1945, es ist Kriegsende. Der achtjährige Peter flüchtet mit seiner Mutter Helene in Richtung Westen. Wie so viele, versuchen sie in den Zügen Platz zu finden. Doch immer sind diese voll. Noch geht er jeden Tag in den Milchladen, in dem die Schule abgehalten wird. Jeden Tag sind es weniger Kinder. Doch heute kam auch der Lehrer nicht mehr. Peter läuft nach Hause und findet die Wohnungstür in dem halb zerbombten Haus notdürftig verschlossen. Drinnen hört er die Mutter und die Russen.
Bald darauf bekommt Helene, die Mutter einen Tipp. Es gehen mehr Züge Richtung Westen und sie finden Platz in dem überfüllten Zug. Kurz vor Pasewalk hält der Zug und die Menschen strömen auf den Bahnhof. Helene setzt ihren Sohn auf eine Bank und zwingt ihn auf sie zu warten. Und dann verschwindet sie.
Diese Geschichte ist erst das Vorspiel zu dem eigentlichen Roman über Helene und ihre Familie. Helene ein zartes und intelligentes Mädchen und doch ist sie zäh und beißt sich durch. Der Roman ist fast prosaisch geschrieben, der sich in den Gedanken des Lesers festsetzt. Kein Roman, den man zwischendurch einmal zur Hand nehmen kann. Die Geschichte Helene‘s beginnt in Bautzen. Ihre Schwester Martha ist ihr die wichtigste Person. Die „verrückte“ Mutter liebt ihre Mädchen nicht, schon gar nicht die Jüngste, Helene.
Wären doch noch die Jungen am Leben, die die Mutter geboren hat. Doch die Mädchen halten aneinander fest. Der Vater, besessen von der Mutter, muss in den Krieg ziehen und kommt erst Jahre später zurück, um zu sterben. Schon die Absonderlichkeiten dieser Familie scheinen einen Grundstein für das Verhalten von Helene gelegt zu haben. Helene kommt 8 Jahre vor dem ersten Weltkrieg auf die Welt. Wächst in einem Haushalt auf, der viele Fragen aufwirft. Ist die Mutter gar eine Jüdin?
Wenig erklärend, reihen sich die knappen, eindringlichen Sätzen aneinander. Doch hat man bald ein sehr genaues Bild von dem, was sich in dem Leben der Mädchen entspinnt.
Lange schon liegt dieses Buch in meinem Regal. Es hat auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Interessant, dass Bücher manchmal ein Eigenleben haben. Es ist schwierig den Einstieg zu finden. Die Sätze und Wörter fallen über den Leser her und verwirren. Aber zwischen den Zeilen finden sich die Antworten.
Das Buch aus der Hand zu legen, wäre ein Fehler, denn sonst könnte man etwas verpassen. Man sollte in der richtigen Stimmung sein, um diesen gewaltigen Roman zu genießen. Julia Franck trifft mit ihrer Sprache genau die Zeit der 1920 und 1930, weshalb es mir am Anfang wohl auch etwas schwer fiel, zu begreifen. Und doch genau das scheint es zu sein, weshalb sich dieser Roman in den Gedanken festsetzt.
Zu Recht hat Julia Franck mit diesem Roman den Deutschen Buchpreis 2007 bekommen.
Die Mittagsfrau
Verlag: FISCHER
432 Seiten
ISBN: 978-3-596-17552-9
Autorin: Julia Franck
Ein Buch, das ich gerne zu meinen Herbstbüchern stellen mag.
Spannend! Ja, es stimmt. Manche Bücher warten auf ihre Zeit. Ich werde mir das Buch vormerken.
Liebe Grüße
Andrea
von Helga:
Liebe Andrea,
ich weiß net, jetzt hab ich mich auf die Lesezeit gefreut und ich kann nichts finden. Meine Gemütslage derzeit ist im Unruhemodus und die Bücher sind alle voller Probleme. Ich kann mich dafür im Augenblick nicht erwärmen, mir ist eher nach unkomplizierter Kindheit, da Mama stets alle Dinge für uns geregelt hat.
Jetzt hab ich doch mal nachgeschaut was alles noch ungelesen sein Dasein fristet und bin auf ein Buch von 2013 gestoßen, Der Duft des Regens, von Frances Greenslade.
Nicht ganz ohne halt auch, denn zwei Mädchen suchen ihre Mutter, die einfach zur Hintertüre hinaus verschwand wie eine Katze. Damit ich aber nicht wieder frustig werde wenn es wieder nicht passt, habe ich mir noch Die kleine Puppenklinik von Nelly
Lewald besorgt. Gibt es nur bei Weltbild. Ein romantischer Wohlfühlroman um Lenas Puppenklinik die an einen Immobilienhai verhöckert werden soll. Ihre Kollegin Ekki und Freundin Katja sowie der charmante Mateo und die 8 jährige Emma werden tätig.
Mal sehen ob mich diese Lektüre dann erfüllen kann. Na, die Wolle in den Händen kann und muß den Rest noch erledigen.
Hab Freude an den Exemplaren die Du Dir ausgesucht hast, das Wetter samt Corona paßt sehr gut dazu.
Mit lieben Grüßen Helga
Ich weiß, dass man manchmal einfach auch leichtes lesen möchte. Ich hoffe deine Wahl macht dich glücklich!
Liebe Andrea,
es klingt spannend aber auch schwerwiegend, man muss dazu in Stimmung sein. Das geht nicht immer. Bestimmt aber sehr fesselnd, ich werde mir den Titel merken. Sei lieb gegrüßt
Monika