den Ermittler Sam Wyndham. Welche Erfahrungen unser Held wohl in den nächsten Büchern machen wird?
Übersetzt von Jens Plassmann
Heyne Verlag
Taschenbuch, Klappenbroschur
512 Seiten
ISBN: 978-3-453-42173-8
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von Andrea Karminrot | Jan 29, 2016 | Rezension, Roman |
Im Westen Indiens, in einem kleinen Dorf, wächst Anil als das Älteste, von fünf Kindern auf. Er wird in der Schule wegen seines Stottern gehänselt und hat keine Freunde. Nur ein Mädchen, aus der ärmeren Nachbarschaft, Leena, hält zu ihm. Anil lernt schnell und ist intelligent. Er hilft Leena in der Schule besser mitzukommen. Die beiden Kinder verbindet eine besondere Freundschaft. Nachdem Anil die Schule beendet hat, darf er Medizin studieren und als Assistenzarzt nach Dallas, in Amerika. Er arbeitet dort sehr hart und versucht sich in das fremde Leben einzugliedern.
Leena, wird von ihren Eltern, der Sitte nach, mit einem Mann verheiratet, der eine beträchtliche Mitgift für die Hochzeit erhält. So hat sich Leena ihr Leben nicht vorgestellt, denn sie muss schwer im Haushalt ihres Mannes arbeiten und erfährt nur Ungerechtigkeiten und niemals Lob. Als es zu erheblichen Handgreiflichkeiten kommt, läuft sie weg….
Indien ist ein Land voller Brauchtümer. Alte Sitten bestimmen nach wie vor das Leben dort. Anli und Leena stecken in diesen Riten fest und nur weil Anil nach Amerika ging, kann er sich daraus befreien, ist aber weder hier noch dort zu Hause. Der Vater hat ihn zum Schiedsmann seines Dorfes bestimmt, eine Aufgabe die der junge gestresste Arzt sich gerne widmen möchte. Außerdem möchte er ein guter Arzt werden und arbeitet Tag und Nacht. Er hat es nicht leicht, sich in dem riesigen Krankenhaus in Dallas durchzusetzen und weiter zu kommen.
Leena möchte es ihren Eltern recht machen und gibt sich große Mühe in dieser verzwickten Ehe. Auch sie ist zwischen ihrem eigenen Wohlergehen und dem Leben, das sich die Eltern für sie vorgestellt und arrangiert haben, zerrissen. Sie möchte eine gute Tochter sein und den Eltern keine Schande machen.
Shilpi Somaya Gowda wechselt in ihrer Geschichte immer wieder zwischen dem Leben Leenas und Anils hin und her. Ich habe dieses Buch verschlungen und konnte es kaum aus der Hand legen. Es ist flott geschrieben und langweilige Szenen habe ich keine gefunden. Ab und zu, fand ich die Situationen etwas überzogen. Und das Ende kam ziemlich abrupt. Sie beschreibt die Situationen der Protagonisten neutral und lässt Raum zum nachdenken, den man auch unbedingt braucht.
Seite 203: …”Ich habe mir solche Mühe gegeben…und trotzdem… Ich habe alle enttäuscht. Meine Eltern, meinen Mann, meine Schwiegereltern. Ich kann doch nie wieder mein Gesicht zeigen. Was sollen die Leute von mir denken?” …
Indien ist vielfältig in seinen Bräuchen, Menschen und Regionen. Gelernt habe ich, dass in Gujarat, wo diese Geschichte spielt, nur vegetarisch gegessen wird (große Ausnahme ist Huhn), wie man einen guten Chai kocht und welche Gepflogenheiten gewahrt werden, wenn der Schiedsmann die Streitigkeiten der Dorfgemeinschaft schlichtet. Anils Leben in Amerika macht deutlich, unter welchem Druck dort die angehenden Ärzte stehen. Und, dass Amerika nicht unbedingt besser als Indien ist.
Der Goldene Sohn, ist das zweite Buch, das
Shilpi Somaya Gowda geschrieben hat. Ihr Erstes war “Geheime Tochter”. Ebenfalls ein Roman, der zwischen Indien und Amerika spielt. Dieser Roman war schon ein Erfolg und wurde in 20 Sprachen übersetzt. Ich zweifle nicht, dass “Der goldene Sohn” ebenso ein Erfolg wird.
Verlag : Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 9783462047745
Verlinkt mit Nicoles Buch und mehr
von Andrea Karminrot | Jan 28, 2015 | Rezension, Roman |
Von Rohinton Mistry
Indien ist ein mystisches Land, für uns Europäer nicht ganz durchschaubar. Mit seinen Kasten und Religionen. Als Europäer träumt man von verwunschenen Orten und interessanten Gottheiten. Das echte Leben dort kann sich unsereins kaum vorstellen…
Für mich eins der besten Bücher die ich gelesen habe:
Indien 1975.
Dina ist Witwe und hat noch ein Zimmer frei, das sie an Maneck einen jungen gut situierten Studenten vermietet, der aus dem Himalaya stammt und in Bombay studieren möchte. Dina, die schon immer sehr eigensinnig war, verdient ihr Geld indem sie Kleider für eine Exportfima näht. Als ihr Augenlicht schlechter wird, stellt sie zwei Schneider ein. Ishvar, der ruhige ausgeglichene ältere Mann und Omprakasch der stets auf Konfrontation gebürstete Neffe, die aus einem Dorf von Bombay weit entfernt stammen. Sie gehörten einer niederen Kaste an. Der Vater von Ishvar sorgte dafür, das Seine Söhne eine Schneiderausbildung bei einem Moslem erhielten und somit aus dem System ausbrechen konnten. Diese Vier erleben eine gemeinsame Zeit in einem Indien das im Ausnahmezustand steckt. Es werden Slums mit den Planierraupen dem Erdboden gleich gemacht, was dazu führt, das mehr Menschen irgendwo in der Stadt einfach auf den Gehsteigen schlafen. Die Menschen werden zu Familienplanungszentren gefahren um dort zu Sterilisationen überredet zu werden. Es gibt Korruption und Ungerechtigkeiten. Mord und Raub sind an der Tagesordnung.
Mit seinen blumigen Worten, seiner ganz wunderbar mitreißenden Art zu schreiben, macht Rohinton Mistry es uns leicht das Buch empört und zugleich mit einem schmunzeln zu verschlingen.
Rohinton Mistry zeigt uns ein Indien der Siebziger Jahre. Indien im Aufstand und Unterdrückung. Er zeigt das wirkliche, schwierige Leben der einzelnen. Die Charaktere denen wir folgen, haben ein nicht leichtes Leben. Ihre Geschichten sind miteinander verstrickt. So werden wir von einer Erzählung in die nächste geführt. Wir treffen auf spannende Charaktere die uns ihre Geschichten erzählen: Den kleinen Bettler, der als Baby schon so verstümmelt wurde, so das er nur herum getragen werden konnte und später mit dem Rollbrett bettelte. Oder den Haarsammler, der immer wieder die Geschichte unserer Hauptfiguren kreuzt. Wir treffen auf Ungerechtigkeiten, die uns den Atem rauben, während der alte Schneider nur mit den Schultern zuckt und daran glaubt das alles einen Sinn hat. Immer auf der Suche nach dem Gleichgewicht der Welt.
R. Mistry verzaubert und erklärt die Welt in der er groß geworden ist und studiert hat. Ein Indien, wie wir es uns kaum vorstellen können. In einer Zeit als Indira Ghandi versuchte eine Demokratie in ihrem Land aufzubauen.
Roman
E-Book
Aus dem Amerikanischen von Matthias Müller
ISBN: 978-3-10-402892-7
Das ist mein Buch des Monats Januar
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von Andrea Karminrot | Sep 8, 2014 | Rezension, Roman |
Pia Ziefle
*du musst immer in genau dieser einen Minute leben, die dein Herz braucht, um das Blut in deinem Körper einmal im Kreis herumzupumpen, kleine Ira, vergiss das nicht *
In den Erinnerungen unterwegs …
So könnte die Überschrift lauten.
Ira und Lew erzählen ihre Erinnerungen aus dem Vergangenen…aus ihrer Kindheit, wie sie verlassen und allein gelassen erwachsen werden. Aber auch ihr derzeitiges Leben steht im Vordergrund. Jeder von ihnen hatte ein Schicksal, das so manchen von uns ebenso getroffen haben könnte.
*…und besser wissen, wo die Passatwinde wehen, als zu verstehen, warum die Eltern so viele Worte zu Papier bringen können, aber füreinander keine haben. *
Ira ist ein von der Mutter mishandeltes und vernachlässigtes, wenn auch vom Vater über die Maßen geliebtes Kind.
Ihr Vater liegt im sterben. Als Erwachsene und selber Mutter, betreut sie ihn fast jeden Abend und liest ihm aus seinen Lieblingsbüchern vor. Dabei wandern ihre Gedanken immer wieder in die Vergangenheit, in ihre Kindheit…
*…irgendwann weiß man einfach, dass bestimmte Dinge getan werden müssen. Das ein Rock zu klein geworden ist. Oder eine Wohnung. Manchmal auch ein Land, Lew. *
Lev ist in Indien, auf der Suche nach seinem vor 29 Jahren verschwundenen Vater. Lev kommt aus Ostberlin. Er wollte Turmspringer werden. Seine Eltern begingen Republikflucht.
*…,da wird ihm klar, dass er diese Reise begonnen hat, um einen kleinen Jungen zu begegnen, der noch immer in einem längst verschwundenen Land hinter einer Mauer lebt und hoch oben auf einem Klettergerüst auf ihn wartet …*
Lew ist enttäuscht und sucht Antworten. Nach Jahren hat er eine Adresse wo er seinen Vater finden kann
Fido, die dritte Hauptfigur in diesem Buch, bleibt stets im Hintergrund. Seine Mutter ließ ihn beim Großvater in Serbien, während sie ihr Glück in Deutschland suchte. Als Fido 5 ist, fahren die beiden Zurückgelassenen nach Deutschland.
Mich hat das Buch nachdenklich gemacht.
Wie vielen meiner Freunde, wird es ähnlich ergangen sein. Zugewanderte die ihr Glück suchten und alles zurück ließen.
Freunde die von ihren Familie verraten wurden, oder allein gelassen.
Kinder die in fremde Familien gegeben wurden…
Die Geschichte wurde in kurzen Absätzen geschrieben. Da fallen die Gedankensprünge der Protagonisten nicht so sehr ins Gewicht. Nachdenkliche Sätze lassen auch mal innehalten und spüren.
Die schöne Art der Schreibweise, die wunderbar leicht Bilder im Kopf zaubert, riss mich sofort mit. Es brauchte nicht lange, bis ich in der Geschichte angekommen war.
Es fällt leicht in der Story zu bleiben und man fühlt was in den Figuren vor sich geht. Ich habe mitgefühlt.
Für mich eines der eindrucksvollsten und nachdenklichsten Bücher.
Verlag : Arche Verlag
ISBN: 9783716027158
Fester Einband: 320 Seiten
Danke an den Arche Verlag, das ich dieses Buch lesen durfte