Das Lied der Störche

1920

Freddy, eigentlich Frederike, kommt mit ihrer Mutter und den kleinen Geschwistern aus Potsdam. Sie werden auf dem Gutshof in Ostpreußen wohnen, denn die Mutter hat den Cousin ihres verstorbenen Mannes geheiratet. Es ist schon eine kleine Umstellung für die 11 Jährige. Alles ist etwas anders. Das warme Wasser muss noch aus der Küche nach oben getragen werden und es gelten strenge Regeln für den Alltag. Die Leute (die Dienerschaft), sehen die Mutter als Hausherrin, aber noch nicht als Respektsperson an. Was weiß Eine aus der Stadt schon vom Landleben und der Führung eines Gutshofes. Aber die Kinder haben einen guten Stand bei den Leuten, besonders bei der Köchin. So vertrödeln sie ihre Zeit, wenn sie nicht vom Hauslehrer geschult werden, mit Reiten, Schwimmen und Spielen auf den Wiesen. Einzig Frederike macht sich Sorgen um ihre Zukunft. Was soll aus ihr werden? Wird sie eines Tages jemanden finden, der sie heiratet und wird sie dann auch einen Gutshof leiten?…

Ulrike Renk beschreibt das Leben auf dem Gutshof in den 1920er Jahren ganz zauberhaft. Freddy hat viel Kontakt zu den Leuten, wodurch man einen netten Einblick hat. Das Mädchen hinterfragt Vieles und lauscht auch manchmal, wenn die Mutter Gespräche mit dem Personal führt. Die Örtlichkeiten sind schön beschrieben, so dass man sich sofort in dem Buch zu Hause fühlt.
Aber das war es dann auch schon. Das Buch war in meinen Augen so unaufgeregt, wie ein Kinderbuch. Manches mal hatte ich das Gefühl, einen neuen Band von “Der Trotzkopf” oder “Hanni und Nanni” zu lesen (Diese Bücher habe ich mit 10 Jahren sehr geliebt!). Die Autorin wiederholt sich in einer Endlosschleife, wenn es darum geht, dass sich Frederike Gedanken um ihre Zukunft macht und was die Köchin auf den Tisch bringt. Mir hat ein wenig das Niveau gefehlt, oder zumindest eine Spannung oder Tiefe.
Ich habe dieses Buch abgebrochen, was ich üblicherweise nicht mache.
von Ulrike Renk
Aufbau Verlag
512 Seiten
Taschenbuch
ISBN 978-3-7466-3246-9 

Das Nest

Die 4 Plumb-Geschwister erwarten ein Erbe, das sich gewaschen hat. Nur ist von dem Geld, das der Vater geschickt angelegt hatte und den Nachkommen erst zum 40sten Geburtstag der Jüngsten zur Verfügung stehen sollte, nicht mehr viel übrig. Schuld, hatte da wohl Leo, der Älteste. Durch einen Unfall, den er verursacht hatte, schrumpfte der Fond auf eine recht geringe Summe. Die Mutter, die bis dahin die Verwaltung des Geldes hatte, bezahlte das Opfer großzügig aus. Die restlichen Geschwister haben allerdings mit dem Erbe gerechnet und stecken nun in Schwierigkeiten. 
Ich habe mich mit dem Roman wirklich gut unterhalten. Leo, lässt keinen Rock aus den Augen, was ihn mehr als einmal in richtige Schwierigkeiten bringt. Aber frei nach dem Motto, aufstehen, Krone richten, weitermachen, zieht er seine Bahnen. Auch seine Schwester Bea, die sich für eine Schriftstellerin hält und von dem großen Durchbruch träumt, aber schon lange nichts gutes mehr geschrieben hat und Jack, der Antiquitätenhändler ohne Erfolg, erleiden einen mächtigen Dämpfer, als sie erfahren, daß sie nun doch nicht reich werden, um ihre Schuldenlöcher stopfen zu können. Melody, die Jüngste, zeigt sich gerne reich und gut gestellt. Dass sie im Grunde nur auf das Erbe wartet, erfährt man nur als Leser. 
Das Nest, ist demnach “nur” ein sattes Bankkonto, das durch 4 zu teilen wäre.



Ich fand es wunderbar, wie die Autorin alle auf die Schippe nimmt, sie bloßstellt und sich lustig macht. Sie beschreibt nicht nur die Geschwister in ihrer Welt auf Pump mit spitzer Feder, sondern noch etliche Nebendarsteller. Sie hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Zeigt auf, dass heute keiner mehr strampeln möchte und am liebsten einen warmen Geldregen erwartet, der einen wieder aus der Pampe hilft.

Was mir auch gut gefallen hat, ist dass es keine losen Ende gibt. Jede Geschichte wird zu Ende erzählt.

Das Nest, ist der erste Roman von Cynthia D’Aprix Sweeney. Als PR-Beraterin hat sie in New York gearbeitet, wo auch ihr Roman spielt. Ich hoffe sehr, dass sie weiter Bücher schreiben wird.

von Cynthia D’Aprix Sweeney
Übersetzt von Nicolai von Schweder-Schreiner
ISBN: 3608980008
Klett-Cotta Verlag
gebunden – 410 Seiten

Das ist ein „TierfreundBuch


Der Gast im Garten

Ein junges Paar findet eine Wohnung mit Garten, in einer japanischen schnelllebigen Stadt. Sie dürfen einen Garten nutzen, der sehr verwunschen wirkt. Alte und liebevoll gehegte Pflanzen stehen dort. Das Haus birgt wunderschöne Aussichten und entspricht den beiden jungen Menschen sehr. Nur dürfen sie keine Haustiere halten. Aber das macht nichts, denn in dem Garten scheint sich die Natur breit zu machen und die Städter zum Ausharren und Innehalten einzuladen. Eines Tages taucht auch noch das Kätzchen der Nachbarn auf und alles scheint perfekt. 
“Der Gast im Garten”, soll ein poetisches Buch sein. Vielleicht bin ich einfach nicht poetisch genug, um das bestätigen zu können. Mir fiel es eher schwer es zu Lesen. Lange, lag es auf meinem Nachttisch und wurde immer wieder mit neuer Literatur zugedeckt. Obwohl das Büchlein nur wenige Seiten hat, kam es mir langatmig vor und ich mühte mich es auszulesen. 
Einige Sätze fand ich schön, aber nicht schön genug, um sie mir zu merken. Was mir allerdings sehr gefallen hat, sind die Bilder von Quint Buchholz. Hübsche Bilder aus dem Garten, von dem Kätzchen oder passend zum Gelesenen. 
Alles in allem, ein hübsch gestaltetes Buch, zum Verschenken und für Menschen, die poetisch sind. Nichts für Realisten… 
Von Takashi Hiraide 
aus dem 
Insel Verlag
133 Seiten
verlinkt mit der #Titelchallenge ein Drückeberger Buch

Der Schneekimono

Der ehemalige Kommissar Jovert, wird eines Tages von dem japanischen Rechtsanwalt, Herren Omura in dem Hausflur des gemeinsamen Pariser Wohnhaus abgefangen. Herr Omura sucht das Gespräch mit dem Franzosen, er möchte sich etwas von der Seele reden, das ihn schon seit Jahren belastet. Der Pensionär hat aber gar kein Interesse an der Geschichte des gebildeten Japaner. Selber gerade mit einem seltsamen Brief belastet, der ihn an seine Jugend und seine Vergangenheit erinnert, versucht er dem asiatischen Mann aus dem Weg zu gehen.
Am Ende sitzen die zwei alten Männer stundenlang zusammen und reden über ihre Vergangenheit, um ihre Seelen zu läutern.

Erzählt wird in der Gegenwart und aus der Vergangenheit, auf mehreren Ebenen. Konzentriert verfolgte ich die verschiedenen Geschichten, die unvorhergesehen in einander übergingen. Doch immer wieder war ich verwirrt, in welcher Vergangenheit ich mich gerade befand. Auf den letzten Seiten, las ich einen Satz, der das Geschrieben wunderbar beschreibt: “Er habe gespürt, wie sich seine Gedanken rückwärts durch sein Leben ergossen, von einer Erinnerung zur nächsten sprang, wie die reißende Strömung ihn mit sich davon trug… “ (Seite 331) Besser hätte ich es nicht beschreiben können. Ich kann es kaum glauben, dass der Schriftsteller Mark Henshaw kein Japanern ist. Die Sprache in seinem Buch erinnert sehr daran, an das Blumige, Umschreibende, Zarte und doch Brutale. Schön und verwirrend zugleich. In seiner Danksagung erwähnt Hanshaw zwei japanische Freunde, die ihm “Einsichten in das japanische Denken” vermittelten. 
Mir hat das Buch anfangs wirklich große Schwierigkeiten gemacht. Zu viele fremde (japanische, französische) Namen und die verschiedenen Zeitsprünge verwirrten mich zu oft. Nach 100 Seiten gab es sich dann und machte süchtig. Wieder einmal traf ich auf Geschichtslücken meinerseits und nahm mir vor, mich mit dem Algerien Krieg 1957 auseinander zu setzen. (Ein Thema, das in dem Buch erwähnt wird und eine große Rolle spielt) Als einfache Literatur würde ich Der Schneekimono nicht bezeichnen. Es ist ein Buch das zweideutig ist, das mich nachdenklich gemacht hat. Wunderschön finde ich den Einband: das zarte Profil einer Japanerin auf blaugrauen Hintergrund. Einfach und schlicht. 



Von Mark Henshaw
aus dem Insel Verlag
übersetzt von Ursula Gräfe
(die viele Bücher von Haruki Murakami übersetzte)
382 Seiten
ISBN 978-3-458-17682-4

Die Geheimnisse der Küche des mittleren Westens

Hast du schon mal etwas von Lutefisk gehört? Das ist ein Traditionsessen zu Weihnachten aus Norwegen. Lars kann diesen ganz hervorragend vorbereiten. Einziger Nachteil, Lars stinkt nach diesem Fisch und bekommt den Geruch nicht aus der Nase. Aufgrund von diesem Geruch, denkt er, nie eine Frau zu finden. Doch er sollte Glück haben und die großgewachsene Cynthia treffen, sie heiraten und mit ihr ein Kind, Eva bekommen. Cynthia verlässt allerdings die kleine Familie, bevor Eva überhaupt denken kann und Lars stirbt an einem Herzinfarkt kurz nachdem Cynthia auf und davon war. Eva wird unkompliziert an den Bruder von Lars weitergegeben und wächst so als Tochter von Jarl und Fiona auf.
Eva ist ein seltsames Mädchen. Sie ist hübsch, schlaksig, hat zu große Füße und interessiert sich ungemein für die gute Küche, den Anbau von Gemüsen und Kräutern. Sie hat einen ausgeprägten Geschmackssinn und probiert auch gerne neue Speisen, lässt sich inspirieren. Sie fällt in der Schule auf und wird nicht von jedem geliebt. Aber das stört das Mädchen fast nie. Sie findet einen Weg, sich zu bestätigen. 
Eva trifft auf Menschen, die ihr Leben bestimmen. Die nicht immer die beste Wahl sind, aber für Eva, Meilensteine zu ihrem späteren Wohlstand. Sie ist der Rote Faden durch dieses Buch, aber nicht in jedem Kapitel im Vordergrund. Ich finde es sehr geschickt gemacht, wie Eva immer wieder auftaucht aber nicht die Hauptrolle spielt. Die Kapitel strotzen vor Neid, Mißgunst und Mißbilligung. Die Akteure geben sich diesen Gefühlen hin und zeigen sich in ihrem eingeschränkten Leben. Der Leser bekommt einen ungeschönten Blick in die Wirklichkeit der Protagonisten. J.Ryan Stradal hat eine besondere Art zu schreiben. Mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor. Man findet schnell in die Story und hat wirklich Spaß am Lesen. 
Als Bonus gibt es das ein oder andere Rezept. Rezepte, die man durchaus probieren könnte. Interessante Kombinationen, mit denen Eva am Ende ihr Leben in unglaubliche Bahnen lenkt. 
Als ich den Klappentext las, war ich mir nicht schlüssig, ob ich dieses Buch lesen möchte. Man vermutet eine Familiengeschichte, ein MutterTochterDing, das sich aber so nicht im Buch wiederfand. Ein sehr kurzweiliges Buch, das auf jeden Fall gelesen werden sollte. 
J.Ryan Stradal  hat bisher nur dieses Buch herausgegeben. Ich hoffe, es war nicht das Letzte. Er schrieb allerdings Kurzgeschichten für Zeitschriften, produziert Fernsehserien und ist selber Lektor. 
Diogenes Verlag
Hardcover Leinen 
432 Seiten 

Bei den Wölfen

Lebe einzigartig und ohne Bedauern


Rachel ist eine starke Frau, die weiß was sie will. Sie ist aber auch einsam und wenn es ihr allzu trist wird und sie sich nach ein wenig “Liebe”  sehnt, nimmt sie sich einen Kerl und holt sich, was sie braucht. Sie erforscht Wölfe und lebt in Amerika. Aber ihre wirkliche Heimat ist der Norden Englands, kurz vor der Schottischen Grenze. Dort ist sie geboren, als Tochter einer ebenso freien Frau, die ihrer Tochter das Starke mit auf den Weg gegeben hat. Aber Rachel ist auch einsam. Sie hat sich in ihrer Welt in Amerika gegen ihre Familie abgeschottet und lebt ihr eigenes Leben.
Als Wolfsforscherin hat sie sich einen Namen gemacht. Und so will sie ein reicher Engländer für sein Projekt, Wölfe wieder in den englischen Bergen anzusiedeln, für sich gewinnen und lädt Rachel zu sich, auf die Grafschaft ein. Rachel weiß was sie will, und das ist nicht, nach England zurückkehren. Und so wenig Kontakt mit ihrer Familie wie nur möglich. Aber das Angebot ist doch zu verlockend und so springt sie über ihren Schatten und siedelt nach England um.

“Anders, als er es normalerweise tun würde, geht er nicht auf das Geplänkel ein, sondern fixiert sie mit einem Blick, geduldig, schutzlos. Und das überzeugt sie, dass unter dem Schweigen doch mehr ist, etwas sehr Reales. Das Unaussprechliche ist stets lauter als das deutlich Erklärte.”

Seite 80

Es ist mir nicht schwer gefallen, mich in diesem Buch wohl zu fühlen. Ich mag starke Frauen, die ihren Weg gehen, selbstbewusst sind und sich nicht verschrecken lassen, nur weil da so ein Macho auftaucht. Rachel ist eine solche Frau. Die Widrigkeiten, die sie zu so einer Stärke gebracht haben, werden so nach und nach offen gelegt.
Allerdings habe ich mir mehr Wölfe in dem Buch vorgestellt. Wölfe die auf vier Beinen daher kommen. Aber ich habe den Verdacht, es geht hier mehr um die zweibeinigen Wölfe. Denn auch unter den Menschen gibt es solche Exemplare. Sie sind sozialisiert, wissen sich zu benehmen, aber wehe, sie werden losgelassen. In diesem Buch geht es um Konflikte, um soziales Miteinander, um Wildnis und etwas Politik und Sex.

“Das Altwerden ist nicht zum Lachen. Das kann ich dir sagen. Ich hasse es. Das wird dir genauso gehen. Steigt aus dem Bus aus, wenn es soweit ist.”

Seite 54

Ich habe jede Seite genossen und war gerne mit Rachel in ihrem Leben unterwegs. Ein schönes Buch, um mal so richtig abzuschalten und in schönen Gedankenbildern zu schwelgen. Sarah Hall kann schreiben und nimmt auch ihre Leser mit. Sie ist 1974 in Cumbria kurz vor der Schottischen Grenze geboren. Sie kennt also das Land und seine Menschen sehr gut, von denen sie schreibt.


Mir gefallen die originalen Cover allerdings besser.

geschrieben von Sarah Hall
übersetzt von Nikolaus Stingl
erschienen bei Knaus Verlag
448 Seiten
ISBN: 978-3-8135-0679-2