Frühjahrskollektion ist der neue Roman von Christine Koschmieder. Sie beschreibt die Wirtschaftswunderzeit, als alle den vergangenen Krieg vergessen wollten, als alle nur noch nach vorne schauen wollten. Und doch war nicht alles vergessen, noch war nicht alles aufgearbeitet und wird es wohl auch niemals sein.
Frühjahrskollektion
Lilo Kowatz hat Bademoden für die reifen Frauen entworfen. Bademoden, die den älteren Damen Figur zurückgeben. Die auf Frauen zugeschnitten sind, mit kleinen Polstern, die nicht den Mannequinmaßen entsprechen. Und Lilo hat einen Traum: Sie hofft darauf, damit den großen Durchbruch zu haben. Ihr Mann Harry begleitet so lange Witwen zu den Kriegsgräbern nach Frankreich oder in den Osten. Gut geht es ihm nicht mit diesem Job, aber was macht es, er verdient gutes Geld. Ihre gemeinsame Tochter Reni hungert derweil für eine Mannequinfigur und lebt mit einem Mann zusammen, der sie nur benutzt.
Eine alte Freundin, Hertha, die mit Lilo zusammen in Litzmannstadt war, besucht Lilo in ihrem Laden und unterbreitet ihr einen Vorschlag, den Lilo kaum ausschlagen kann. Harry soll sich bei Herthas Mann vorstellen. Der arbeitet nämlich bei Neckermann, dem Versandhaus. Harry könnte dort sicherlich einen gut bezahlten Job bekommen. Das Ganze ist verbunden mit einer Verschwiegenheit, was damals in Litzmannstadt geschah.
„… Sie weiß nicht mehr, was Franz damals für einen Rang hatte. Ob er auch zu denen mit der eigenen Zyankalikapsel gehört hat. Aber einer wie Franz bringt sich nicht um, einer wie Franz ändert seinen Nachnamen und macht weiter Geschäfte … „ Seite 86
Damals war’s
Wirtschaftswunder, das ist die Zeit, in der ich geboren wurde. Von all den Prozessen, die noch wegen der Judenverfolgung stattfanden, bekam ich nichts mit. Und in meinem Kopf sind so weit wie möglich alle Bösen zur Rechenschaft gezogen worden, die man erwischt hatte. Dieser Roman hat mich aber eines Besseren belehrt. Nicht jeder kam vor den Kader, nicht jeder musste bei Null anfangen oder konnte sich so gut hinter einem neuen oder einem angesehenen Namen verstecken. Als ich noch in die Windeln gemacht habe, waren junge Menschen dabei, als die Prozesse gegen die Verbrecher geführt worden sind. Sie machten Krach und zeigten mit dem Finger auf die Schuldigen, forderten Gerechtigkeit.
“ … Und was die immerzu von Verantwortung faseln, der sich die Deutschen stellen sollen, diese jungen Idioten, keiner von denen war dabei, die tun gerade so, als wäre das alles eine Frage der persönlichen Integrität gewesen. … „ Seite 222
Christine Koschmieder erzählt eine Geschichte, die sich vielleicht in jeder „guten“ deutschen Familie hätte abspielen können. Reni weiß von all den Machenschaften ihre Eltern kaum etwas und sie sieht nur das Familienfoto, das eine heile Welt zeigt. Die junge Frau scheint tatsächlich fast weltfremd zu sein und nur die Modebranche zu kennen. Auch der Leser bekommt die ganze Geschichte nur häppchenweise serviert. Der Roman wird abwechselnd von den verschiedenen Familienmitgliedern erzählt. Ich fand es etwas schwierig, den Roman “ Frühjahrskollektion“, zu lesen. Die Autorin macht oft nur Andeutungen, die sich der Leser erst zusammenreimen muss. Manchmal wiederholt sie Sätze. Vielleicht weil sie sich dann besser einprägen, vielleicht weil es das Geschehen aus verschiedene Perspektiven zeigte. Ich fand den Aspekt der Modeentwicklung sehr spannend. Aber auch die Entwicklung der Familie war interessant.
Schön finde ich das Cover. Ich mag die halben Buchumschläge, die das schöne Muster vom Einband zeigen. In diesem Fall ist es ein Fashionmuster, wie es die Kleider in den 1960 Jahren oft zeigten.
Die Bewertung ist mir nicht leicht gefallen. Die manchmal komplizierten Sätze haben den Lesefluß etwas unterbrochen. Rubi meinte, dass dieses Buch 🐭🐭🐭🐭 verdient hat. Der Geschichtliche Aspekt hat dann noch eine 🐭 herausgekitzelt.
Frühjahrskollektion
ein Roman von Christine Koschmieder
288 Seiten
aus dem Kanon Verlag
ISBN 978-3-98568-159-4
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