von Andrea Karminrot | Dez. 20, 2024 | Historie |
Mitternacht war gerade vorbei, die wenigen Passanten nahmen keinerlei Notiz von ihnen. Sie hatten es geschafft, sich in aller Öffentlichkeit unsichtbar zu machen. Sie waren die Schatten von Prag.(Seite 164)

Die Schatten von Prag
Egon Erwin Kisch, der rasende Kriminal-Reporter, der für die renommierte Prager Tageszeitung Bohemia arbeitet, hat in diesem Buch eine Hauptrolle. Diese historische Figur sorgte dafür, dass ich mir den Krimi ausgesucht habe. Neben dem 1910 (realen) noch recht jungen Reporter, spielt eine fiktive Frauenfigur eine Rolle. Es ist die junge Medizinstudentin Lenka. Die junge Frau hatte vorübergehend in dem quirligen Berlin gelebt und als eine der wenigen Frauen Medizin studieren können. Aber als ihre Mutter langsam immer mehr in eine Demenz abdriftete, kam sie nach Prag zurück. Im Zug nach Prag traf Lenka auf eine faszinierende Frau, die ihr zum Ende eines Gesprächs, gegen das Heimweh ein Fläschchen mit Berliner Luft schenkte. Diese Frau sah Lenka in Prag wieder, als ein Mensch um Leben gekommen war. Hatte die vornehme Dame was mit dem Mord zu tun?

Kisch ist fast immer der Erste bei einem Mord. Er hat sich einige Prager Jungen als Nachrichtendienst organisiert, die ihm immer schnell Meldung machen, wenn wieder etwas passiert ist. Seine Reportagen sind spannend geschrieben und verhelfen dem Tageblatt zu einem guten Absatz. Kisch ist nicht unbedingt bei seinem neuen Vorgesetzten beliebt. Der Reporter darf sich bald nicht mehr mit den Kriminalfällen befassen und wird degradiert. Jetzt hat er noch mehr Zeit sich in Kaschemmen herumzutreiben, viel zu viel zu trinken und eine nach der anderen zu rauchen. Der junge Reporter ist hübsch und keine junge Frau mag ihm widerstehen. Das Morden hört aber nicht auf und Kisch versucht auf eigene Faust herauszubekommen, wer hinter dieser Mordserie steckt. Lenka wird ihm dabei (widerwillig) helfen.

Wenn ich nicht …
… zufällig im Radio ein Interview der beiden Autoren von „Die Schatten von Prag“ gehört hätte, hätte ich das Buch zugeschlagen, denn ich finde, es ist weit entfernt von einem Krimi. Ich habe statt einer Mordermittlung sehr viel über die damalige Zeit gelernt. 1910 zog der Halleysche Komet gerade seinen Schweif über die Erde und die Menschen waren recht irritiert. Sie vermuteten einen Weltuntergang oder andere Katastrophen. Die Welt war ohnehin im Umbruch und darüber wurden Bruchstücke der damaligen Geschichte immer wieder in dem Buch erwähnt. Kisch ist mir persönlich eine unangenehme Figur. Seine überhebliche Art machte es mir nicht leicht. Lenka fand ich schon viel sympathischer. Diese Figur zeigte, dass auch die Frauenwelt im Aufbruch war und sich nicht mehr alles gefallen lassen wollte.
Nur die Morde, eigentlich eine Mordserie, stand an hinterster Stelle. Viel drumherum, aber weniger ein Krimi.
Sicherlich ist „Die Schatten von Prag“ ein Buch, dass wenn man es liest, sehr informativ ist, mir fehlte es aber an Spannung. Es ist bestimmt auch richtig gut recherchiert, doch kenne ich mich mit Prag und der tschechischen Geschichte gar nicht aus. So erklärte sich mir auch nicht der Umstand, dass die in Prag lebenden Menschen mal Tschechisch, mal Deutsch sprachen und das diese beiden Nationalitäten sich 1910 so gar nicht mochten.
Man hätte „Die Schatten von Prag“ nicht als Krimi deklariert sollen. Vielleicht hätte er mich dann abgeholt. So habe ich immer auf eine Mordermittlung gewartet. Meine Erwartungen waren anders. Ansonsten hatte der Roman seine wirklich informativen und unterhaltenden Seiten. Somit gibt es von Rubi und mir 🐭🐭🐭 und man findet es eher unter den historischen Büchern.

Die Autoren
Martin Becker macht leidenschaftlich gerne Radio, ist Kolumnist, Reporter und ist Literaturkritiker. „Die Schatten von Prag“ ist nicht sein erstes Buch. Zusammen mit Tabea Soergel haben die beiden 2016 schon den Deutsch-tschechischen Journalistenpreis gewonnen. Tabea Soergel schreibt Rezensionen und Radiofeatures, auch immer wieder zu tschechischen Themen.
Die Schatten von Prag
Ein Roman geschrieben von Martin Becker & Tabea Soergel
260 Seiten
aus dem Kanon Verlag
ISBN 978-3-98568-124-2
von Andrea Karminrot | Sep. 23, 2016 | Historie, Rezension, Roman |
Dana Carpenter entführt uns in das 13. Jahrhundert. Maus, so heißt ihre Hauptfigur, ist ein Mädchen, dass in einem Kloster in Böhmen aufwächst und ihren wahren Namen nicht kennt. Maus weiß auch nicht wer ihre Eltern sind, sie ist mit einem Intellekt und einer Auffassungsgabe gesegnet, dass die Menschen um sie herum dazu verleitet, sie als Hexe zu bezeichnen. Die Nonnen bilden Maus aufgrund ihrer besonderen Begabung, zu einer Heilerin aus. Erst als die 14- Jährige den König rettet, der durch einen Pfeil in der Brust lebensgefährlich verletzt wurde, bekommt sie Anerkennung. Sie zieht mit dem König Richtung Prag, darf an dem Königshof als das Mündel des Königs leben. Aber den Makel als Hexe verliert sie die ganze Zeit über nicht. Keiner kennt ihre Abstammung, das macht sie für die Adligen unheimlich. Maus spürt eine Macht in sich, die sie sich selber nicht erklären kann.
Hier habe ich eigentlich einen Historischen Roman erwartet. Die ersten Seiten waren auch ganz nach meinem Geschmack, doch als die Sequenzen mit Dämonen und Schattengeister auftauchten, war es mir eine Nummer zu viel. Manches mal blieb ich in der Geschichte stecken und fand, dass ich scheinbar eine Seite überblättert habe und den Anschluss verloren haben muss. Dana Carpenter schreibt trotzdem spannend, die Geschichte liest sich sehr schnell und unterhaltsam. Auch die Historischen Hintergründe scheinen mir an die Realität des 13 Jahrhunderts angepasst. Doch ab der Mitte des Buches hatte ich das Gefühl, dass die Autorin noch schnell, das restliche Leben ihrer Hauptfigur erzählen muss.
Ehrlich gesagt, kann ich nicht sagen, ob mir dieser Roman gefallen hat. Erfreulich fand ich die Geschwindigkeit, mit der ich diese Fantasterei verschlungen habe. Denn das war unbestreitbar, ein schnelles Buch. Es hat mich gestört, dass die Geister so präsent waren und dass ich öfter den Faden verloren habe Erwartet hatte ich etwas Anderes, als ich den Klappentext gelesen habe. So las ich ein unterhaltsames Fantasiebuch, mit einigen Abstrichen. Für absolute Fantasiefans, bestimmt ein spannendes Buch. Für jemanden wie mich, der einen Mittelalterroman erwartet hat, der wird unterhalten aber nicht überzeugt.
Originaltitel: Bohemian Gospel.
Übersetzt von Beate Brammertz
Verlag Heyne
Taschenbuch
429 Seiten
von Andrea Karminrot | März 21, 2016 | Rezension, Roman |
Ich habe diese Woche ein Buch über einen alten Zauberer gelesen. Ein schöner Roman, der einen auf jeden Fall auf seinem Leseplätzchen fesselt und man versucht ist, es in einem Rutsch durchzulesen.
Die Geschichte beginnt in Prag. Laibl, ein Rabbi, muss sein Land im ersten Weltkrieg verteidigen und als er wieder fast unversehrt nach Hause kommt, verkündet ihm seine Frau, dass sie ein Kind bekommen. Ein Wunder ist geschehen. Obwohl Laibl vor vier Monaten doch noch keine Möglichkeit hatte Rifka, seiner Frau den Samen für dieses Wunder zu spenden. Da sie aber schon vor dem Krieg fleißig geübt haben, nimmt Laibl das Kind als ein Wunder an. Er versucht dem Jungen, der Mosche genannt wird, ein guter Vater zu sein. Mosche ist nicht unbedingt das perfekte Kind, das sich Laibl gewünscht hat. Aber schlau genug ist der Junge allemal. Als der richtige Augenblick gekommen ist, läuft der fünfzehnjährige Mosche weg und schließt sich einem Zauberzirkus an.
„Die Menschen sind begierig darauf, getäuscht zu werden. Sie wollen an etwas Größeres glauben…. Die Magie ist eine wunderschöne Lüge.“ Seite 158
Gleichzeitig, liest man die Geschichte von Max in Los Angeles 2007. Max ist ein Zehnjähriger, der zeitweise ziemlich altklug daherkommt, der sich mit der Scheidung seiner Eltern auseinander setzen muss. Er gibt sich selber die Schuld an der Trennung der Eltern, denn er hat sich mit einem gefundenen Penny, das Verschwinden seines Vaters gewünscht. Was liegt da näher, als sich auf die Suche nach einem geeigneten Zauberer zu machen, der diesen Wunsch wieder rückgängig machen kann. Zufällig findet Max in den Sachen seines Vaters eine Langspielplatte von dem “Großen Zabbatini” einem Magier aus Europa. Nachdem er sich einen ausgiebigen Streit mit seiner Mutter geliefert hat, läuft Max weg und findet tatsächlich den Magier. Ob der ihm allerdings helfen kann, das möchte ich hier nicht erzählen.
“…Er war zu alt für dumme Kunststücke und Spielchen. Er war auf der Suche nach einer tieferen, schlichten Wahrheit….Alle Kunst strebt zur Schlichtheit.”Seite 294
Emanuel Bergmann verpackt eine schreckliche Geschichte in einem Mantel aus vielen lustigen Momenten, so dass man erst gar nicht merkt, wie dramatisch das Leben der beiden Hauptdarsteller eigentlich ist. Mosche hat es nicht leicht und wird zu einem knurrigen und egoistischen Menschen, der auch über Leichen gehen würde. Der sich durch eine schreckliche Zeit im Nationalismus schlägt und so tut, als ginge ihn das alles nichts an. Und am Ende eine Tat vollbringt, die man diesem selbstgerechten Menschen gar nicht zugetraut hätte. In der Moderne leidet Max so sehr unter der Trennung der Eltern, dass er zu unkonventionellen Mitteln greift, um seine heile Welt wieder herzustellen.
Auch die Nebenfiguren sind von Herrn Bergmann so wunderbar gezeichnet, dass es eine wahre Freude ist dieses Buch zu lesen. Da ist das Omchen, das ihre Geschichte nie zu Ende erzählen durfte. (Manchmal sollte man eben zuhören!) Julia, die Freundin von Mosche, die das Leben des Magiers prägte und einen hässlichen Abgang hatte, um aus dem Leben Mosches zu verschwinden. Die Eltern von Max, die sich in ihrer Scheidung verloren haben und veränderten. Und so viele Andere, die diesen Roman sehr lebendig machen. Der Autor hat mich amüsiert und zugleich nachdenklich gemacht. Was macht unser Zusammenleben aus? Mal wieder zuhören, sich und mein Gegenüber wahr nehmen und auch den Illusionen hingeben, die das Leben einem präsentiert.
“Der Trick” ist der erste Roman von Emanuel Bergmann. Ich hoffe sehr, dass das nicht sein letzter Roman gewesen ist. Wenn es seine Zeit als Lehrer und Übersetzer erlaubt, würde ich mir noch mehr solcher unterhaltsamen und tiefgründigen Romane von ihm wünschen.
Verlag : Diogenes
Fester Einband