Die schwarze Rose

Die schwarze Rose von Dirk Schümer nimmt den Leser mit in das Jahr 1328, nach Frankreich. Genauer gesagt nach Avignon. Wittekind Tentronik ist Novize und hat seinen Meister nach Avignon begleitet. Sein Meister, der Prediger Eckhart von Hochheim, muss sich der Inquisition, am Hofe des Papstes Joan (Johannes XXII.) stellen. Seine Reden haben dem päpstlichen Hof nicht gefallen und nun muss sich der alte Mann dort verteidigen. Die beiden Deutschen sind schon eine Weile in Avignon und warten auf ihren Prozess, als sie einen Mann in einer Kirche finden, der übelst misshandelt worden ist. Den Halbtoten trägt Wittekind in ein Hospital der Dominikaner und fast hätte der Misshandelte es auch überlebt, wenn er nicht von einem Unbekannten einen Tag später erwürgt worden wäre.

Die schwarze Rose

Wittekind macht sich auf die Suche nach dem Mörder und trifft dabei auf einige bekannte Persönlichkeiten dieser Zeit. Wilhelm von Ockham, zum Beispiel, war seiner Zeit sehr bekannt. Wittekind sitzt mit ihm in einer Schenke und unterhält sich über die Kirche und die Politik. Dabei bekommt der Leser einen detaillierten Geschichtsunterricht geliefert. Spannend, wenn man sich damit auseinandersetzen möchte. Langweilig, wenn man doch eigentlich nur einen Krimi lesen wollte. Wittekind ist in Avignon viel unterwegs. Immerhin ist es eine alte Stadt mit vielen Winkeln, die der Leser mit dem Novizen zusammen erkundet. Durch den Papst wurde die französische Stadt immer reicher. Doch wie immer ist nicht immer alles golden, denn wo Reichtum herrscht, ist die Armut nicht weit. Der Novize Wittekind wird in den jüdischen Bezirk verschlagen und dazu angehalten, auch für die Juden der Stadt zu spionieren. Auf der Suche nach dem Mörder schlittert der junge Kirchenmann immer weiter in die Katastrophen und kommt ein ums andere Mal mit dem Leben davon.

Langweilig?

Ich will nicht behaupten, dass das Buch Die schwarze Rose langweilig wäre. Es ermüdet nur manchmal (ein bisschen) zwischendurch. Wie gesagt, wer sich für Geschichte interessiert, der wird seinen Spaß daran haben. Ich habe immer wieder die Nachschlagewerke befragt, weil mir einiges unbekannt war. Gerne hätte ich Wittekind damals als Mäuschen begleitet. Dort leben, hätte ich nicht wollen. Aufgrund der vielen Menschen, die nach Avignon zogen, um Arbeit und ein besseres Leben zu finden, lief die Stadt förmlich über. Dreck und Ungeziefer waren wohl keine Ausnahme. Das wird in dem Buch sehr ausführlich beschrieben.

Der Autor Dirk Schümer hat mit seinem Buch an Umberto Ecos „Der Name der Rose“, das vor 40 Jahren erschienen ist, angeknüpft.  Wittekind übernimmt die Rolle von Ecos Ermittler William von Baskerville. Dirk Schümer hat Erfahrung mit Geschichte. Er hat Germanistik, Philosophie und mittelalterliche Geschichte in Hamburg und Paris studiert, er war Kulturkorrespondent und Redakteur bei der F.A.Z. und bei der Weltgruppe.

Dieses Mal Mäuse zu verteilen, fällt mir schwer. Einerseits wirklich ein guter Roman, der aber so viele Längen hat, dass ich zeitweise das Buch beiseite gelegt habe. Dirk Schümers Nachfolgeband Die schwarze Lilie liegt hier auch schon bereit. Mal sehen … So Mäuseverteilung: 🐭🐭🐭 (🐭)

 

Die schwarze Rose

 

von Dirk Schümer
608 Seiten
Zsolnay Verlag
ISBN 978-3-552-07250-3

Die Terranauten

ein Roman von

T.C. Boyle

1992 steht in Arizona, ganz in der Nähe von Tucson, eine Biosphäre. Eine Art Forschungsstation, die beweisen soll, dass es möglich ist, dass eine handvoll Menschen ohne Zufuhr von Lebensmitteln, Sauerstoff und sonstigen Dingen, überleben können. Die Menschen, die sich dort für zwei Jahre einschließen lassen, werden unter bestimmten Voraussetzungen ausgewählt. Und nur 8 werden die “Gewinner” sein. Unter welchen besonderen Gesichtspunkten die Terranauten ausgewählt werden ist nicht unbedingt ersichtlich. Sie müssen sich allerdings mit dem Erhalt dieser künstlichen Welt befassen können. Denn es wird nur den Strom von außen geben.

 

Erzählt wird diese Geschichte von drei Personen. Dawn, einer hübschen Frau, die sich selbstbewusst darstellt. Ramsay, einem Kerl, der keinem Rock widerstehen kann und schon bei der kleinsten Anmache nur an Sex denken muss. Und Linda, die sich für nichts zu schade ist. Sie erzählen ihre Sicht auf die Ecosphäre. Dabei wird auch recht schnell klar, wie der Mensch aufgebaut ist, voller Neid, Missgunst, Egoismus, Liebe und Selbstaufgabe.

 

 

T. C. Boyle hat hier ein interessantes Buch geschrieben, das Einblicke in die menschliche Psyche gestattet. Wie leicht Mensch sich manipulieren lässt und zu was er imstande ist. Unter welchen Bedingungen lässt die Nächstenliebe nach und wird zu purem Egoismus und Gehässigkeit.

Ein wenig hat mich der Roman an “Big Brother” erinnert. Der Blick in die Welt hinter dem Glas und mit Kameras überwacht. Nichts entgeht den Menschen außerhalb des Glashaus und alles wird von der Presse ausgeschlachtet und vermarktet.

Die Ecosphäre gab und gibt es tatsächlich. Sie steht in der Nähe von Tukson. Sie wurde tatsächlich zu Forschungszwecken dort gebaut und bewohnt. Ich habe nach der Lektüre von T. C. Boyle ein wenig im Internet gestöbert. Der Autor hat seine Geschichten um dieses Glashaus gesponnen.

 

Hanser Verlag
Übersetzt von Dirk van Gunsteren,
Fester Einband, 608 Seiten
ISBN 978-3-446-25386-5
ePUB-Format
ISBN 978-3-446-25559-3

Interessant auch die Rezension von Die Buchbloggerin und Readpack

Die Liebeserklärung

Mit seinen 27 Jahren weiß Corentin nicht wirklich was er will. Er hat sein Studium hingeschmissen und arbeitet im Sommer, zusammen mit seinem Patenonkel, als Hochzeitsfilmer. Hochzeiten, die groß gefeiert werden, mit allem was man sich vorstellen kann. Corentin hat die Aufgabe, die Brautleute vom morgendlichen Aufstehen, über den Frisörtermin, bis zum Ende der Hochzeitsfeier, mit der Kamera zu filmen. Dabei bekommt er Einblicke in die Wirklichkeit, hinter die Vorhänge der perfekten Hochzeit. Die Schwiegermütter sind aufgeregter, als die Braut. Bei den Gästen muss man acht geben, dass sie nicht aus der Reihe tanzen. Es gibt die verschiedensten Hochzeiten, spannende, außergewöhnliche und auch solche, die in Erinnerung bleiben. All das, wird von den Hochzeitsfilmern festgehalten. 

Corentin hat selber kaum längere Beziehungen, an Heiraten ist gar nicht zu denken. Meistens werfen die Frauen ihm die Beziehung vor die Füße, da er wenig Zeit für sie hat. Die Hochzeiten fordern die Wochenenden. Während einer Hochzeit, bittet die Braut Corentin darum, ihre Liebeserklärung zu filmen. Diese Erklärung macht etwas mit dem jungen Franzosen, sie lässt ihn nachdenklich werden und er hat die Idee, seine Familie und seinen besten Freunde ebenfalls zu filmen, während sie einfach nur reden. Dabei eröffnen sich Dinge, die Corentin nie so gesehen hat, oder erahnt hätte.

Keine Liebesgeschichte!

Das ist das zweite Buch, das ich von Blondel gelesen habe. Die leichte und witzige Schreibweise, gefällt mir. Man könnte fast annehmen, er legt es darauf an, oberflächlich zu klingen. Dabei hat sein Roman eine gewisse Tiefe. Er zeigt einen jungen Mann, der ein Spiegel der jugendlichen Gesellschaft ist. Und nicht nur das, die Brautleute und deren Familienangehörige werden beleuchtet und gefilmt. Nicht immer besonders schön, mit ihren Macken, ihrer Arroganz und Überheblich- oder Unterwürfigkeit und Demut. Unschöne Wahrheiten können manchmal auch eine Hochzeit sprengen, das Leben zum Wanken bringen, weil man vergessen hat, die rosarote Brille abzunehmen. Blondel hat eine feine Art mit der Feder auf die Gesellschaft zu zeigen. 
Für mich eine amüsante tiefgründige Lektüre, die einem das Wochenende verkürzen kann.
Verlag :Paul Zsolnay
Übersetzt von Anne Braun
ISBN: 9783552063334
Fester Einband 
160 Seiten

The Girls

Evie Boyd ist 1969 Vierzehn Jahre alt und wird von ihren Eltern eher vernachlässigt. Nicht, dass es dem Mädchen schlecht geht. Aber aber ihre Eltern sind mit sich selber so sehr beschäftigt, dass  sie gar nicht darüber nachdenken, was ihre Tochter den ganzen Tag über so anstellt oder wo sie die Nacht verbringt. Auch in der Schule wird Evie übersehen, ebenso die beste Freundin, so unscheinbar sind die Mädchen. Als Evie eines Tages, während der Ferien, im Park zwischen den  Familien sitzt, sieht sie dort drei völlig verrückte junge Frauen, die sie magisch anziehen. Ungekämmt, etwas frivol und aufmüpfig, machen die Drei sich über die Parkbesucher lustig. Evie ist fasziniert, besonders von der einen jungen Frau. So möchte sie auch sein, gesehen und wahrgenommen werden.

„In diesem Alter fühlte sich Traurigkeit so wie eine angenehme Gefangenschaft an: Man schmollte und bäumte sich gegen die Fesseln von Eltern, Schule und Alter auf, die Dinge, die einen an dem sicheren Glück hinderten, das einen erwartete. „(Seite 141)

Der Sommer ist heiß und langweilig. Evie wird das interessante Mädchen, Suzanne, wiedertreffen, sich von der jungen Frau mitnehmen lassen, auf eine Ranch. Dort leben die Bewohner in trautem Beisammen sein, voller Liebe, ohne Regeln und mit einer Menge Drogen. Evie möchte hier nicht mehr weg, denn hier wird sie in der Mitte aufgenommen, hier wird sie von Allen geliebt.  Blind, wie die Jugendlichen manchmal sind, stolpert sie in eine gefährliche Geschichte.

„Ich würde in ihrer Erinnerung verblassen – die Frau mittleren Alters in einem vergessenen Haus -, bloß eine geistige Fußnote, die in dem Maße schrumpft, wie ihr eigentliches Leben sich geltend macht. Mir war bis dahin nicht klar gewesen, wie einsam ich war. Oder etwas weniger Drängendes als Einsamkeit: Vielleicht das Fehlen eines auf mich gerichteten Blicks. „(Seite 134)

Die Story ist an die wahre Begebenheit Charles Manson angelehnt. Vieles ist „kopiert“,  aber aus der Sicht der erwachsenen Evie erzählt. Sie fühlt sich schuldig und ist immer noch auf der Suche nach Anerkennung.
Wie uns Emma Cline in das Jahr 1969 bugsiert, ist schon gut durchdacht. Ich hatte allerdings öfter das Problem, mich nicht in den Zeiten zurecht zu finden oder in den wirren Gedanken einer 14 Jährigen. Allerdings war dieser Roman eine einzige Sucht, die 352 Seiten sehr schnell gelesen. Kopfschüttelnd, habe ich die Verlorenheit und den Drogenkonsum Evie’s aufgenommen. Selbst die Hitze, die im Sommer 69 in Kalifornien herrschte, waberte aus den Seiten und lähmte das Denken, schien die Sinne zu benebeln.
Wer sich nicht mehr an Charles Manson erinnern kann, >HIER< findest du mehr über die Sekte. Auch bei Cline, ist es brutal. Allerdings läßt sie uns die Geschichte oft selber weiterspinnen, gibt uns nur den Einstieg, der Rest geschieht von alleine: Kopfkino! Sehr gelungen.
Ich brauchte nach diesem Roman erst einmal einige Verschnaufer, um die Lebensgeschichte zu verdauen. Ich kann es nur empfehlen.

Roman von Emma Cline
übersetzt aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
Erscheinungsdatum: 25.07.2016
352 Seiten
Hanser Verlag
Fester Einband
ePUB-Format
ISBN 978-3-446-25404-6

This is not a love song

Vincent, in England ein erfolgreicher Geschäftsmann und Familienvater, wird von seiner Frau in seine Heimat nach Frankreich, zu seinen Eltern geschickt. In Frankreich fühlt er sich in die alten Muster seiner Kindheit zurückgedrängt. Er sieht seine ehemaligen Freunde wieder und beurteilt sie, obwohl er sie schon seit Jahren nicht gesehen hat. Er kritisiert das Leben, das seiner Eltern und das seines jüngeren Bruders. Und doch sind alle miteinander sprachlos, reden nicht über die Dinge, die gesagt werden sollten. Seine Schwägerin ist ihm schon immer etwas schwierig vorgekommen, doch wird sie die Einzige sein, die ihm endlich die Wahrheit sagt. 

„Meine Mutter interessierte sich nämlich für fast alles und jeden _ Nachbarn, Verwandte, die Freunde ihrer Söhne, die Stadträte und Fernsehstars. Sie stürzte sich begeistert auf das Leben anderer, um ihr eigenes zu vergessen….“Seite 84
Jean-Philippe Blondel schreibt, wie sein Protagonist denkt. In kurzen, knappen Sätzen werden wir mit in die Vergangenheit genommen, bekommen einen Überblick woher Vincent stammt und was ihn dazu brachte nach England zu gehen. Blondel hat eine sehr unterhaltsame Art zu schreiben. Sarkastisch, nachdenklich, humorvoll, tragisch. Er lässt eigentlich nichts aus. Selbst die Liebe hat einen kleinen Platz in diesem Buch gefunden, obwohl es hier hauptsächlich um Freundschaft geht.

“…sobald er etwas getrunken hatte, zu blubberndem Champagner wurde. Zu einem spritzigen und sonnigen Wesen, das die Dinge sagt, die das Ohr erfreuen und deren Geschmack einem am Gaumen haften bleibt.”…Seite 24
Was mich fasziniert hat, Blondel beschreibt nicht haarklein, sondern deutet nur an, was sofort zu Kopfkino führt und die fehlenden Worte damit aufgefüllt werden. Er beschreibt in knappen Sätzen ganze Gefühlswelten. 
In einem Interview mit ihm habe ich gelesen, woher er die Ideen nimmt. Am liebsten sitzt er in Cafés und “belauscht” die Gespräche an den Nachbartischen. Am Ende sucht er ein Musikstück, das er während des Schreibens in Endlosschleife hört. Es wäre vielleicht auch für den Leser ein Versuch wert, wie sich das Buch mit diesem Song liest…”This is not a love song” 
übersetzt aus dem Französischen von Anne Braun 
Erscheinungsdatum: 01.02.2016 
224 Seiten 
Deuticke Verlag 
Fester Einband
ePUB-Format 
ISBN 978-3-552-06319-8