Auf der Insel am Rand der Welt leben im Frühling unendlich viele Eiderdaunenenten. Eine Insel, die aus der Zeit geschnitten zu sein scheint. Ohne Strom ohne Kanalisation. James Rebanks ist ein englischer Schafzüchter. Er lebt auf einer Farm, die seine Familie schon seit 600 Jahren bewirtschaftet und er ist Autor. Rebanks bekommt die Chance, auf einer der entlegensten norwegischen Inseln einen kompletten Frühling zu verbringen. Seine Reise führt ihn zunächst nach Vega, um dort auf Anna zu treffen, die mit ihm das nächste viertel Jahr verbringen wird. Zusammen mit vielen Eider-Enten und einer gewaltigen Natur.

Vega ist einer der größeren Orte auf den Inseln des Vega – Archipel. Einer der letzten größeren Orte am Rand der Welt. Rebanks hatte keine Ahnung, was ihn dort erwarten würde. Während einer Präsentation wurde der Autor auf die entlegensten Inseln aufmerksam gemacht. Inseln, auf denen meistens Frauen leben. Diese Frauen sind dort im Frühling, ohne Strom, ohne jeglichen Komfort. Sie bauen die Behausungen und die Nester für die Enten. Sie passen darauf auf, dass die Enten in Ruhe brüten, vor Fressfeinden geschützt sind und ihre Küken am Ende sicher ins Meer führen können. Der Lohn sind dann die feinen Eiderdaunen, die sich die Enten aus der Brust zupfen. Die in den Nestern eingesammelt werden und dann gesäubert werden müssen. Fluffige Federn, die in der Welt einen hohen Preis erzielen.

Insel am Rand der Welt
James Rebanks wird nach einer Präsentation in Vega mit einem Fischerboot zu einer der entlegenen Inseln gefahren und sieht dabei eine alte, abweisende Frau, die mit wehenden Haaren auf einem von Seetang bedeckten Felsplateau steht. Unwirklich, unnahbar und irgendwie verwunschen. Rebanks konnte diesen Anblick und die Inseln nicht mehr aus seinen Gedanken streichen. Sieben Jahre später schrieb er Anna, der Frau auf der Insel, einen Brief und bat sie darum, dass er sie auf ihre Insel begleiten darf. Er würde für seinen Unterhalt arbeiten und sich ganz zurücknehmen, er würde gerne über ihre Arbeit dort einen Bericht schreiben. Wochen später traf die Antwort ein: Er müsse Arbeitszeug und feste Stiefel mitnehmen.
Nach meiner Ankunft auf der Insel hatte ich rasch gespürt, dass ich mich zurücknehmen und bei der Arbeit ihre Anweisung befolgen, mich also unterordnen musste, um die Dynamik nicht zu stören, die sich zwischen beiden entfaltete. Ich hatte mich noch nie so klein gemacht.
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Einheit mit der Natur
James Rebanks beschreibt die Inseln und ihre Natur mit einer solchen Farbvielfalt, dass man sofort seinen Koffer packen möchte und auf die Inseln des Vega-Archipels reisen möchte. Sein Text ist unaufgeregt, so wie die Tage auf der Insel, zwischen den alten Frauen. Jeden Tag wird ein bisschen mehr an den Nestern gebaut und eines Tages sind die wunderschönen Wildvögel endlich da, um dort erst zögerlich die Nester zu beziehen. Rebanks schreibt fast sensibel, deutet aber auch auf die Veränderungen in der Natur hin. Das Leben mit den Frauen auf der Insel wirkt beruhigend. Es passiert wirklich nicht viel und doch mag man immer weiter lesen. Es tut irgendwie gut, die Natur zu erlesen.
Für Anna wird es der letzte Aufenthalt auf der Insel sein. Ihr Bedauern darüber, sowie die Selbstreflexion des Autors über sein eigenes Leben geben dem Roman eine besondere Würze. Es ist ein sanftes, leises Buch mit einem Hauch Melancholie. Ich mochte den Schreibstil des Autors.
Insel am Rand der Welt
Ein Roman von James Rebanks
Originaltitel The Place of Tides
Übersetzt von Henning Ahrens
304 Seiten
ISBN 978-3-328-60419-8
aus dem Penguin – Verlag
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