von Andrea Karminrot | Jan 30, 2020 | Sachbuch |
Das vermessene Ich
Hast du dich schon mal selber auf die Probe gestellt? Dich selbst vermessen? Also deine Schritte gezählt, deinen Schlaf gecheckt? Was du ißt und wie viel du an Flüssigkeit zu dir nimmst? Warum das alles? In ihrem Buch, Das vermessene Ich, stellt die Psychologin und lizenzierte Fitnesstrainerin unseren Umgang mit den Daten, die wir im Netz und auch im wahren Leben hinterlassen, in Frage.
„Ich will die beste Version von mir sein, die ich sein kann“ Seite 17

Sie beschreibt sehr anschaulich, welche Spuren wir überall hinterlassen. Ihr Freund Henry, der immer wieder zu Wort kommt, ist da eher gemäßigt. Ihn stört es nicht, dass im Grunde jeder alles über ihn erfahren kann. Das ist eben so und damit muss man leben. Erschreckend ist, dass fast jeder so denkt und tatsächlich kaum die Möglichkeit besteht, etwas dagegen zu unternehmen. Alleine, wenn du im Internet nach etwas suchst, hinterlässt du Spuren, nachdem die Algorithmen uns dann mit Werbung zu spamen oder was ich noch viel bedenklicher finde, mit unseren Daten werden wir vermessen.
Was ich gelesen habe
Die ersten Kapitel in diesem Buch haben mir sehr gut gefallen. Es hat mich überzeugt, doch vorsichtiger mit meinen Daten umzugehen. Tatsächlich liegt meine Schrittzähler schon seit einiger Zeit in meinem Schrank und hält eine Art Winterschlaf. Vivien Suchert erklärt in ihrem Sachbuch, wie die Industrie, die Regierungen und wer auch sonst, mit unseren Daten, die wir freizügig hinterlassen, umgehen.
Am Ende war ich allerdings immer genervter von all dem Input, der auf mich einprasselte. Es las sich immer mehr wie eine Doktorarbeit und die anfänglichen Gedanken, die ich mir machte, flauten immer mehr ab. Dann sollen sie doch meine Daten auswerten, war mein letzter Gedanke. Das Buch wurde immer trockener und auch die grau hinterlegten Henry-Geschichten machten es nicht besser. Wer sich allerdings gerne mit den Einsen und Nullen der Computerwelt beschäftigen möchte, ist bei Das vermessene Ich bestimmt richtig.

Was die Autorin allerdings tatsächlich bei mir erreicht hat ist, dass ich versuche so wenig Spuren zu hinterlassen. Inkognito surfen, eine andere Suchmaschine, die angeblich keine Cookies speichert und wie gesagt, die winterschlafende Fitnessuhr, sind meine Maßnahmen. Aber das wir in einer Welt leben, die darauf ausgelegt ist, uns zu vermessen, das werden wir wohl kaum verhindern können.
Die Autorin
Vivien Suchert ist Diplom-Psychologin und Fitnesstrainerin. Sie hat 2017 das Buch Sitzen ist fürn Arsch, herausgebracht, dass sich mit unserem Sitzverhalten beschäftigt hat. Sie arbeitet in Kiel im Rahmen eines Projekts zur Förderung der körperlichen Aktivität bei Jugendlichen, das sie zu ihrem Erstlingswerk motivierte.

280 Seiten
Verlag:Ecowin
von Andrea Karminrot | Aug 2, 2014 | Historie, Rezension, Roman |
Ein außergewöhnlicher Boxer
Ein Roman von Stephanie Bart
…Denn so, wie Trollmann boxte, hatte man zu seiner Zeit noch nicht geboxt, und gern wäre Breitensträter noch einmal ganz jung gewesen, um das zu erlernen. Allein seine Beinarbeit war phänomenal, und wie er das Rückwärtslaufen einsetzte und noch aus dem Zurückweichen heraus Wirkungstreffer setze, war unglaublich, und niemand konnte so überzeugend wie er Schläge antäuschen und mit den Füßen fintieren. Er war eine echte Begabung, wen, wenn nicht ihn, sollte man um den Titel kämpfen lassen…
Im Frühjahr 1933 tobt das Leben in Berlin.
Während Adolf Hitler seine Säuberungsaktionen durchführen lässt und viele Boxer, Trainer und ihre Manager von den offiziellen Listen gestrichen werden, bereitet sich Johann Rukelie Trollmann darauf vor, Deutscher Meister zu werden. Obwohl Zigeuner, glaubt er an einen Sieg. Doch sein echter Gegner heißt nicht Witt, sondern Hitler, besser noch die Handlanger des deutschen Boxsport.
Das Buch erzählt ein halbes Jahr in dem Leben des jungen Boxer. Für seinen Kampfstil zu früh geboren und Sportler im falschen Land, zu einer Zeit die nichts übrig hatte für „Andersartigkeit“.
Stephanie Bart schreibt eine Geschichte wie einen Film. Ständig springt sie in den Spielorten hin und her. Ihre Figuren treffen einander und geben sich den Erzählstab sozusagen in die Hand. Bart erzählt aus allen Richtungen und mit jedem ihrer Helden. Es fällt aber nicht schwer ihrer Erzählung zu folgen. Es bleibt spannend.
Genauso umschreibt sie das Kämpfen und Trainieren mit kurzen abgehackten Sätzen und Wörtern, das man wahrlich Kopfkino hat:
Dirksen, vor ihm stehend, legt die Linke an die rechte Körperseite, nämlich an die Leber, und hielt die Rechte neben dem Kopf . Trollmann, einatmend hoch, sah die Pratze auf der Leber noch in der gebeugten Haltung und winkelte den linken Arm gar nicht erst an den Körper an. Sondern: holte im Aufrichten mit einer Drehung aus der Hüfte nach hinten weg zum Haken aus. Ausholen, einholen, die Weltkugel unter der Achsel, die ganze Welt mit dem Arm umfahren – etwas zu weit, dachte Dirksen -, den Arm von der Fliehkraft beschleunigen lassen, rund rüberzischen und zack!, mit einem gegenläufigen Ruck in Hüfte und Schulter rein in die Leber-Pratze, genau neben den Mittelpunkt – siehste, dachte Dirksen…
So lesen wir das öfter, und es macht Spaß!
Einzig die vielen Namen machen Kopfzerbrechen. Und wenn man sich nicht vorher etwas mit dem Thema Trollmann auseinander gesetzt hat, könnte etwas fehlen.
Die Stadt Berlin zu kennen, ist auch von Vorteil. Nicht oberflächlich, besser so ein bisschen, wohin die Helden dieses Buches zu Fuß unterwegs sind.
Stephanie Bart zeigt uns ein Berlin der 30er, mit der Kodderschnautze der Berliner und dem ständigen Lebensmut.
Für mehr Informationen :kreuzberger-chroniken
Fester Einband: 384 Seiten
Erschienen bei HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH,
12.08.2014
ISBN 9783455404951