„Die Zeit des Lichts“ von Whitney Scharer

Die Zeit des Lichts

Von Whitney Scharer

Als ich Die Zeit des Lichts in den Händen hielt, habe ich ein Buch über eine geniale Fotografin der Dreißiger Jahre erwartet. Ein Buch über Lee (Elizabeth) Miller, die zusammen mit Man Ray, Räume/Museen mit besonderen Bildern füllen konnte. Ich erwartete eine Biografie, ein Buch über das Leben einer Frau, die ihre Karriere als Model startete und nicht genug von guten Fotos bekommen konnte, die immer wieder Neues ausprobierte und ihre Kunst stets weitertrieb.

Whitney Scharer hat aber eine Art Roman um die Biografie dieser Frau gesponnen. Auf den letzten Seiten ihres Buches schreibt die Autorin selber, dass sie sich zwar an die Details und an Fakten hielt, aber ansonsten einen Roman schreiben wollte. W. Scharer sah bei einer Ausstellung die Bilder von Lee Miller und war von der Künstlerin angetan. Sie recherchierte 2 Jahre, um Die Zeit des Lichts zu schreiben.

Seite 91: …sie will einfach so sein wie das Gefühl, das die Worte in ihr ausgelöst haben: allein, aber nicht einsam, auf niemanden angewiesen, bewusst leben, mit einem Ziel.“

Die Zeit des Lichts

Lee Miller ist 22 Jahre alt, als sie von New York nach Paris zieht. Sie möchte kein Model mehr sein. Die junge Frau möchte malen oder selber fotografieren, Kunst studieren. Doch sie fühlt sich nicht willkommen in dieser flirrenden Stadt der Dreißiger Jahre, bis sie eines Tages den Fotografen Man Ray kennenlernt. Die junge Frau will bei ihm als Assistentin in die Lehre gehen. Doch Man Ray und Lee Miller fühlen sich so sehr voneinander angezogen, dass sie ein Liebespaar werden. Lee lernt sehr viel von dem Künstler. Bald ziehen Lee und Man zusammen und produzieren unermüdlich Bilder. Sie wird seine Muse und er, ihr Lehrer. Die Beiden können davon sehr gut leben und die schillernde Künstler-Welt von Paris auskosten.

Was ich gelesen habe

Lee ist eine Frau, die immer das Gefühl hat, sie müsse jedem gefallen. Schon als Kind stand sie ihrem Vater vor der Kamera Model. Sie wirkt stets sehr zerbrechlich und doch hat sie eine besonders stabile Mauer um ihre Gefühle gebaut.

Seite 278: „Du bist wie ein hübsches Stück Glas, mit deinen hübschen Augen und deinem hübschen Gesicht, aber mehr auch nicht. Einfach nur klar und durchsichtig“

…So sagt eine andere Künstlerin zu Lee Miller. Lee lebt einige Zeit mit dem Künstler Man Ray zusammen. Doch eines Tages hat sie genug, fühlt sich hintergangen und ausgenutzt.

Ich habe kaum einen Zugang zu dem Roman gefunden. Whitney Scharer‘s Debütroman ist bestimmt nicht schlecht recherchiert. Doch wurde ich nicht mit der Person Lee Miller warm. Sie blieb mir verschlossen und kalt. Der Roman ist keine Biografie! W. Scharer hat ihre Geschichte dem Leben der Fotografin entnommen und einiges dazu gesponnen.

Der Roman beginnt 1966 in England auf einer Farm in Sussex, auf der Miller mit ihrem Ehemann Roland Penrose lebt. Lee ist gezeichnet von ihren Erlebnissen in Europa (Deutschland), wo sie während des Krieges Kriegsberichterstatterin war. Sie hat Bilder gesehen, die ihr nie wieder aus dem Kopf gingen, weshalb sie sich mit Alkohol betäubte. Ihre Agentin bitte Lee um einen Artikel über ihren ehemaligen Geliebten Man Ray.
Und damit führt die Geschichte weiter zurück, als Lee 1929 nach Paris kam. Einige Kapitel beschreiben auch das Leben der Fotografin, während und nach dem zweiten Weltkrieg. Verstörende Momente im Leben einer Frau, die Grausames sah. Einer Künstlerin, die sich von diesem Anblick nie erholte.

Und doch hat der Roman mich inspiriert, weiter nach Bildern dieser Frau zu suchen. Surrealistische und Schöne, interessant und verstörend. Schade, dass man kein einziges Bild im Roman findet. Le monde Kitchi hat einen sehr interessanten Blogpost, dieser Künstlerin veröffentlicht. Außerdem habe ich einen tollen Bericht bei YouTube über die beiden Künstler entdeckt.

Die Autorin und der Übersetzer

Die Zeit des Lichts, ist Whitney Scharer Debütroman. Sie hat kreatives Schreiben in Washington studiert.
Nicolai von Schweder-Schreiner übersetzt aus dem englischen sowie portugsischen ins deutsche. Er erhielt für seine Übersetzungen schon Preise. Nebenher ist er Gitarrist und Sänger Mitglied der Band Veranda Music.

Klett-Cotta Verlag
Originaltitel The Age of Light
392 Seiten
ISBN: 978-3-608-96340-3

Verlinkt mit den Dezemberbücher und bei Monerls Tops und Flops

Nellie Bly, eine mutige Frau

Nellie Bly, eine mutige Frau

Es kommt nicht oft vor, dass ich Biografien lese. Doch eine Biografie von Nellie Bly, kribbelte mich schon. Hast du denn schon einmal von dieser interessanten Frau gehört? Sie war eine mutige Journalistin, die sich mit spannenden Themen einen Platz in der von Männern dominierten Welt ergattert hatte. Im Mai 1864 kam sie auf die Welt und hatte in den ersten Jahren eine unbeschwerte Kindheit. Als ihr Vater dann plötzlich verstarb, wurde Nellie, die eigentlich Elizabeth hieß, bewusst, in was für einer männerdominierten Welt sie groß wurde.

Jahre später, versuchte Elizabeth für ihren Lebensunterhalt selber aufzukommen. Das war aber für eine junge Frau so gut wie nicht anständig möglich. Sie hätte in einer Fabrik arbeiten gehen können, nachdem ihr Vormund ihre angefangene Lehrerinnenausbildung nicht mehr bezahlen konnte. (Das Geld war plötzlich alle?!) Aber das war keine Option.

Er hat noch nie erlebt, dass ein fünfzehnjähriges Mädchen mit einer solchen Entschlossenheit auftritt.“ (Seite 24)

Als sie einen Artikel in der Pittsburgh Dispatch las, konnte sie sich nicht zurück halten und schrieb dem Journalisten eine Antwort. In der Redaktion war man so angetan von dem Brief, den Elizabeth schrieb, dass man sie in den Verlag bat. Und damit begann eine Karriere, mit der man nicht rechnen hätte können.
Elizabeth bekam einen neuen Namen und schrieb einige interessante Artikel. Sie war eine der ersten Frauen, die Undercover-Reportagen verfasste.

„…Elizabeth hungert nach etwas, das sie leben lässt. Dieser Hunger hält sie aufrecht, er treibt sie an, zielstrebig ihren Weg zu suchen, was so unendlich schwer ist in einer Zeit, in der Amerika Arbeiter verschlingt, ohne Unterschiede des Geschlechts, des Alters oder der Hautfarbe zu achten.“ (Seite 31)

Aber das reichte der jungen Frau nicht. Sie war mit ihren etwas über 20 Jahren noch nicht zufrieden mit ihrem Erfolg und zog nach New York. Dort schrieb sie für die Zeitung von Pulitzer mehrere spannende Artikel, ließ sich undercover in einer Irrenanstalt einweisen, fuhr in nur 72 Tagen einmal um die Welt.

Das Buch

Die Biografie ist von dem italienischen Autor und Moderator Nicola Attadio geschrieben worden, der, inspiriert von einer Radiosendung, auf diese furchtlose Reporterin aufmerksam wurde. Er trug Einiges aus Büchern und dem Internet über Nellie Bly zusammen und verpackte die Geschichte einer emanzipierten Frau, fast wie einen Roman. Verschiedene kursiv geschriebenen Texte lassen anmuten, dass Nellie ein Tagebuch schrieb. Nebenher bekommt man eine Menge Informationen über die bekannten Menschen in Nellies näherer Umgebung. (Pulitzer, der große Gatsby und viele mehr) Seine Hauptakteurin lebte aber auch in einer neuen und schon recht modernen Zeit. Die Schreibweise des Autors ist spannend, was es einfach macht dem Leben der Journalistin zu folgen. Ein wenig gefehlt hat mir, dass keine Bilder in dem Buch zu finden sind. Außer natürlich dem Cover. Dabei wäre es bestimmt ganz schön, mal einen Blick auf diese außergewöhnliche Frau zu werfen. Zum Glück, hält dafür das Internet einige Bilder bereit.

Ein sehr interessantes und lesenswertes Buch, weshalb ich es sehr gerne in das Regal der Novemberbücher stelle und es als Topp bei Monerl’s bunter Welt

Autor: Nicola Attadio
(Nicola Attadio lebt und arbeitet in Rom. Er ist Medienverantwortlicher des italienischen Verlags Laterza und arbeitet zudem als Autor und Moderator für die Sendung »Vite che non sono la tua« auf »Rai Radio 3«. Die Idee zum Buch entstand während seiner Recherchen zur Radiosendung über Nellie Bly, die am 12. Dezember 2015 ausgestrahlt wurde)

Übersetzer: Walter Kögler
Verlag: Orell Füssli
ISBN 978-3-280-05715-5
214 Seiten